Häschen,
es ist Zeit, dass wir uns wieder einmal besinnen, weshalb wir überhaupt hier
sind. Genau, da war was mit Bildung! Heute lernen wir deshalb, warum unsere
Gesellschaft den Flugverkehr braucht wie einen Bissen Brot. „Wie bitte?“, „hä?“ und sogar „spinnt er jetzt komplett?“ höre ich es
aus euren schütteren Reihen murmeln. Denn gar manches von euch wollte nur mal
eben per Düsenmaschine nach Barcelona hüpfen und hat stattdessen ungeplant in
Frankfurt übernachtet (Oder, nicht Main).
Doch
mit den Flugreisen ist es wie mit der Schulbildung: Nur dass sie manchmal
mühsam sind, beweist noch nicht, dass nichts Gutes darin stecken kann.
Beziehungsweise ist vielleicht gerade die Mühe das Gute! Es ist nämlich längst
kein Geheimnis mehr, dass sich in Führungsebenen mehr Psychopathinnen und Psychopathen finden als darunter. Nicht, dass
jeder Chef ein Irrer wäre. Aber die Wahrscheinlichkeit ist doch drei- oder
viermal so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Sagt die Wissenschaft.
Schlimm,
aber nicht hoffnungslos. Denn wir (oder unsere geheimen Oberen) haben offenbar
erkannt, dass es einerseits gefährlich wäre, Verrückten zuviel Freiheit zu
lassen, während es andererseits nicht zu verhindern ist, dass sie eher in
Machtpositionen aufrücken als andere.
Deshalb
haben wir den Flugverkehr erfunden. Denn mit steigender Wichtigkeit eines Funktionsträgers
geht verstärkte Reisetätigkeit einher: Je wichtiger einer ist, desto öfter muss
er nach Frankfurt, Des Moines oder Guangzhou, um potenziell katastrophale
Entscheidungen zu treffen.
Das
Gute ist nun, dass Entscheidungsträger gezwungen sind, viel Zeit in Flughäfen
zu verbringen. Und was geschieht dort mit ihnen? Sie warten stundenlang auf
Dinge, die in fünf Minuten eintreten sollen (aber jetzt wirklich!), sie
entledigen sich auf Kommando Teilen ihrer Kleidung und ziehen sie ordentlich
wieder an. Sie hetzen, nach stundenlangem Warten, plötzlich und auf Weisung
eines Uniformträgers irgendwohin, um dort wieder zu warten. Sie essen hastig
irgendwas. Sie kommen doch nicht dorthin, wohin sie ursprünglich kommen
sollten, und schlafen an Orten, die sie sich nicht ausgesucht haben. Sie warten
erneut lange, bis plötzlich ganz kurz Stress aufkommt.
Damit
sind wir bei dem, was Historiker Fundamental-
oder auch Sozialdisziplinierung nennen: Die Staaten der frühen Neuzeit
trachteten sich ihrer Untertanen in einem Ausmaß zu bemächtigen, das bis dahin
nicht vorstellbar war (und heute banal scheint). Zu diesem Zweck mussten die
Betroffenen erst gefügig gemacht werden, unter anderem im Rahmen einer
militärischen Ausbildung: Adlige Offiziere ordneten ihre Körper den Regeln des
Reitens, Fechtens und Tanzens unter. Die Gemeinen mussten exerzieren, und zwar
länger, als angenehm ist. Dieses Prinzip gilt auch in heutigen Armeen. Der
frisch rekrutierte Soldat wird einer sogenannten Grundausbildung unterwunden,
deren Hauptzweck darin besteht, ihn einerseits ständig unter Stress zu setzen
und ihm andererseits jede Entscheidung abzunehmen, denn fürs Befehleerteilen
sind die andern zuständig. Nach einigen Wochen oder Monaten erhält man
brauchbares Material, aus dem sich ein kampffähiges Subjekt formen lässt, das
im Gefecht nicht auf eigene Faust irgendetwas anstellt.
Was
dem Rekruten das boot camp, ist dem
Manager der Flughafen. Hier lernt er, dass er in Wahrheit nichts zu reden hat
und dass Warten gescheiter ist. Er trifft deshalb am besten erst einmal gar
keine Entscheidung, was immer noch besser ist als eine katastrophale.
Gefährlich wird es erst, wenn ein Dummbär Zugang zum Firmenjet bekommt. Er
steigt ausgeruht und voller Tatendurst in Astana aus dem Flieger, und dann
gnade uns Gott. Schönes Wochenende!
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