Freitag, 23. September 2016

Vorraumkunde

Heute, meine Damen, Herren und Häschen, wird mal wieder was weggesudert. Weil es nämlich rundum bergab geht. Wie eine geschätzte Bekannte einmal geschrieben hat: „Früher war alles besser. Gestern zum Beispiel war Sonntag.“ Nicht einmal auf Klebstoff ist mehr Verlass. Kann sich noch jemand an jene US-Präsidentenwahl erinnern, bei der es zu gröberen Unstimmigkeiten kam, weil die Stimmabgabestanzgeräte nicht sauber arbeiteten und die auszustanzenden Futzerln teils in den Löchern steckenblieben? Im Jahr 2000 war das, und was haben wir damals gelacht! Heute darf die Welt sich abhauen, weil in Österreich der Klebstoff nur so heißt. Beziehungsweise: Nachdem aus FPÖ-Kreisen die Existenz eines Wunderkugelschreibers kolportiert wurde, dessen Tinte unsichtbar wurde, wenn man sein Kreuzerln für den Kandidaten Hofer gemacht hatte (und nur dann, sonst wäre die Geschichte ja zwecklos), nehmen wir die Existenz eines nicht ganz so wunderbaren Klebstoffs zur Kenntnis, der vor, während oder nach der Stimmabgabe des Klebens überdrüssig wird, unabhängig von der politischen Ausrichtung des betroffenen Stimmberechtigten. Naja. Einen Wahlkampfsong haben wir ja nun immerhin – Hallihallo, wer sitzt am Klo ...
Aber darüber wollte ich mich ja gar nicht verbreiten. Sondern darüber motschkern, worin fragwürdige Entscheidungen nur allzuoft wurzeln, in einem Erfolg nämlich, genauer gesagt: in erfolgreichem Lobbying. Früher hätte es das nicht gegeben. Denn früher gab es kein Lobbying, früher wurde antechambriert. Das Antechambrieren ist dem Lobbying in jeder Hinsicht überlegen, wie ein denkender Mensch ohne weiteres zugeben muss.
Erstens ist antechambrieren eine dieser seltenen graziösen Mischungen aus französischem Stamm und dem gestelzten –ieren – so wie hasardieren, bajonettieren oder tranchieren. Sehr hübsch!
Zweitens geht es zwar in beiden Fällen darum, dass es sich jemand richtet, wie er’s braucht. Wer antechambriert, tut dies aber eher auf eigene Hand und sozusagen im privaten Rahmen. Denn eine Antechambre gibt es ja nicht bei jeder öffentlichen Bedürfnisanstalt, sondern sie ist Räumen vorgeschaltet, in denen empfangen zu werden pflegt. Seien es private Salons oder Amtsstuben alten Stils – im Vorzimmer wird sorgfältig vorgezimmert, damit später im Allerheiligsten bereits ein tragfähiges Gerüst wartet und man ans erwünschte Ziel gelangt.
Ganz anders die Lobby: Die hat jedes Hotel, jedes Bürohaus, ja jede Mehrzweckhalle, und rechts hinten geht es zu den Klos. Hier hängen Professionelle herum, und wenn ihr mich fragt: Den Körper kann man waschen?. Und es sich selber oder dem Neffen deines Schwagers zu richten, ist eine Sache. Aber Vitamin B für zahlende Kunden? Ich weiß nicht. Wer antechambriert, verfügt sich in die Räume eines Menschen, von dem er sich Entgegenkommen erhofft. Wer lobbyiert, hat eine Geschäftsidee daraus gemacht, fürs „Aufs-Zimmer-Gehen“ zu geizig zu sein. Früher wurde man in solchen Fällen „Berater“, und Besprechungen fanden prinzipiell beim Kunden oder, noch besser, beim absetzbaren Lunch statt. Heute hält man sich an die Lobby und klaut wahrscheinlich die Erdnüsse von der Bar nebenan. Deshalb: Antichambriert mehr, und macht einen Bogen um die Lobby.

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