Freitag, 1. April 2016

Der unsichtbare Dritte


Die Stilistik, liebe schier unwiderstehlichen Lesehäschen, kennt den Begriff der „uneigentlichen Rede“: Wörter tragen nicht die Bedeutung in sich, die außen draufsteht, sondern eine, die ihnen erst im rhetorischen Zusammenhang zuwächst. Unser hochverehrter Herr Kulturminister Josef Ostermayer hat sich in einem kürzlich gewährten Interview um die Kultur, speziell die Sprachkultur, verdient gemacht, indem er dem Begriff eine neue, umso überzeugendere Bedeutung faktisch-performativ eingeschrieben hat. Denn wer das Interview liest, fragt sich nachher, wer zum Geier hier eigentlich geredet hat?

Kurzer historischer Exkurs für die ganz kleinen Lesehäschen: Josef Ostermayer ist ein gelernter Jurist, der sich alsbald auf Wohnrecht spezialisiert und es nach sieben Jahren bei der Mietervereinigung zum Chef des Wiener Wohnfonds gebracht hat. Danach ist er im Sog Werner Faymanns Minister für Kultur und noch so allerlei geworden. Seine erste Amtshandlung bestand darin, Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann zu schassen, weil der als ausgewiesener künstlerischer Leiter in der Buchhaltung nicht hinreichend genau hingeschaut hatte. Nichts profiliert einen frischgebackenen Kulturminister mit solidem Background in Wohnrecht so rasch wie die Trophäe eines kapitalen Burgtheaterdirektors. Das unterstelle ich jetzt einfach mal, weil ich bezweifle, dass die Demontage des Hartmanns und die sonstigen Umstellungen substanziell etwas gebracht haben. Inwiefern zum Beispiel die Streichung der Kartenpreisermäßigung für Kinder Österreich kulturell viarehaut, das soll mir der hochverehrte Herr Bundesminister tiefempfunden vortanzen. Davon zu schweigen, dass die wunderbaren Familienstücke sich in den aktuellen Burg-Spielplänen rar machen wie brauchbarer Aufschnitt beim Merkur.

Nun aber zum Interview. Ostermayer verlautbart gleich im dritten Satz sein Programm: Er wolle zu dem immer noch laufenden Verfahren „nicht Stellung nehmen.“ Klar, dass dann doch Stellung genommen wird, aber von wem? Eine Frage später heißt es: „Die Annahme, dass irgendwelche Unterlagen nicht herausgegeben worden wären, würde ich in Kenntnis der handelnden Personen zurückweisen.“ Durch diese Konjunktive muss man erst einmal durchsteigen, damit einem klar wird: Anscheinend kennt er die handelnden Personen nicht. Aber wer redet dann von ihnen? Und wer weist zurück?

Weiter geht’s: „Wo Verjährungsfristen eintreten könnten, wurden entsprechende Schritte gesetzt und von Wirtschaftsprüfern ein Verjährungsverzicht eingefordert. Wo dieser nicht abgegeben wurde, haben wir eine Feststellungsklage abgegeben.“ Hier gibt es zwei, vielleicht drei handelnde Personen: uns, den/die Urheber der Schritte, und eventuell die Wirtschaftsprüfer, je nachdem, ob diese die Fordernden waren oder die Adressaten der Forderung. Der wichtigste Akteur, der die Schritte gesetzt hat, bleibt auf jeden Fall im Dunkeln. Wen deckt Ostermayer hier?

Aufklärung bleibt aus: „Wenn es von Wirtschaftsprüfern über lange Zeit uneingeschränkte Bestätigungsvermerke gab, auch das Kontrollsystem betreffend, kann man der Holding oder den Aufsichtsräten schwer vorwerfen, sie hätten genauer hinschauen müssen.“ Gab es jetzt oder gab es nicht? Wenn es gab und man nicht vorwerfen will, wozu gibt es dann die genannten Instanzen? Vor allem aber: Wer ist man? Offenbar ein Abwartender im Hintergrund. Die Zukunft bleibt ungewiss, nicht zuletzt für Ostermayers Leibprojekt, das Haus der Geschichte: „Für heuer haben wir Vorsorge getroffen.“ Sagte der Minister Ende März.

Alle, die schon einmal Cyrano de Bergerac gelesen oder den Film gesehen haben, dürfte bei diesem Interview ein Gefühl des Déjà-vu beschlichen haben. Es ist, als hätte der Standard Christian de Neuvillette interviewt. Nun hoffen wir auf ein baldiges Gespräch mit Cyrano, der Neuvillette/Ostermayer eingesagt hat. Wer weiß, wessen Ohrs er sich noch sicher sein darf!

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