Freitag, 29. August 2014

Wahrheit und ÖVP


Die Zeit bleibt nicht stehen, selbst Vizekanzler hauen den Hut drauf. So weit ist euer ergebener Kolumnator noch nicht, wirft der gewesene Finanzminister doch mit seiner Abschiedsrede eine interessante Frage auf.

Herr Spindelegger hat uns zum Abschied versichert, die Wahrheit sei zumutbar. Einerseits ist es natürlich schön und im Sinne des Bildungsauftrages löblich, wenn ein Gerade-noch-nicht-Ex-Politiker ein Beinahe-Bachmann-Zitat bringt. (Noch schöner wäre es natürlich gewesen, wenn er seine Quelle genannt hätte.)

Andererseits kommen wir nicht um die Frage herum: ob der gewesene Vizekanzler sich damit nur ins Gefolge der Dichterin gestellt hat, oder auch in das eines anderen Schwarzen, nämlich Andreas Khols, der einst erklärt hat, die Wahrheit sei eine Tochter der Zeit. Wie wir wissen, hat auch er damit zitiert, nämlich den römischen Schriftsteller Gellius, und diesem gleichzeitig das Wort im Mund verdreht. Denn Khol verteidigte mit dem Zitat, dass die ÖVP als Wahldritte in die Koalition anstatt, wie versprochen, in die Opposition ging. Gellius hatte dagegen eher gemeint, dass es manchmal Zeit braucht, bis die Wahrheit ans Licht kommt. (Wobei das auch schon wieder ungenau ist, denn Gellius selbst zitiert schon ohne Quellenangabe: "Alius quidam veterum poetarum, cuius nomen mihi nunc memoriae non est, veritatem temporis filiam esse dixit", also: "Ein anderer alter Dichter, an dessen Namen ich mich gerade nicht erinnern kann, hat gesagt, die Wahrheit sei eine Tochter der Zeit".)

Deshalb: Wie ist das nun mit der ÖVP und der Wahrheit? Ist sie immer gleich zumutbar?

Und wenn, ist es dann immer dieselbe Wahrheit, die man uns zumuten darf? Doch mit solchen Fragen dürfen wir uns nicht aufhalten. Denn zweifellos hat Spindi ja recht: Die Wahrheit ist wahrlich zumutbar.

Wenn es aber eine Wahrheit ist, dass man uns die Wahrheit zumuten kann, ist dann auch diese Wahrheit ihrerseits zeitabhängig im Sinne Khols? Da erschallt ein lautes "Ja" aus den christdemokratischen Reihen: Vor der Wahl 1999 war uns die Wahrheit eben nicht zumutbar, dass sich die ÖVP mit der FPÖ auf ein Packl hauen würde, sondern erst danach.

So zeigt sich wieder, dass man die Quellenlage sorgfältig prüfen muss, damit uns zulässige Schlussfolgerungen reifen. Wir mussten uns klarmachen, dass die spindeleggersche Ehrlichkeit erst durch das Erklimmen der kholschen Schultern möglich wurde, um seine Tragweite  zu erfassen. Khol seinerseits ist offenbar der Größere der beiden, und wir sollten ihm als politischer Lichtgestalt nachweinen. Denn er hat schon vor 15 Jahren vorausgeahnt, dass Spindi einst Bachmann zitieren und sein, Khols, Taktieren damit philosophisch adeln würde. Ganz schön tricky, Micky! 

Nächste Woche: Prostitution.

Freitag, 8. August 2014

Seien wir ehrlich


Kürzlich fühlte ich mich an eine Anekdote erinnert, die Ernest Hemingway berichtet. Einst, so der Großmeister der Schluckspechte, wurde ein berühmter Stierkämpfer gefragt, wie er trainiere, um ausreichend Kraft für seine Kämpfe aufzubauen. "Was soll mir Kraft", antwortete der Zwetschkenkrampus von Matador, "der Stier wiegt eine halbe Tonne. Lass den Stier die Kraft haben."

In mir verstärkt sich in den letzten Monaten der Eindruck, dass wir uns daran ein Beispiel nehmen könnten: Der Kunde hat Product Manager, Brand Manager, Key Accounter und weiß der Geier wen noch allen, die zusammen locker die Masse eines Kampfstiers in die Arena werfen können. (Weil wir beim Stier sind, und weil sie sich auf "Geier" reimen: Hat die schon mal jemand verkostet? Sollen angeblich gut schmecken.)

Lassen wir doch ab und zu den Kunden die Kraft haben. Nicht nur, wenn es um Geschmacksentscheidungen geht. Die fallen ja erst in dritter Linie uns zu, weil wir in erster und zweiter Linie auf Basis unserer hart erworbenen Kompetenz entscheiden.

Sondern vor allem, wenn es um sachliche Inputs aus der Domäne des Kunden geht. Unsere Kunden wissen weit mehr als wir über Online-Gambling, Direktbanken oder Porenbeton. Wenn irgendwo zu einem solchen Thema Content fehlt, sollen wir dann Content erfinden, damit das Layout schön befüllt ist?

Oder sollen wir es uns gröbi machen, mit einem magenta eingefärbten Kasten und der Inschrift "PLATZHALTER"?

Ich sag’s ehrlich: Ich bin für gröbi. Denn einem Platzhalter sieht man sofort an, dass hier etwas nachzuliefern und zu tun ist. Ein hübsches Layout verdeckt nur den Mangel. So schlimm steht es hoffentlich noch nicht. Zeigen wir doch klar, dass hier die Kompetenz des Kunden gefragt ist. Dann bleibt auch weniger Zeit für das Gegenteil, also Layouten und Texten. Das können wir nämlich besser.

Im Übrigen verlange ich, dass nur Jobs mit vollständig ausgefülltem Reinzeichnungskleber die Agentur in Richtung Fulfillment verlassen. Venceremos!

Freitag, 1. August 2014

Bücke dich


Was eine rechte Freitagskolumne ist, beschränkt sich nicht auf Grammatisches und Werbliches. Ziel muss es vielmehr sein, allgemein lebensrelevante Fragen rechtzeitig zu beantworten, bevor jemandem am Wochenende etwas passiert, was einem nachher leid tut. Deshalb klären wir heute, ob man selber pflücken soll. 

Manche, z.B. die Weibsen eures Kolumnators, können an keinem Schild vorbeigehen, das die Chance zum kostenpflichtigen Erntehilfseinsatz verheißt. "Kirschen selber pflücken" – schon muss ich die Leiter halten. Heidelbeeren, Erdbeeren, Himbeeren, es sei, was es sei: Wenn die Dinger selbst zu pflücken sind, stehen meine Damen schon auf dem Feld parat.

Weil ich weiß, auf welcher Seite mein Brot gebuttert ist, lasse sich sie natürlich gewähren. Weil ich aber in jungen Jahren reichlich Zeit auf diversen Äckern verbracht habe, um dort Sachen aufzuklauben, an denen mir wenig lag, mache ich meistens nicht mit. Also, wenn ihr selber pflücken wollt, dann tut das von mir aus. Ich nehme derweil gerne eine Erfrischung zu mir. Leider liegt da der Hase im Pfeffer: Die meisten Selberpflücketablissements zeichnet eine betrübliche Abwesenheit von Sonnenschirmen, Liegestühlen und kühlen Getränken aus. Dafür würde ICH nämlich zahlen.

Doch hat mich die Sache auf eine Idee gebracht. Für euch bedeutet das: die Chance, in eine Chose einzusteigen, bevor sie ganz, ganz groß wird.

Nämlich: Ich rolle das Selberpflückfeld von hinten auf, indem ich eine Nische besetze, die bisher übersehen wurde. Ich denke da an (Tusch!) ERDÄPFEL ZUM SELBERPFLÜCKEN! 

Alles, was wir dazu brauchen, sind ein Acker nicht zu weit von Wien und eine halbwegs interessante Kartoffelsorte. Danach heißt es nur noch abwarten, bis die g’schmackigen Knollen reif sein, und dann rollen wir in den diversen Sozialmedien die große Grundbirn’-Selberpflück-Kampagne aus. Schon Tage später sitze ich bei bedrückender Hitze unter einem Sonnenschirm, in der Hand einen großen, kühlen, randvollen Humpen. Wohlgefällig schweift mein Blick über den Acker voll reifer Feldfrüchte und – noch wichtiger – voller zahlender Hipster, die buckeln und schwitzen und dafür zahlen. Herrlich! Ein stämmiger Freund von mir hat sich schon bereit erklärt (was heißt bereit erklärt – gefleht!) beritten und mit einer Flinte am Sattel um den Acker zu patrouillieren. Diese Stelle ist also schon vergeben, aber ich bin sicher, euch fallen weitere erstrebenswerte Betätigungen ein.

Einfach melden, mitmachen und besser leben!