Die Sache mit der Subjektsgleichheit ist, o flauschige
Lesehäschen, so eine. Nämlich so eine Sache, wie nicht nur jene Subjekte
bestätigen werden, die des soundsovielten Buwog-Verhandlungstags harren, auf
dass festgestellt werde, ob sie identisch sind mit Subjekten, die sich als
Amtsträger bereichert haben, damit zumindest für sie persönlich etwas mehr
herausschaue als ein Nulldefizit. Erinnert sich noch jemand an den Defizitticker
auf der Kärntnerstraße? Heißa, was erhob sich da für ein Jubel, als jener (freilich
infolge von Einmaleffekten und nur ganz kurz) auf Null sprang! Oder täuscht
euren Ergebenen da die Erinnerung?
Wie auch immer: Grammatisch ist das mit der
Subjektsgleichheit ebenfalls so eine Sache, wie der aufmerksamen Standard-Leserin nicht entgangen ist,
und zwar angesichts dieses Satzes:
Sie werfen Shincheonji
vor, bewusst getäuscht worden zu sein.
Auf den ersten Blick geschieht hier nichts Besonderes: Zwei
Frauen sind einer Sekte aufgesessen und finden das schlimm. Die zwei Frauen
sind nämlich die fraglichen sie, die
etwas vorwerfen. Adressat des Vorwurfs ist die südkoreanische Sekte
Shincheonji, die durch fleißige Anbetung des Coronavirus den Weltuntergang
herbeiführen will, aber nur für die andern. Ist aber gut möglich, dass ich da
etwas falsch verstanden habe.
Trotzdem schaut man zweimal hin: Wer ist hier getäuscht worden?
Im Satz geschieht etwas Alltägliches, das grammatisch
trotzdem ganz schön komplex ist. Es hat nämlich das Deutsche von Haus aus nur
einen Infintiv, a.ka. Nennform, nämlich, um im Beispiel zu bleiben, täuschen. Mit dem Infinitiv lassen sich Infinitivgruppen
bilden, etwa so: Er liebt es, die
Beratung mit Ideen zu verwöhnen. Nun
kann es sein, dass man in einer Infinitivgruppe ausdrücken will, dass jemandem
etwas widerfährt. Das geht, obgleich das Deutsche (anders als etwa Latein)
keinen passiven Infinitiv als Wortform kennt. Man kann ihn aber behelfsweise
erzeugen, so wie man einem wackelnden Tisch einen Bierdeckel unterschiebt, in
diesem Fall das Hilfsverb werden: Die
Beratung schätzt es nicht, am Schmäh gehalten
zu werden. Hier verhält sich gehalten
zu werden wie ein passiver Infinitiv. Noch mehr: Das Ganze funktioniert auch
in der Vergangenheit, und damit sind wir bei der Sekte, die Leute bewusst
getäuscht haben soll: getäuscht worden zu
sein entspricht einem passiven Infinitiv Perfekt (der aktive wäre getäuscht zu haben).
Und hurra!, nun wissen wir endlich, ob der Satz korrekt ist:
Im Deutschen gilt nämlich die nützliche Regel, dass Infinitivgruppen dasselbe
Subjekt haben wie der Hauptsatz, von dem sie abhängen. Da die Frauen einerseits
vorwerfen, andererseits getäuscht wurden, haben beide Satzteile dasselbe
Subjekt. Die Unsicherheit rührt daher, dass der geübte Leser nach „vorwerfen“
eine Handlung erwartet – nämlich das Verwerfliche, was man dem anderen
vorwirft. Hier aber ist es ein Erleiden, das den Frauen widerfahren ist. Der Gedanke
ist gegen den Strich gebürstet, aber grammatisch korrekt ausgedrückt.
Fast korrekt ist das Feedback
der Woche. In dem Satz Wir legen 30 %
mehr Eier zuvor, so stellte man kundenseitig mit Recht fest, fehlte etwas.
Allerdings nicht ganz soviel, wie dann nachgeliefert wurde: Wir legen 30 % mehr Eier als wie zuvor.
Schönes Wochenende!
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