Freitag, 6. Juli 2018

Betroffenheit


Jede Nacht, das wissen wir von Stermann und Grissemann, ist Busennacht. Gottseidank, darf man hinzufügen! Manche Tage hingegen sind Feedbacktage, und das kann so oder so ausfallen. Auch ein Feedback, so pflegt eine mir mittelbar bekannte Führungskraft besonders Unerfreuliches zu kommentieren.
Ein interessantes Feedback hat auch euer Zweckdichter wieder erhalten, des Inhalts, es sei für Menschen, die eine bestimmte Krankheit ihr eigen nennen (sagen wir Grippe, tatsächlich war es etwas deutlich Unangenehmeres und vor allem Unheilbares), fürder nicht mehr das Wort Betroffene statthaft. Vielmehr handle es sich stets und ausschließlich um Menschen mit Grippe.
Es sei, wie es sei. Wenn jemand mit so etwas leben muss, will ich ihr sicher nicht vorschreiben, ob sie davon betroffen ist oder ob sie nur jemand mit Grippe ist.
Dachte ich zunächst. Denn mir schien interessant, ob es nachvollziehbare Kriterien dafür gibt, ob man mit einer Krankheit durchs Leben geht, ob man an etwas erkrankt ist oder ob man davon betroffen ist. Bei trivialen Wehwehchen ist anscheinend nichts davon der Fall: Von Schnupfen zum Beispiel ist man weder betroffen noch ist man ein Mensch mit Schnupfen. Man hat ihn einfach. Genauso wie Halsweh, Kopfweh, Durchfall oder sonstige Unpässlichkeiten aus der Ich-schreib-mir-meine-Entschuldigungen-selber-Liga. Weil Schnupfen halt nichts ist, weshalb man sein Leben umkrempelt.
So weit, so daneben. Denn sie hat nicht nur Schnupfen, er hat auch Männergrippe. Die ja gleich nach Ebola kommt. Die Sache mit „trivial, also nicht betroffen oder besser: betreffend“ funktioniert also nicht. Kein Mensch würde über „von Männergrippe Betroffene“ reden. Klingt ja total komisch!
Richtig. Weil kein Mensch das Wort „Betroffene“ so verwendet. Betroffen ist schließlich ein Wort mit Verweischarakter. Es fasst zusammen, was vorher gesagt wurde, eben damit man das Vorige nicht noch einmal sagen muss. Erst berichten wir, dass ein Autohersteller in der Lüftung Bauteile verwendet hat, die auf Spinnenkolonien einladend wirken. Dann erklären wir, dass die Betroffenen am besten in die Werkstätte fahren sollen (falls sie ihr Auto noch nicht mit dem Flammenwerfer behandelt haben).
Erst erzählen wir von festen Regengüssen in Neunkirchen und den überfluteten Kellern, dann davon, dass bei den Betroffenen die Feuerwehr angerückt ist, allerdings nicht sofort, weil es noch andere Betroffene gab, und dort musste die Feuerwehr erst einmal fertigwerden.
Ich habe ja eine Vermutung, warum im obgedachten Feedback das Wort Betroffene so schlecht wegkommt: Weil die Feedbacker den Eindruck haben, die einschlägig Erkrankten würden dadurch auf ihre Krankheit reduziert. Das ist aber, wenn ihr mich fragt, zu weit gedacht. Im Falle der feuchten Neunkirchner behauptet ja auch niemand, dass sie nur noch heulend und zähneknirschend in der Pfütze liegen, weil das Schizeug zu schwimmen begonnen hat. Man kann auch mit einem nassen Keller noch ein erfülltes Leben führen!
Genauso ist es mit der fraglichen Krankheit. Betroffene sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass sie die Krankheit haben. Und es ist allemal besser als Menschen mit … Wenn sich einer gehalten fühlt, hervorzuheben, dass die, von denen er spricht, eh auch Menschen sind, ist er wahrscheinlich nicht so liberal, wie er sich morgens beim Zähneputzen gerne einredet.

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