Mitunter,
o teure und überaus ansehnliche Lesehäschen aller Geschmacksrichtungen, findet
die Sprache gar wunderbarlich (doch,
dieses Wort gibt es, aber ihr müsst schon im DWB nachschlagen und nicht im
Wald-und-Wiesen-Duden) zu sich selbst. Nicht umsonst sind Texte, wie das Wort
schon verrät, etwas Gewobenes, mithin textil. Sie haben denn auch mit Textilien
gemein, dass das Interessanteste nicht immer der Text ist, sondern die Löcher
darin, die Leerstellen, das Ungesagte. Wer daran zweifelt, dem sei ein Blick in
den Wahlkampf empfohlen. (Wobei der große Kostümbildner William Theiss der
Ansicht war, ein Kleidungsstück werde nicht dadurch interessant, dass es
Darunterliegendes enthülle. Vielmehr sei es umso spannender, je eher es den
Eindruck zu erwecken vermöge, dass es gleich auf interessante Weise verrutschen
könnte. Wer einige seiner Alien-Kostüme aus der ersten Star-Trek-Serie vor Augen hat, der weiß, dass er sich daran
gehalten und also mit Recht die Theiss
Titillation Theory formuliert hat.)
Wo
war ich? Genau: Nicht nur Texte können Löcher
haben, auch die Sprache selbst.
Wer
eine kleine Weile sucht (der nachhaltig orientierte Millennial verwendet dafür natürlich nicht Google, das einst gut
war, sondern Ecosia, was noch besser
ist), findet allerlei Seiten mit Listen von Wörtern, die uns angeblich abgehen.
Doch nicht alles vermissen wir gleich schmerzlich: Auch wenn die Welt anderer Ansicht ist, glaube ich
nicht, dass wir 2060 wirklich ein Wort für die unansehnlich herunterhängenden
Ohrläppchen jener brauchen werden, die dieselben heute durchtunnelt tragen,
noch eines für den schiefen Hals von exzessiven Smartphone-Usern.
Hingegen
gibt es anderes (oder vielmehr: gibt es eben nicht), das wir wirklich brauchen
könnten. Womit wir wieder bei den Textilien wären. Denn jeder weiß, was Samt und Seide sind. Und jede weiß
auch, wie sie sich anfühlen: nach mehr. Damit wir die Freude am
Samt-und-Seide-Begrabbeln besser teilen können, gibt es die Adjektive samtig und seidig. Aber wie heißen die entsprechenden Substantive? Kürzlich
kam mir in einem Text das Wort Samtheit
unter, und hach!, dachte sich euer unbescheidener Kolumnator, das muss doch Samtigkeit
heißen. Denkste.
Denn
Samtigkeit kennt der Duden
ebensowenig wie Samtheit, und im DWB
wirst du ebenfalls vergeblich suchen, das sag ich dir lieber gleich. In
ersterem gibt es immerhin samtig
ebenso wie seidig, während die Grimms
– und hier kommen wir jetzt in den Fetischbereich, denke ich – nur seidig aufgenommen haben. Samtfans
mussten sich damals noch mit sammetartig behelfen,
was natürlich ungeil ist und in puncto Textilvorliebe der Märchensammler tief
blicken lässt. Wem aber der Sinn nach Seidig-
oder Samtigkeit steht, der muss sich
anders behelfen, und eventuell ist es kein Wunder, wenn man in dieser Lage zur
Flasche greift: ein Kerl wie Samt und
Seide, nur schade, dass er suff. Es gibt einfach keine Substantive zu seidig und samtig (außer Samt und Seide natürlich). Was ein richtiges Lesehäschen
ist, das lässt sich aber ohnehin die eigene Flauschigkeit genügen. Die kennt der Duden übrigens auch nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen