Freitag, 27. November 2015

Für sie und ihn



Liebe Lesehäschen, in den letzten Tagen haben wir gleich zwei Geschenke aus dem Bildungsbereich bekommen. Das erste ist natürlich der Entwurf zur Bildungsreform. Diese enthält mancherlei, wovon man sich fragt, warum es das nicht schon längst gibt, wie zum Beispiel das Mitspracherecht der Schuldirektoren bei der Besetzung offener Lehrerposten in ihrer Schule. Ganz allein dürfen die das natürlich nicht entscheiden, doch haben sie nun immerhin ein Vetorecht betreffend die Vorschläge der übergeordneten Behörde.
Ähnlich revolutionär wirken die verpflichtenden Sprachstartklassen für Kinder mit Deutschschwächen. Ist das super? Wie hat das System eigentlich bisher dafür gesorgt, dass Kinder sprachlich dafür gerüstet waren, dem in der Unterrichtssprache gehaltenen Unterricht folgen zu können?
Das ganz große Packerl liegt aber ein bisschen tiefer unterm Reformbaum versteckt. Denn die Zarteren unter euch wissen das vielleicht nicht. Aber Menschen meiner Generation rechnen stündlich mit der Großen Integrierten Sinnvollen Verwaltungsreform, seit wir mehr oder weniger bewusst am politischen Geschehen teilhaben.  Seit den späten 70ern wird sie uns verheißen, und wir bangen immer wieder, ob es jetzt dann nicht vielleicht doch endlich so weit ist, dass der allerhöchste Ärar (hätte ich jetzt fast geschrieben) den Gürtel administrativ wenigstens ein halbes Loch enger schnallt.
 Jetzt, hochverehrte Lesehäschen, ist es soweit. Denn im Rahmen der Bildungsreform werden die Landesschulräte abgeschafft.
Jawohl, abgeschafft. Mit Stumpf und Stiel.
Freilich nicht ersatzlos. An ihre Stelle treten Bildungsdirektionen. Diese sind mit Landesschulräten in keiner Weise vergleichbar, was man daran erkennt, dass die Bildungsdirektoren zwar von den Landeshauptleuten vorgeschlagen werden, jedoch dem Bildungsministerium unterstehen. Das, Herrschaften, ist gelebter Föderalismus! Ins Auge springt auch, dass die Landeshauptleute stets auch Landeschulratspräsidenten waren. In der Bildungsdirektion ist der Landeshauptmann hingegen nicht mehr Präsident. Also, nicht automatisch.
Ich will mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aber ich denke, diese Bildungsreform wird der ganz große Wurf, den mir zu erhoffen ich angefangen habe, als mir erstmals Nachricht von der Schwimmkanzlei zuteil ward.
Das zweite Geschenk war, verpackt im Standard vom 17.11., ein Artikel über die Hertha-Firnberg-Schulen. Hertha Firnberg war bekanntlich eine große Sozialdemokratin, deren man sich heute, vielleicht zu Unrecht, vor allem als jener Ministerin erinnert, die Thomas Bernhard bei einer Preisverleihung als Dichterling bezeichnete, wofür dieser ihr natürlich ein angemessenes literarisches Denkmal setzte.
In den nach ihr benannten Schulen legt man allergrößten Wert auf Gendergerechtigkeit. Deshalb gibt es eine Genderbeauftragte, es gibt möglichst gendersensible Lehrer sowie die alljährliche Gendermania, eine Veranstaltungswoche mit Projekten zum Thema Gender Mainstreaming. Damit auch alle mitbekommen, worum es geht, hängt neben der Direktion das Motto „Es zählt das Individuum, die Leistung und das Engagement und nicht das Geschlecht“. Dies ist höchst löblich. Jedoch, meine teuren Lesehäschen: Wie gut stünde es erst einer Bildungseinrichtung an, wäre hier zu lesen „es ZÄHLEN“.
So setzt auch heute schon jede Direktorin ihre Schwerpunkte selbst, auch wenn sie einst Deutsch unterrichtet hat.

Freitag, 20. November 2015

Meine nerveuse Friseuse


Betrüblicherweise, meine mir so teuren Lesehäschen, ist Frau J. nun wirklich verrückt geworden. Ich hatte wie üblich auf dem Friseurstuhl Platz genommen, als sie, die sonst immer von Bosheit aufrecht gehalten und umgetrieben schien wie von einer inneren Sprungfeder, gebeugt herbeischlurfte. Grüßte mit leiser Stimme, hustete diskret. „Sind’S leicht erkältet?“ fragte ich höflich, und ward beschieden: „Nein, ich habe ein – Problem.“ Nämlich, so verriet sie sotto voce, „mit der Mafia“. Ich, mezzoforte: „Mit der MAFIA?“. – „Psssst!“

Danach entrollte sie in stark ungarisch gefärbter, flüssiger Rede ein wirres Panorama, an dem Hieronymus Bosch seine Freude gehabt hätte: Mit dem Russen habe alles angefangen. Der Russe hatte ein Geschäft drei Häuser weiter, in dem er angeblich – angeblich! – Autoteile verhandelte. Weil erstens: Autoteile kann man doch nicht einfach so verkaufen, die kriegt man doch in der Werkstatt. Und zweitens: Der  war ja nie da, der Russe. Ein reines Scheingeschäft. Überhaupt, so Frau J., sei sie die einzige Geschäftsfrau weitum, die tatsächlich arbeite, sonst nur Scheingeschäfte ausschließlich. Ursach dessen ist natürlich die seit Jahren aufs Betrüblichste irregeleitete österreichische Politik, die jeden kriminellen Zuwanderer mit offenen Armen willkommen heißt, zum Schaden der leider allzu wenigen gesetzestreuen Geschäftsfrauen und –männer. Aber weiter: Die rechtschaffene Frau J. habe den Russen, so sie, „angezeigt“, und jetzt ist da kein Russe mehr mit Scheingeschäft. Doch so leicht wird man so einen nicht los. Denn „die Russenmafia“ steckt ja mit „den Zigeunern“ unter einer Decke. Deshalb leidet Frau J. seit Monaten an Atembeschwerden. Da liegt so ein Schleier in der Luft, bei ihr zuhause. Zuerst hat sie auf Motten getippt „Männer“ kommen lassen, damit die „die Wohnung ausspritzen“. Die Männer aber stecken ihr ein Licht auf: Diese kleinen schwarzen Punkterln, die da am Boden wuseln, das seien keine Motten. Zigeuner seien darauf spezialisiert, so etwas mit Schläuchen bei den Tür- und Fensterdichtungen einzuleiten, um missliebige Bewohner zu vergraulen. Was die Punkterln seien?

Na Elektrosmog.

Grundsätzlich, so klagte Frau J. mehrfach, sei alles nicht nur sehr belastend für sie, sondern auch sehr schwierig. Weil ihr ja keiner glaubt. In Österreich is sowas nemlich ein sehr seltener Fall. Im Ostblock ist das anders. Und mit dem durch Schläuche an den Dichtungen vorbeigeleiteten Elektrosmog ist es ja nicht getan. Sie wies mir klagend eine offene Stelle am Zeigefinger: Da habe sie gestern ihren Flüssigseifenspender bedient. Jemand habe offenbar etwas Ätzendes auf den Drücker geschmiert. Und kürzlich habe sie Weißwäsche gewaschen – alles voller roter Flecken! Weil jemand Farbe unter ihr Waschmittel gemischt hat, um sie psychisch fertigzumachen.

Ob sie schon beim Arzt gewesen sei? Natürlich nicht, schließlich muss sie ihr Geschäft erhalten und kann nicht ständig wegrennen.

Warum diese Verbrecher überhaupt auf ihr Geschäftslokal scharf sind? Das ist es ja, man kriegt ja keine Auskunft!

Kurz: Es ist alles sehr schrecklich, wegen der – psst! – Russenmafia. Und überhaupt.

Dazu, o meine mitfühlenden Lesehäschen, vergesst bitte nicht, dass mir die Frau J. während ihrer ganzen traurigen Tirade die Haare geschnitten hat.

Damit bin ich bei der Kernfrage des heutigen Tages: Kann eines von euch mir einen kundigen Coiffeur oder gerne auch eine Coiffeuse empfehlen, die die Hoffnung aufs Reichwerden aufgegeben hat? Denn die Frau J. lasse ich nicht mehr mit scharfen Werkzeugen in meine Nähe. Lieber fünf Minuten feig als ein Leben lang tot.

Freitag, 13. November 2015

Kohlendioxid

Das Rad des Schicksals, geliebte Lesehäschen, dreht sich unaufhaltsam immer weiter. Wer heute grinsend oben sitzt, wird morgen unten jammern. Haben vor einem Jahr die TDI-Fahrer über Prius-Käufer nur müde gelächelt, so bietet sich heute eine Wette darauf an, wie lange es dauert, bis Volkswagen Nokia geworden ist. Und alles wegen dem blöden Kohlendioxid! Damit, meine hochverehrten Lesehäschen, sind wir beim Thema Hygiene und der Frage: Ob das Skandalwagen-Kohlendioxid überhaupt zu Buche schlägt, im Vergleich zum Ausstoß, der durch weibliche Badegewohnheiten entsteht.
Wie bitte? Also: Wie fast jeder, so beziehe auch ich mein Wissen (bzw. das, was ich dafür halte) über die Welt und die Menschen in ihr meistenteils aus Hollywoodfilmen. Das bedeutet in erster Linie: Falls mal jemand ein Sturmgewehr auf mich richtet, verstecke ich mich blitzartig hinter einer Autotür. Passt, oder?
Außerdem bade ich selten. Denn so ist das in Hollywood: Männer baden höchstens im Western, und dann tun sie in Wirklichkeit nur so, weil ja der Revolver nicht nass werden darf. Frauen baden hingegen ständig, und zwar bei Kerzenschein. Sie haben meist eine Kombitherme, denn es dauert eine ganze Weile, bis das Badewasser eingelaufen ist. Diese Zeit nutzen Filmfrauen, um im Bad Kerzen anzuzünden. Ungeklärt bleibt, ob diese irgendwie befestigt sind. Sie stehen nämlich immer einfach so herum, ohne Kerzenhalter. Kleben Filmfrauen die Kerzen mit Wachs auf glatte Oberflächen? Das wird nachher aber eine ganz schöne Schweinerei. Wahrscheinlich haben die auch immer eine Perle, die das Wachs mit Bügeleisen und Löschpapier wegfriemelt.
Doch das soll nicht unser Problem sein. Vielmehr beschäftigt mich eine andere Frage: Bis so eine Filmbadewanne halbwegs vollgelaufen ist, dauert es mindestens eine Viertelstunde (eher zwanzig Minuten, die nehmen ja immer so viel Wasser). In dieser Zeit kann man mit etwas Übung locker 50 Kerzen anzünden und platzieren, was ungefähr der filmischen Realität entspricht. Und jetzt die Kernfrage:
Was bedeutet das für den CO2-Ausstoß?
Ein Teelicht verpupst, so habe ich herausgefunden, etwa zehn Gramm CO2 pro Stunde. Die gängige Hollywood-Badezimmerbeleuchtungskerze ist aber weit dicker und heller. Ich würde sagen, wir dürfen ruhig vom doppelten Ausstoß ausgehen. Wie lange dauert ein Hollywoodbad? Nehmen wir eine Stunde, das ist leicht zu rechnen und dürfte ungefähr hinkommen, außer in Slasherfilmen, aber da hat man sowieso andere Probleme als Kohlendioxid.
So kommen wir bei 50 Kerzen zu einem Ausstoß von 1 kg CO2 im Verlauf eines gemütlichen Wannenbads. Das klingt zunächst nach viel. Doch wer mit einem Kilo CO2 auf zehn Kilometer auskommen will, muss sich schon einen Prius anlachen.
Entwarnung also, verehrte Damen, liebe Mädchen, geschätzte Frauen und alle anderen kerzenbadaffinen Genders: Macht ruhig so weiter. Nur eure Kerzen, die räumt ihr danach bitte selber weg.

Freitag, 6. November 2015

Wetten, dass?

Wie ihr, meine genussverliebten Lesehäschen, bestimmt mitbekommen habt, hat die WHO Schinken und Wurst als krebserregend eingestuft und rät daher den Konsum entsprechend einzuschränken. Das bringt uns nahtlos zu der Frage: Ob damit Kohle zu machen ist?
Konkret: Wie sicher ist eine Wette auf deinen eigenen Darmkrebs, wenn du entsprechend viel Wurstwaren einschneidest?
Die WHO stützt ihre Empfehlung auf eine Metastudie, die, so kann keine Zeitung zu berichten umhin, von „22 Experten“ erstellt wurde. Nebenbei bemerkt, ist dies ein schönes Beispiel dafür, warum „Experte“ so ein Super-Wort ist. Zum Beispiel hat jeder von uns schon mit Produkten zu tun gehabt, die Experten konstruiert hatten. Leider waren es halt manchmal keine Experten für Produktdesign, sondern für Hundeerziehung, Steuererklärung oder Bierdosen-von-unten-leertrinken-wenn-man-dort-ein-zweites-Loch-reinmacht.
So. Also Experten haben herausgefunden. Schade, dass es keine amerikanischen Experten waren. Ich will ja nicht unterstellen, dass die Schlüsse, zu denen sie in ihrer Metastudie gelangen, nicht stichhaltig seien. Obwohl es nicht die erste Metastudie wäre, die im Fazit einen Scheck ausstellt, den die Daten nicht decken.
Doch wie gesagt, darum geht es mir nicht. Vielmehr, meine hochverehrten Lesehäschen, wollen wir ja mit unserem Darmkrebs eine Wette gewinnen. Entscheidend ist daher der immer wieder zitierte Hinweis, „dass das Darmkrebsrisiko je 50 Gramm verarbeitetes Fleisch am Tag um 18 Prozent steigt“. Dies scheint mir gute Literatur zu sein, in dem Sinne, dass der Satz entschieden interessantere Fragen aufwirft als er Antworten liefert.
Nämlich erstens: Was bedeutet „am Tag“? Ist damit der große Schnitt gemeint, d.h. wenn ich von Montag bis Samstag den Wurstzölibat einhalte, aber am Sonntag mit der Kalbspariser in der Früh nicht spare, mir vorher noch gebratenen Speck reinpfeife und am Abend ein Burenheidl verzwicke, was unterm Strich auf locker 35 Deka hinausläuft, dann ist das darmkrebstechnisch gleichbedeutend mit einem Mädchenwurstsemmerl an jedem Wochentag? Oder ist hier ein Handicap einzukalkulieren? Und wenn ja, haut dann der geballte Konsum dramatischer rein, oder muss der Pegelwurstesser eher dran glauben?
Zweitens, weil wir gerade dabei waren: Ist Speck jetzt krebserregend oder nicht? Der Artikel spricht von „verarbeitetem Fleisch“ und nennt als Beispiele für Verarbeitungsmethoden Räuchern oder Pökeln, womit Speck definitiv auf der Shitlist steht. Und noch wichtiger: Vorher oder nachher? Denn wie wir Freunde des gepflegten Frühstücksspecks wissen, ist ein halbes Kilo, das man vom Spar heimträgt, kein halbes Kilo mehr, wenn es knusprig auf dem Teller liegt. Ich habe das noch nie nachgeprüft, aber ich schätze, dass von dem halben Kilo keine zwanzig Deka übrigbleiben.
Drittens, wichtigstens und verwirrendstens: Sind das Prozente oder Prozentpunkte? Wenn es Prozentpunkte sind, dann bist du aus dem Schneider: Du trägst deine Ersparnisse zu bwin, isst täglich 278 Gramm Wurst, und dann brauchst du nur noch abzuwarten. Dein Darmkrebs kommt mit 100-prozentiger Sicherheit (weil 278:50=5,56 und 18x5,56=100,08), und dann kassierst du ab. 28 Deka Wurst und Schinken pro Tag sind sicher kein Lercherl, aber machbar. Eine Käsekrainer z. B. wiegt je nach Format mindestens 100 Gramm, und eine Käsekrainer ist ja noch keine Mahlzeit.
Wenn es hingegen wirklich, wie der Satz nahelegt, Prozente sind, wird es komplizierter, weil wir dann ja in die Zinseszinsrechnung kommen. Soll heißen: Die ersten 50 Gramm erhöhen das Darmkrebsrisiko von 0 auf 18 Prozent. Die nächsten 50 Gramm bringen aber nicht 18 Prozent, sondern nur 18 Prozent von 18 Prozent, d.h. 3,24 Prozentpunkte. Die dritten 50 Gramm bringen 18 Prozent von 21,24 Prozent, und so weiter. Erst mit über 600 Gramm pro Tag kommt man in die Gewinnzone, und 600 Gramm pro Tag JEDEN TAG sind nun wirklich nur noch etwas für Spezialisten. Falls es sich also tatsächlich um Prozente handelt, ist es in der Praxis unmöglich, sich einen halbwegs gesicherten Darmkrebs herbeizuessen und so bwin in den Ruin zu treiben. 
Ich hoffe damit gedient zu haben. Im Übrigen fordere ich, dass nur Reinzeichnungen mit vollständig ausgefülltem Reinzeichnungskleber die Agentur in Richtung Fulfillment verlassen.