Es naht nicht nur die stillste
Zeit im Jahr, o teure Häschen, sondern auch die dunkelste, insofern der
Sonnentag dieser Tage sehr kurz ist. Umso länger ist es stockdunkel oder stockfinster.
Doch warum? Es leuchtet ja ein, dass etwas himmelblau, rabenschwarz, taghell
oder sogar kuhdunkel ist, wie man im
Bregenzerwald sagt, weil man nämlich im Innern einer Kuh die Hand nicht vor
Augen sieht, was jeder bestätigen kann, der schon einmal einen ländlichen Tierarzt bei der Arbeit zu beobachten
Gelegenheit hatte.
Die Logik von „stockdunkel“
hingegen erschließt sich weder auf den ersten noch auf den dritten Blick. Wenn
ein Stock schon eine Farbe hat, dann allenfalls weiß. Und dass es „stockdunkel“ heißen sollte, weil Blinde
sich mit einem Stock durchs Dunkel tasten, ist schon deshalb Blödsinn, weil
stark Sehbehinderte (nach Auskunft jener, die ich kenne) oft nicht im Dunkeln
tappen, sondern in einer diffusen Helle.
In einem solchen Fall akuter Wissbegier könnte man natürlich
in die nächstgelegene gutsortierte Bibliothek gehen und sich dort im Regal mit
den etymologischen Wörterbüchern Rats erholen. Oder man bleibt einfach sitzen
(ist schon stockdunkel draußen!) und googlet. Das Internet, so erfährt man
alsbald, liefert zwei Deutungsmöglichkeiten. Nämlich könnte „stockdunkel“ daher kommen, dass finstere Gesellen, wenn man ihrer denn
habhaft wurde, eingekerkerter zu werden pflegten. In früheren Zeiten wurden sie
nicht nur in eine Zelle gesperrt, sondern – sicher ist sicher, hoffentlich
liest Herr Kickl nicht mit – in den sogenannten Stock geschlossen, eine Holzfessel, die ein Entrinnen unmöglich machte.
Und weil kein Wächter Zeit oder Lust hatte, dem Gefangenen die Zeitung
umzublättern, ließ man ihn aus Sparsamkeitsgründen ohne Licht schmachten. Um
ihn war es dunkel. Wie dunkel? Stockdunkel.
Die andere Erklärung lautet, dass vor stockdunkel Wörter wie stocksteif
oder stockdumm kamen: Der so
Bezeichnete galt als so unbeweglich oder intelligent wie ein Stück Holz. Mit
der Zeit, so diese Theorie, verselbständigte sich die Vorsilbe stock- und wurde zu einem Ausdruck
maximaler Verstärkung, sodass man nun auch stockdunkel
oder stocknüchtern sagen konnte,
ohne dass die andern stockverblüfft dreinschauten.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, meine Lieben, aber ich
finde die zweite Version entschieden charmanter.
Was meint das Deutsche Wörterbuch dazu? Es schlägt sich ganz
klar auf die andere Seite, stockdunkel,
davon sind die Grimms überzeugt, kommt vom Stock, in dem der Gefangene
festgeschlossen liegt. Merkwürdig ist aber, dass das DWB eine lange Latte von
Wörtern kennt, die sich mit stock- verstärken
lassen, und da sind nicht nur solche wie lahm,
krank oder stumm dabei, die sich
mit der Fesselerklärung noch fassen ließen, sondern auch närrisch, heidnisch, gläubig (entweder – oder, möchte man meinen!),
reich und sogar gescheit. Bei all diesen Wörtern bekommen wir keine Etymologie
mitgeliefert. Es scheint also, als seien beide Etymologien fast richtig: Zuerst
kam, wenn man dem DWB glauben darf, stockdunkel,
und dann wurde stock- zum
selbstständigen Verstärker. Man kann ihn verwenden, muss aber nicht. Wenn wir
zum Beispiel lesen, dass viele Pflichtschullehrer in Wien studiert und eine
Weile auch gearbeitet haben, später aber doch wieder wegziehen, und dass ein
wichtiger Personalvertreter vorschlägt, den Wiener Pflichtschullehrern das Parkpickerl zu schenken, damit sie
lieber dableiben, dann kann man auch einfach finden, dass es hier zappenduster ist. Was eine Zappe ist, können wir ja ein andermal
nachschauen. Schönes Wochenende!