Freitag, 28. Februar 2014

Für die, der das nicht wurscht ist

Mit Geschlechtern ist es ja immer so eine Sache. Da brauchen wir jetzt gar nicht vom Gender-maingestreamten Formulieren zu reden, das den Lesefluss schön oder noch schöner befördert, je nachdem, ob man es mit Schrägstrichen, Binnen-I oder einfach Ausschreiben betreibt. Diese Büchse lasse ich heute lieber verschlossen, denn es könnten bissige kleine Ungeheuer herausflattern, um mich zu piesacken, bis ich endlich bereitwillig auch auf Seite 25 unten noch von "Wählerinnen und Wählern" schreibe.

Nein, heute geht es nur um das grammatische Geschlecht. Das Deutsche segnet uns ja mit drei Stück davon, nämlich Maskulinum, Femininum und Neutrum. Mehr bietet keine Sprache, weniger eine ganze Menge. Wer im Gegensatz zu mir des Französischen kundig ist, weiß, dass es dort wie auch im Italienischen und ganz besonders im Rumänischen zwittrige Wörter gibt, die in der Einzahl männlich, in der Mehrzahl hingegen weiblich sind. Aber das braucht uns nicht zu kümmern, hier wird heute deutsch geredet.

Vorausgeschickt sei, dass ich diesbezüglich ja sehr offen bin. Wo ich herkomme, sind nicht nur Benzin und Radio männlich, sondern auch Schaf – jawohl, "der Schaf" sagen wir und genieren uns kein bisschen. Dafür ist Honig sächlich, und in der Sonne schläft nicht der Hund, sondern die Hünt' – bellende Vierbeiner sind im Bregenzerwald by default weiblich, warum auch immer. Etliche Wörter sind auch standardsprachlich nicht wirklich festgelegt. Bekanntestes Beispiel ist wahrscheinlich Joghurt, für den/die Duden alle drei Geschlechter kennt. Das lasse ich mir ja noch einreden, und jeder von uns hatte wohl schon Diskussionen mit Menschen zu führen, die nur die selbst bevorzugte Variante gelten lassen wollten.

"Dschungel" ist laut Duden übrigens entweder männlich oder sächlich – schon das hanebüchen genug – doch konnte das Wort in meiner Schulzeit außerdem noch weiblich sein. Das war aber ganz bestimmt ein schlapper Scherz der Wörterbuchredaktion, denn auf eine Belegstelle für "das" oder gar "die Dschungel" warte ich noch heute.

Die Sprache der Werbung bietet noch eine Spezialität, die es sonst nirgends gibt: ein Wort, das im Kunden-Sprachgefühl sächlich wird, wenn man es männlich hintextet, und umgekehrt. Meine hochverehrten TexterInnenkollegInnen (ha!) wissen schon, wovon die Rede ist: vom Service natürlich.

Service ist für die meisten von Haus aus neutral – "das Service" liegt uns auf der Zunge. Irgendwann aber las ein Zuständiger "das Service" und hatte gleich ein ganz unpassendes Bild im Kopf, weil er erst kürzlich das 47-teilige Hutschenreuther von der Großtante geerbt hatte. Seither gibt es in den Marketingstübchen eine Mehrheit, die "der Service" lesen will, wenn es nicht gerade ums Teegeschirr geht. Nicht selten sitzt irgendwo eine widerständige Zelle, die in Schleife 4 zu "das Service" korrigiert, was aber nie bis in die Reinzeichnung überlegt. Das finde ich schade, denn mir gefällt "das Service" einfach besser. Vielleicht, weil es devoter klingt als im Maskulinum.

Schönes Wochenende!

Freitag, 21. Februar 2014

Mehr Beistriche


Ich muss euch rügen: Kein einziger von euch hat die Hausübung ordentlich gemacht. Dafür gibt’s kein Sternderl und kein Mitarbeitsplus, sondern nur noch mehr Beistriche. Das muss sitzen, sonst bleibt die ganze Klasse da, mir ist das vollkommen wurscht.

So. Die Beistriche sind seit letzten Freitag nicht besser geworden. Wir haben noch einige zweifelhafte Fälle zu klären, in denen oft auch mit Kunden schwer handelseinig zu werden ist. Nicht selten geht es um ein "oder" zwischen Hauptsätzen, noch häufiger um ein "und", das sich in derselben Lage befindet. Wieder haben wir für die Unklarheit den Rechtschreibreformatoren zu danken. Super, Jungs! Das habt ihr echt sauber hingekriegt!

Alsdann: Jeder weiß, dass vor "und" und auch vor "oder" kein Beistrich gesetzt wird, wenn Wörter oder Wortgruppen verbunden werden. Wir machen Print, TV und online oder Internetzeugs. Wir trinken Wein oder Bier oder Gin.
Viele haben auch noch im Hinterkopf, dass es mit ganzen Sätzen irgendwie komplizierter ist, und sie wissen nicht recht, wie sie damit umgehen sollen.

Einst war es einfach, und vor der Reform musste der Beistrich in diesem Satz gesetzt werden.

Denn hier sind zwei Hauptsätze verbunden, oder der Satz müsste anders lauten.

Dank der Reform ist der Beistrich zwischen Sätzen nun der Beliebigkeit anheimgefallen. Die Faustregel lautet, dass man überall da einen macht, wo der Kunde keinen haben will, und umgekehrt. So, meine Lieben, kommen die kleinen Korrekturschleifen in die Welt.

Ein Spezialfall ist das nachgestellte "oder" (besser: od'r) meiner Heimat, das einen Beistrich vorangestellt bekommt, weil es einen ganzen Satz vertritt: "Oder verhält es sich etwa nicht so, wie ich gerade dargelegt habe?"

Fieser als von manchen vermutet ist der Beistrich zwischen Adjektiven. Das zeigt sich z.B. an der "neuen, kostenlosen App" im Vergleich zur "neuen kostenlosen App". Der Unterschied erschließt sich mitunter erst nach einem Weilchen, doch ist er vorhanden: jener zwischen einer App, die neu und kostenlos ist, und einer kostenlosen App, die außerdem neu ist. Das Gegenteil schafft, wie so häufig, Durchblick: Im ersteren Fall wäre das eine alte, kostenpflichtige App, im letzteren eine alte kostenlose App.

Klar liegt der Fall z.B. für die "positive allgemeine Stimmung": Hier brauchen wir keinen Beistrich, weil es keinen Sinn ergäbe, statt seiner ein "und" zu setzen. Wir reden nicht von einer Stimmung, die positiv und allgemein ist, sondern von der allgemeinen Stimmung, welche positiv ist.

Was noch? Ah ja. Partizipialkonstruktionen, a.k.a. "das mit den Mittelwörtern". Bahnhof? Beispiel: "An einem geilen Layout feilend, nippte Luke an einem Bier." Oder: "Von seinen Kollegen angemalt, lag Christian da und sah sehr friedlich aus."

Hingegen ohne Beistrich: "Schwer atmend betrachteten alle die Schmusis."

Die Regel – bzw. der Mangel daran – ist hier so ziemlich die gleiche wie für die Infinitivgruppen von letzter Woche: Früher brauchten allein stehende Partizipien keinen Beistrich, erweiterte sehr wohl. Heute dürfen auch erweiterte Partizipien ohne Beistrich stehen, macht sich aber schlecht.

Hab ich was vergessen? Ah ja: Das Datum kriegt Beistriche (am Montag, dem 23. Juli, haben wir kein Hosting). Und die direkte Rede auch, sogar, wenn davor schon ein Satzzeichen steht: "Hört dieses Beistrichgeschreibsel irgendwann auch wieder auf?", scholl es aus zahllosen Leserkehlen.

Ja, tut es. Was machen wir nächste Woche? Keine Ahnung. Vielleicht irgendwas mit Geschlechtern.

Freitag, 14. Februar 2014

Beistriche


Ach, hätte ich einen Beistrich für jeden Beistrich, nach dessen korrekter Setzung sich bei mir schon erkundigt wurde! Dann müsste ich nicht die langen Winterabende damit verbringen, unter der Lupe welche zu schnitzen, auf dass auch künftig die Texte sorgfältig gegliedert seien.

Deshalb und auf vielfachen (also: zwiefachen) Wunsch geht es heute weiter mit den serviceorientierten Freitagen und (vielleicht auch: , und) wir widmen uns der Frage, ob da ein Beistrich gehört oder warum nicht. Ob wir damit heute fertig werden, ist zweifelhaft.

Zunächst muss ich leider festhalten, dass Beistriche oder, wie im Duden und generell in Deutschland gebräuchlich, Kommata grundsätzlich nichts Gutes sind. Setzt man einen Beistrich, dann wittert mancher Kunde einen unerwünschten Schachtelsatz, der potenzielle Konsumenten verwirren könnte. Man möchte dem entgegenhalten, dass ja bekanntlich ohnehin keiner die Copy liest, außer einige wenige Neugierige, die sich auf einem Bildungsniveau bewegen, das es ihnen gestattet, auch Beistriche zu verdauen.

Setzt man andererseits keinen, kann es sein, dass einer fehlt.

Die Beistriche lassen sich ganz einfach einteilen in die eh klaren, die unklaren und die fakultativen.

Die offensichtlich notwendigen Beistriche sind erstens jene, die Gliedsätze abtrennen wie diesen hier. Selbstverständlich gehört hierher auch, dass Objektsätze einen Beistrich erfordern.

Ebenso steht es z.B. mit Kausalsätzen, weil sonst etwas fehlen würde.

Dasselbe gilt auch für die indirekte Rede, in welcher mich ein Leser gefragt hat, ob heute die Beistriche drankämen.

Zweitens gelingen den meisten Language-Usern die Beistriche in Aufzählungen, Listen und Aneinanderreihungen gleichwertiger Satzglieder oder auch Teilsätze: Ich schrieb den Satz, vermisste einen Beistrich, holte ihn aus der Lade und setzte ihn an seinen Platz.

Drittens sind die Beistriche vor und nach Beifügungen, auch bekannt als Appositionen, allgemein geläufig.

Die zweifelhaften Beistriche fehlen häufig, sollten uns aber erfreuen:

Vergleichssätze sind ohne Beistrich nicht so hübsch, wie sie sein könnten.

(Vergleiche brauchen einen Beistrich nicht so dringend wie Vergleichssätze.)

Schlimm sind die fakultativen Beistriche, die wir der Rechtschreibreform verdanken. Sie kommen am häufigsten bei den Infinitivgruppen vor, und man darf sie setzen oder nicht.

Der Effekt der Reform lässt sich gut zusammenfassen: Wo man früher der Klarheit halber einen Beistrich setzen musste, darf man ihn jetzt der Unklarheit halber weglassen. Wo man früher keinen setzen durfte, weil eh alles klar war, darf man es jetzt, um die Verwirrung zu steigern.

Ich empfehle daher, sich an die alte Regel zu halten und die neue Freiheit den Narrenkappenträgern zu überlassen. Die Regel lautet:

Ein einfacher Infinitiv braucht keinen Beistrich, also:

"Wir versuchten zu gewinnen."

Ein erweiterter Infinitiv bekommt einen Beistrich:

"Wir versuchten, unsere Kunden mit akrobatischen Übungen zu beeindrucken."

Als Erweiterung gelten auch schon Kleinigkeiten wie ohne, statt, außer, als:

"Wir gewinnen lieber, als zu verlieren."

Ich würde sagen, das reicht für heute. Bis zum nächsten Mal schreibt jeder drei Sätze mit erweiterten Infinitiven. Weiter geht’s am 21. Februar!