Freitag, 31. Januar 2014

G’hört sich das?


Jeder, der mich näher kennt, wird bestätigen: Mein Leben ist Dienen, und sei es nur als schlechtes Beispiel. In meinem Herzen weiß ich:

Dein bestes Glück, o Menschenkind,

Berede dich mitnichten,

Dass es erfüllte Wünsche sind

Es sind erfüllte Pflichten!

Deshalb lest ihr heute wieder einmal eine stark serviceorientierte Kolumne. An euren Freitagsschreiber wurden nämlich jüngstens mehrfach Anfragen herangetragen, die ich gerne für euch zusammenfasse. Sie lauteten ungefähr: "Gehört da ein Apostroph?"

Da wird es natürlich gefährlich. Die sog. Apostrophitis hat es zu einem eigenen Wikipedia-Lemma gebracht, und Leute wie Bastian Sick haben ganze Bücher mit unrichtig gesetzten Apostrophen gefüllt. Wo in der bürgerlichen Bücherwand einst der Brockhaus einer Bildungsfrage harrte, wollen heute Sick'sche Sammlungen Schadenfreude bereiten ("sicksche Sammlungen" ohne Apostroph wäre ebenfalls korrekt).

Doch ich gehe davon aus: Wenn ihr mit einer apostrophalen Unsicherheit bei mir anklopft, geht es nicht um grammatische Pusteln wie den "Bahnhof's Markt" oder "Kurti's Branntweinschenke". Über diese pseudoenglischen Genitive sind wir erhaben.

Die Schwierigkeiten entstehen auch nicht durch das gravitätische –sch, weil man das eh nie verwendet. Unsicherheit besteht offensichtlich dort, wo man das Stricherl am häufigsten braucht, oder eben nicht, nämlich bei Auslassungen: fürs oder für's; hör' oder hör; runter oder 'runter; n oder 'n?

Die Regel ist in diesem Fall beschaffen wie ich, nämlich serviceorientiert, und ich gebe sie hier unvollständig wieder.

Man setze einen Apostroph

-        in Verkürzungen, die sonst schwer verständlich wären oder blöd aussähen: 's ist spät; so 'n Schwachsinn; wenn du's willst

-        außerdem natürlich bei längeren Auslassungen (P'dorf, Klo’burg)

-        nach dem Genitiv von Wörtern auf s, x, z (Andreas' Frisur, wenn die Haarpracht von Andreas gemeint ist, nicht von Andrea)

Man spare sich den Apostroph

-        nach Imperativen ohne Schluss-e: Geh, lass den Apostroph weg!

-        Bei gebräuchlichen Verkürzungen mit r-: runter, raus, rüber etc.

-        Bei üblichen Zusammenziehungen von Präposition + Artikel: fürs, vors, ins, überm. Diese Regel gilt analog zu "am" und "beim", wo ja auch niemand auf die Idee käme, einen Apostroph zu setzen.

Man darf ihn sich sparen, soll aber nicht

bei Verbindungen von Verb + "es" – gehts, nimms, etc. Ich empfehle jedoch dringend, hier bei geht’s, nimm's etc. zu bleiben. Sonst sieht das kacke aus.

Und was macht ihr mit den Apostrophen, die euch in Zukunft übrigbleiben? Einfach tieferlegen und als Beistriche verwenden. Mit denen seid ihr nämlich oft etwas zu sparsam. Ihr kleinen Schlingel, ihr!

Freitag, 24. Januar 2014

Klarstellungen


Vor zwei Wochen haben wir den einhundertsten Todestag des großen Ambrose Bierce vollrohr versäumt. Das hat er sich wirklich nicht verdient. Ihm gebührt für seine sämtlichen Werke wenigstens noch einmal ebensoviel Ruhm, wie er für sein berühmtestes, das Devil's Dictionary, bereits besitzt. Zu Recht, bei Einträgen wie diesem:

EULOGY, n. Praise of a person who has either the advantages of wealth and power, or the consideration to be dead.

Im Gedenken an den begnadeten Spötter gibt es deshalb heute die ersten Lemmata zu einem Langenscheidt, auf den wir hoffentlich nicht mehr lange warten müssen:

Kunde – Deutsch

Druck: a) irreführende Metapher aus der Physik. Druck wird i.d.R. vom Kunden Richtung Agentur aufgebaut, ohne aber den entsprechenden Newtonschen Gegendruck zu erzeugen.

b) Was gelegentlich schiefgeht.

etwas mehr: EUR 0,35 pro Direct Mail

konkret: Wir wissen nicht, was wir genau wollen, aber ihr macht das schon

Letztkorrektur: ein begrifflicher Verwandter von "Friendly Fire". In beiden Dosen ist nicht das drin, was draufsteht.

mutig: Wir rücken erst später damit heraus, dass alle Buzzwords in der Headline vorkommen müssen.

schräg: Weder witzig noch treffend, sondern eben schräg.

Timing: was nur einer von uns einzuhalten braucht, damit das Launchdatum am Ende gleich bleibt.

Überschrift: Headline

witzig: Mein Humor ist eigen.

PS: Wer weitere Einträge hat, liefere sie!

Freitag, 10. Januar 2014

Kurzes über die Länge


Sätze sind wie Käfer, Sorgen oder Popcornportionen: Es gibt sie in allen möglichen Formaten, von "Hä?" bis Thomas Bernhard. Manche finden Kurze knackig und hörten am liebsten immer nur Sachen wie "Komm", "Iss", "Küss mich" oder "Weiter links". Andere tun sich viel darauf zugute, dass sie Bandwurmsätze verdauen können wie andere Leute Reisschleim. Doch die meisten von uns sind klug genug, um zu wissen: Auch Satzlängen machen sich am besten, wenn sie der Situation angepasst sind. Deshalb hat sich "Alle potenziell Betroffenen mögen sich bitte darauf einstellen, dass in den nächsten Sekunden ein stark in die Länge gezogener Vollholzkegel mit intakter Beastung seine Lage um ca. 90° ändern wird, wonach die Kegelbasis nicht mehr in Richtung Erdmittelpunkt, sondern grob nach Ostsüdost weist" einfach nicht durchgesetzt, sondern gegenüber einem schlichten "TIMBER!" den – ja genau! – Kürzeren gezogen.

Wie lang ist lang, und ist kurz kurz genug? Liegt in der Kürze die Würze, oder lässt Länge es knistern? Natürlich kommt es auch auf die Größe an (die Schriftgröße!), und natürlich hat auch so mancher Kunde eine mehr oder minder festgefasste Ansicht dazu. Einer von ihnen liefert gern das Feedback "Bitte keine Schachtelsätze!", wenn der Satz ungefähr so gebaut ist wie dieser. Andere (oder auch derselbe) bauen gerne Wortgüterzüge, die mit einschläferndem Geratter durch die Absätze zuckeln. Letzteren kann geholfen werden. Erstere bleiben aber eine wichtige Antwort schuldig: Jene auf die Frage, wie eine Bedingung oder Begründung elegant zu formulieren sei, wenn man nicht "wenn", "weil" oder "damit" sagen darf. Da kann man noch so heftig schwören, dass ein Beistrich noch keinen Schachtelsatz macht, wer korrigiert, schafft an.

Den Ausweg aus diesem Dilemma weist der Blick auf größere Zusammenhänge: Kunden, die keine Nebensätze mögen, fokussieren eben auf die Hauptsache! Begründungen bringen kein Brot auf den Tisch, Verkäufe machen das Kraut fett. Deshalb, liebe Endkonsumenten: Kauft einfach. Wir werden es uns einander danken.