Heute,
Vehrerteste und Teure, ist der Tag der Eindeutigkeit. Den führe ich hiermit ein, damit sich jede
einmal eine sprachliche Freude machen kann. Das heutige Datum ist so gut wie
frei – wir kommen damit weder dem „Tag
der Kosmonauten“ in die Quere noch dem Weltzugvogeltag,
dem Tag des Fahrrads, der Huren oder dem Home Movie Day. Zwar begeht Nordkorea
heute seinen Nationalfeiertag, aber ich denke, da ist noch Platz für einen weiteren
freudigen Anlass.
Also:
Tag der Eindeutigkeit. Das sind
gleich zwei Geschenke auf einmal, also zwei Drittel vom guten alten
Überraschungsei, das in scharfem Kontrast zum weniger tollen aktuellen
Überraschungsei steht, weil nach derzeitiger Ferrero-Firmenpolitik Bausätze für
Spielzeug, das man dann jahrelang vom CD-Regal in die Schreibtischlade und
zurück übersiedelt (ja, ich habe noch ein CD-Regal!), aus höchstens drei Teilen
bestehen dürfen, und das wird schnell fad.
Nun
denn. Inspiriert, soviel Zeit muss noch sein, ist der Tag der Eindeutigkeit von
der österreichischen Version der Grand
Old Party. Denn es war ganz eindeutig
vorbestimmt, dass Frau Mikl-Leitner und Herr Sobotka die Plätze tauschten, ob
vom Schicksal oder vom Onkel, das spielt keine Rolle. Abzuwarten bleibt
freilich, ob ihre Bestimmung sich für die beiden so erfüllen wird wie für zwei
gewesene Aschenputtel, die jetzt einer
Zukunft voller Glitzer und Einhornstreicheln entgegensehen, oder eher so wie
für Gollum, für den es leider eindeutig unausweichlich war, versehentlich in
die Feuerklüfte des Schicksalsberges zu stürzen, damit der Ringträger
seinerseits der schicksalhaften Fügung Genüge tun konnte.
Jetzt
aber zur Eindeutigkeit. Es gibt ja Wörter, die sich nicht recht entscheiden
können, was sie heißen wollen. Das ist, wenn ihr mich fragt, unproblematisch etwa bei „Bank“ oder „streichen“. Sitzgelegenheit oder Geldsammelanstalt, mit Farbe
bedecken oder aus dem Umfeld kicken – diese Dinge sind so weit voneinander
entfernt, dass sie einander nicht ins Gehege kommen.
Aber
da draußen auf der endlosen semantischen Prärie, wo ungezähmte Adverbien sich
nur selten finden, weshalb man so selten kleine Adverbien sieht – dort
flattern, kreuchen oder galoppieren Partikel oder gar urtümliche Substantive
herum, die gern sie selber wären und außerdem so etwas Ähnliches. Das kann
unangenehmes Jucken hervorrufen.
Mein
solches Wort ist „dereinst“. „Dereinst“, das bestätigt zu meinem
Leidwesen auch das Deutsche Wörterbuch,
weist sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft: „Dereinst war es ganz normal, sich für eine Besprechung einen
Besprechungsraum zu suchen.“, wie auch „Dereinst
wird es gar keine Besprechungen mehr geben, weil alle vom ständigen Besprechen
am Arbeitsplatz ertaubt sind.“
Ich
finde, das ist zu viel. Damit kommt der Tag
der Eindeutigkeit ins Spiel. Denn der ist nicht nur so ein
Nullachtfünfzehn-Tag – aha, heute also Aktionstag „Rettet die Kastanien“ (zweiter Samstag im November, gleich rot
anstreichen!), immerhin ham’s Glück mit dem Wetter. Schaun wir mal, was neues
in der Tagespresse steht.
Nein,
am Tag der Eindeutigkeit kann jede von euch so richtig was bewirken. An diesem Tag darf jede entscheiden, welche Bedeutung ein
zweideutiges Wort ab jetzt eindeutig hat. Deshalb bitte gleich einmal merken: „Dereinst“ weist ab sofort nur mehr in
die Zukunft. Für die Vergangenheit gibt es ja genügend Auswahl, wie zum
Beispiel „ganz früher“, „vor langer Zeit“, „damals“ oder auch „einst“, das übrigens gerne weiterhin
auch Zukünftiges herbeiwinken darf, da stört es mich seltsamerweise gar nicht.
Falls
ihr auch ein Wort am Scheideweg habt, dann bitte sehr: Heute ist eure
Gelegenheit, es auf die richtige Seite zu stupsen.
Einen
Stups könnte auch ZEIT-Autor Moritz
Baumstieger vertragen. Er berichtet, wie er einmal in Tel Aviv ins
karnevalistische Purimstreiben geraten ist und begeistert war. Also schnell
zurück ins Quartier (vermutlich AirBnB) und unter den Sachen des
Vermieterpaares nach geeigneter Verkleidung gesucht. „Bis die beiden am nächsten Morgen zurückkommen würden, würde ich schon
alles wieder verstaut haben.“
Abgesehen
von der etwas ungraziösen Fülle an Würde: Sagen Sie mal, Herr Baumstieger,
geht’s noch? Wenn einem schon das Minimum an Gespür fehlt, das die meisten von
uns davon abhält, aus einer Laune heraus die privaten Besitztümer von
Wildfremden zu durchwühlen, sagt einem dann nicht wenigstens ein dumpfes Ziehen
in den vom Dauergrinsen müden Mundwinkeln, dass man den eigenen Verstoß gegen
die guten Sitten nicht auch noch als, hach!, Anekdote in Deutschlands gebildetstem
Wochenblatt ausbreiten sollte?
Anscheinend
nicht. Wir brauchen auch noch einen Tag des halbwegs ordentlichen Benehmens.
Den gibt es nämlich bisher nicht.
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