Fastenzeit
ist, meine gesundheitsbewussten Lesehäschen und –rammler. Zeit, den steinigen
Weg des Verzichts einzuschlagen und die neue Kargheit zur Steigerung der
Konzentration zu nutzen. Hieramts zum Beispiel hat sich euer ergebener
Kolumnator in letzter Zeit immer wieder mal in Betrachtungen zur Lage der
Menschheit, der Bildungspolitik und der Bobos innerhalb des Gürtels verloren.
Dabei wurzelt meine wöchentliche Absonderung doch ganz woanders: Im i-Tüpferl-Reiten nämlich, und schon
stellt sich die Frage, ob es sich nicht vielmehr ums „I-Tüpferl-Reiten“ handelt? Antwort: Schwierig. Wir kommen da zum
Gegenteil der Lautmalerei. Das grammatisch korrekte Schriftbild mit großem „I“
(weil substantiviert) ermangelt genau jenes Details, um das es doch geht
(nämlich des i-Tüpferls). Bleiben wir also ausnahmsweise beim i-Tüpferl-Reiten,
es muaß, wie die großartige Martina Schwarzmann singt, oam a amoi wos wurscht
sei kenna! Dessenohnerachtet, wie man früher gesagt hätte, war eine der
schönsten Erfahrungen, die mir das Kolumnieren je beschert hat, die Reaktion
einer mir überaus teuren Leserin, als ich einst unbedacht das Wort „Rosinenkacker“ schrieb: Das heiße doch „Korinthenkacker“. Nochmals danke dafür,
und recht hattest du. Auf geht’s also zum Erbsenzählen! In meiner Heimat nennt
man Pedanten übrigens Tüpfleschießar (Tüpferlscheißer), was schon okay ist,
aber nicht so geil wie der finnische Ausdruck, den mir Wikipedia gerade
geschenkt hat: Pilkunnussija, der
Kommaficker bzw., wie wir hieramts sagen, der Beistrichficker.
Es
ist schon eine Weile her, da gab es im Standard
einen Artikel über österreichische Waffenlieferungen in arabische Länder.
Zuerst, hieß es da, bestellten die Araber soundsoviele Granaten. Die Qualität
war offenbar zufriedenstellend, denn ein Weilchen später „wollten noch einmal
3.000 Granaten gekauft werden“. (Ihr könnt euch das Googlen sparen, die
Formulierung wurde längst geändert.) Ein hübsches Beispiel dafür, dass im
Passiv halt manches anders läuft als im Aktiv, auch außerhalb der strengen
Kammer.
Schwieriger
liegt der Fall in der, jawohl, der ZEIT – auch nach 70 Jahren kann
einmal ein Hoppala durchrutschen, wenn es denn eines ist. Dort nämlich stand, dass
Beyoncé „gerüchtehalber ihre Haut aufhellt“.
Echt?
Ich weiß ja nicht, wie es im Lesehäschenbau zugeht, aber ich denke bei „-halber“ immer an eine Kausalbeziehung,
d.h. das „-halber“ hat entweder mit
einer Ursache oder mit einem Zweck zu tun. Wenn ich „krankheitshalber“ fehle, dann ziehe ich mir den Russischkurs auf
FS2 rein, weil ich zu krank bin, um
in die Schule zu gehen. Gehe ich „spaßhalber“
in die Bettelalm (jetzt nur rein hypothetisch!), dann hoffe ich dort auf ein
Divertissement, das sich gewaschen hat, und deswegen gehe ich hin. In diesem Sinne verzeichnet schon das
Grimmsche Deutsche Wörterbuch das
Suffix.
Der
ZEIT-Autor scheint also zu unterstellen,
Beyoncé habe sich einer Hautaufhellung unterzogen, um Gerüchte über eben diesen
Vorgang in die Welt zu setzen, oder aber, sie habe sich die Haut aufhellen
lassen, weil ohnehin schon entsprechende Gerüchte kursierten.
Das
geht beides nicht auf, finde ich: Etwas tun, um Gerüchte darüber zu schüren,
man habe es getan, ist doch bloß doof. Und sich von einem Gerücht dazu zwingen
lassen, es wahr zu machen, ist auch nicht besser.
Schon
klar, wie es zu der Formulierung gekommen ist: Der Autor wollte wohl
ausdrücken, es gebe Gerüchte, dass die Sängerin sich aufhellen lassen habe. Er
spürte aber auch, dass „gerüchteweise“ nicht passt. Denn „gerüchteweise“ hört man etwas, man tut es aber nicht. Also
flüchtete er sich ins „gerüchtehalber“.
Zwar kennt der Duden dieses Wort nicht (und der Duden verzeichnet immerhin aufm ohne Apostroph), doch im Internet
gedeiht es wie bei uns im Garten der Große Wiesenknopf. Blöd nur: Es wird immer
synonym mit „gerüchteweise“
verwendet. Also leider nichts gewonnen. Bleiben zwei Fragen:
Erstens: Wie lässt sich die Formulierung verbessern? Ui, da
muss ich jetzt ganz fest und lange grübeln. Äh, blblblb – ach genau. Da gibt es
doch ein wunderbares Wort, dass ausdrückt, dass etwas eventuell der Fall ist
oder auch nicht, jedenfalls reden Leute darüber. „Angeblich“. Das war es.
Zweitens: War das jetzt i-Tüpferl-Scheißen oder
Korinthenreiterei?

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