O Häschen, unser mittlerweile
unsichtbarer Hase Harvey hat uns da ein paar ordentliche Eier gelegt. Vor einem
Weilchen war hieramts die Rede von der Logik der Verhüllung, die in manchen
muslimischen Kreisen Frauen auferlegt wird. Leider ist die aufgelegte
Begründung, dass obgedachte Verhüllung dem Schutz der Frauen vor dem
unkontrollierbaren Triebtier Mann
diene, offensichtlich nicht so schief, wie man gern gedacht hätte.
Dank dem Monsterhasen entsteht
wieder einmal eine heftige Diskussion, und weil wir ja unsere Befindlichkeit
schneller mit der Welt teilen können als über sie nachdenken, fehlt es
beiderseits nicht an Schlaumeiern, die aus der Dumpfheit der jeweils anderen
argumentatives Kapital zu schlagen bereit sind. Frau Proll, dass Sie noch nie
jemand belästigt hat, ist schön für Sie. Möge es sich nie ändern. Ihre Freude
am Flirten beweist aber nichts gegen das Recht anderer Frauen, ebenfalls nicht
belästigt zu werden.
Dass Herr Weinstein ein Ungustl und ein Eierbär ist, dürfte mittlerweile auch den meisten klar sein. Ob
aber die Sache der gern unbelästigt bleibenden Frauen davon profitiert, wenn
jetzt jede zweite Schauspielerin, die einmal mit dem Mann einen Teppich geteilt
hat, mit einem Erlebnis herauszurücken sich bemüßigt fühlt, bei dem
mehrheitlich am Ende eh nichts herausgekommen ist, außer dass sie sich „bedroht“ oder „ungut“ oder weißdergeier gefühlt hat, wage ich zu bezweifeln. Gerade
bei Weinstein beobachten wir ein Phänomen ähnlich jenem in der alten Geschichte
vom jungen Hirten, der immer „der Wolf!“
gerufen hat. Alles, was einmal a) im paarungsfähigen Alter und b) in seiner
Nähe war, schreit jetzt „der Weinstein!“, sodass die Rufe
jener übertönt werden, denen durch ihn tatsächlich Schlimmes widerfahren ist.
Außerdem macht mir an der Sache
Sorgen, dass Unbill auf die sexuelle Sphäre reduziert wird. Jede von uns (ja,
auch euer Kolumnator) ist schon einmal einem Arschloch über den Weg gelaufen, das sich entsprechend verhalten
hat. Wir alle wissen, dass man dann die Wahl hat, sich zu wehren, die
Behandlung zu schlucken oder sich zurückziehen.
Nun scheint aber in Sachen
sexueller Belästigung eine neue Auschwitzregel
zu gelten: Sexuell belästigt zu werden (wir reden hier nicht von
Vergewaltigung, wohlgemerkt), das ist anscheinend etwas unsagbar,
unvergleichlich Schlimmeres als auf irgendeine andere Art von seinem
Nebenmenschen unterbuttert, heruntergemacht oder ausgenutzt zu werden.
Aber warum? Ich bin nicht davon
überzeugt, dass es etwas intrinsisch (wollte ich immer schon mal verwenden!)
anderes ist, sich auf zwischengeschlechtlicher Ebene als Drecksau zu erweisen,
als auf einer anderen, allgemeiner zwischenmenschlichen. Das Gegenüber ist in
jedem Fall in seiner Menschlichkeit
reduziert, und Menschlichkeit ist nicht nur Sexualität. Wenn es heute relevant
ist, ob ich 1998 eine Frau doof angemacht habe (habe ich übrigens nicht, nur so
der Vollständigkeit halber), ist es dann nicht ebenso relevant, ob sich einer
ebenfalls 1998 mir gegenüber als echt blöde
Sau erwiesen hat? Auch ich wurde dadurch heftig belästigt, wenn auch nicht
auf sexueller Ebene. Wir beide wurden 1998 verletzt, wir beide haben nach
Maßgabe der Verhältnisse gelitten, und wir beide sind darüber hinweggekommen.
Fern sei es mir, einer alsbaldigen Verjährung sexueller Verbrechen das Wort zu
reden. Aber wenn ihr mich fragt: Irgendwann sind die meisten Trotteleien, die
sich ein Trottel zuschulden kommen lässt, Schnee von gestern, ob sie mit seinem
Sack zu tun haben oder nicht. Können wir uns darauf konzentrieren, wie wir zu
einem gesunden Verhältnis der Geschlechter kommen, ohne uns anhören zu müssen, wer
zu Zeiten der Regierung Clinton ein Hotelzimmer nicht betreten hat, weil ein „Mogul“ im Bademantel drin war? Das wäre
fein.
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