Die
Stilistik, liebe schier unwiderstehlichen Lesehäschen, kennt den Begriff der
„uneigentlichen Rede“: Wörter tragen nicht die Bedeutung in sich, die außen
draufsteht, sondern eine, die ihnen erst im rhetorischen Zusammenhang
zuwächst. Unser hochverehrter Herr Kulturminister Josef Ostermayer hat sich in
einem kürzlich gewährten Interview um die Kultur, speziell die Sprachkultur,
verdient gemacht, indem er dem Begriff eine neue, umso überzeugendere Bedeutung
faktisch-performativ eingeschrieben hat. Denn wer das Interview liest, fragt
sich nachher, wer zum Geier hier
eigentlich geredet hat?
Kurzer
historischer Exkurs für die ganz
kleinen Lesehäschen: Josef Ostermayer
ist ein gelernter Jurist, der sich alsbald auf Wohnrecht spezialisiert und es nach
sieben Jahren bei der Mietervereinigung zum Chef des Wiener Wohnfonds gebracht
hat. Danach ist er im Sog Werner Faymanns Minister für Kultur und noch so
allerlei geworden. Seine erste Amtshandlung bestand darin, Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann zu schassen, weil der
als ausgewiesener künstlerischer Leiter in der Buchhaltung nicht hinreichend
genau hingeschaut hatte. Nichts profiliert einen frischgebackenen
Kulturminister mit solidem Background in Wohnrecht so rasch wie die Trophäe
eines kapitalen Burgtheaterdirektors. Das unterstelle ich jetzt einfach mal,
weil ich bezweifle, dass die Demontage des Hartmanns und die sonstigen
Umstellungen substanziell etwas gebracht haben. Inwiefern zum Beispiel die Streichung der Kartenpreisermäßigung für
Kinder Österreich kulturell viarehaut, das soll mir der hochverehrte Herr
Bundesminister tiefempfunden vortanzen. Davon zu schweigen, dass die wunderbaren
Familienstücke sich in den aktuellen Burg-Spielplänen rar machen wie
brauchbarer Aufschnitt beim Merkur.
Nun
aber zum Interview. Ostermayer
verlautbart gleich im dritten Satz sein Programm: Er wolle zu dem immer noch
laufenden Verfahren „nicht Stellung nehmen.“
Klar, dass dann doch Stellung genommen wird, aber von wem? Eine Frage später heißt es: „Die
Annahme, dass irgendwelche Unterlagen nicht herausgegeben worden wären, würde
ich in Kenntnis der handelnden Personen zurückweisen.“ Durch diese
Konjunktive muss man erst einmal durchsteigen, damit einem klar wird: Anscheinend
kennt er die handelnden Personen nicht. Aber wer redet dann von ihnen? Und wer
weist zurück?
Weiter
geht’s: „Wo Verjährungsfristen eintreten
könnten, wurden entsprechende Schritte gesetzt und von Wirtschaftsprüfern ein
Verjährungsverzicht eingefordert. Wo dieser nicht abgegeben wurde, haben wir
eine Feststellungsklage abgegeben.“ Hier
gibt es zwei, vielleicht drei handelnde Personen: uns, den/die Urheber der Schritte,
und eventuell die Wirtschaftsprüfer,
je nachdem, ob diese die Fordernden waren oder die Adressaten der Forderung.
Der wichtigste Akteur, der die Schritte gesetzt
hat, bleibt auf jeden Fall im Dunkeln. Wen deckt Ostermayer hier?
Aufklärung
bleibt aus: „Wenn es von
Wirtschaftsprüfern über lange Zeit uneingeschränkte Bestätigungsvermerke gab,
auch das Kontrollsystem betreffend, kann man der Holding oder den
Aufsichtsräten schwer vorwerfen, sie hätten genauer hinschauen müssen.“ Gab
es jetzt oder gab es nicht? Wenn es gab und man nicht vorwerfen will, wozu gibt
es dann die genannten Instanzen? Vor allem aber: Wer ist man? Offenbar ein Abwartender im Hintergrund. Die Zukunft bleibt
ungewiss, nicht zuletzt für Ostermayers Leibprojekt, das Haus der Geschichte: „Für heuer haben wir Vorsorge getroffen.“
Sagte der Minister Ende März.
Alle,
die schon einmal Cyrano de Bergerac
gelesen oder den Film gesehen haben, dürfte bei diesem Interview ein Gefühl des
Déjà-vu beschlichen haben. Es ist,
als hätte der Standard Christian de
Neuvillette interviewt. Nun hoffen wir auf ein baldiges Gespräch mit Cyrano,
der Neuvillette/Ostermayer eingesagt hat. Wer weiß, wessen Ohrs er sich noch
sicher sein darf!
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