Freitag, 24. März 2017

Ephemer

Es gibt, o Häscheninnen, zwei Arten von Leuten (und Häschen). Damit meine ich jetzt nicht die beiden Arten, die man braucht, damit es auch in Zukunft welche gibt. Ich spreche von einer Trennung, die sich (nicht selten, aber auch nicht zwingend, entlang einer Altersgrenze) durch die Gesellschaft zieht. Die einen von euch können anscheinend nicht genug davon bekommen, über die mehr oder weniger alltäglichen Verrichtungen ihrer Freunde und Bekannten informiert zu werden. Die anderen von uns fragen sich, ob endliche Ressourcen optimal eingesetzt sind, wenn sie dazu dienen, dich live daran teilhaben zu lassen, dass dein Haberer oder deine Haberine auf dem Jauerling einen Spritzwein trinkt / in Dubai Schaufenster jenseits der jeweiligen Einkommensklasse besichtigt / einem Künstler zujubelt / mit anderen Haberern oder Haberinen gerade eine Skiabfahrt genießt, aber eben doch nicht, denn es musste ja noch Zeit für das Foto oder den Film sein.
Ich sage nicht, zu welcher Kategorie ich mich zähle, aber ihr dürft gern raten. Kürzlich wurde ich nämlich von einem netten Kollegen darüber informiert, was ein Hauptvorteil der „Instagram Stories“ ist: Sie müssen nicht schön oder geschliffen sein, denn sie verschwinden von selbst wieder.
Auf die Gefahr hin, jetzt kulturpessimistisch und altersbitter zu klingen: Wie weit haben wir es gebracht, wenn die Attraktion einer neuen Technik darin besteht, dass sie deine kreativen Erzeugnisse ungefragt entsorgt?
Antwort: Genau so weit, wie es nötig war, um uns (und unseren Nachwuchs) vor jenen kreativen Erzeugnissen zu schützen, die in dem Moment eine gute Idee zu sein schienen. Wenn du dich dann allerdings irgendwo bewirbst, ist es Glückssache, ob das Chefhäschen beim Vorstellungsgespräch es lustig findet, dass es beim ersten Googlen ein Foto von dir gefunden hat, wie du mit andern Häschen Sachen machst, die du heute eher nicht mehr ins Internet stellen würdest. Dank Snapchat oder Instagram Stories wird dieses Problem vielleicht ein bisschen weniger virulent. Nicht jeder Blödsinn, den du mit 15 gemacht hast, kriecht wieder aus seinem Loch und beißt dich in den Hintern, wenn du mit 25 was zu Beißen brauchst.  Denn leider! leben wir mit einer Technologie, deren Gedächtniskraft wir nicht gewachsen sind. Dieses Problem ist, allem Kulturpessimismus zum Trotz, so alt wie die Kultur selbst. Als die Steinzeitmenschen Mammuts in Höhlenwände ritzten, haben sie auch nicht damit gerechnet, dass sich die Forschung 40.000 Jahre später damit befassen würde. Ebensowenig macht sich dein depperter Bua Gedanken darüber, ob ihm irgendwann Schwierigkeiten daraus erwachsen könnten, dass er schnarchend mit einem Eddingpimmel im Gesicht gefilmt worden ist. Dies, Herrschaften, ist die wahre Gnade der späten Geburt. Ein 1992 geborener Digitalgreis (kenntat mei Bua sei’!) fand sein Gesicht inklusive Eddingpimmel nach überstandem Vollrausch auf MySpace, später Facebook, embarrassingnightclubphotos.com und so weiter. Und weil es nicht gelöscht worden ist, findet man es wahrscheinlich heute noch.
Die Jungspunde hingegen, die den Substanzmissbrauch erst ab 2011 entdeckt haben, weil sie vorher noch zu klein waren, die (jetzt alle im Chor) WISSEN JA GAR NICHT, WIE GUT SIE ES HABEN. Ihre peinlichen Ausschweifungen machen sich automatisch selbst unschädlich. Was einst bei Mission Impossible dem Schutz von Spezialisten an vorderster Front des Kalten Krieges vor ihren hochgerüsteten Widersachern diente, schützt heute kleine Doofköppe mit postpubertär beeinträchtigtem Risikoeinschätzungsvermögen vor sich selbst. Hurra!

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