Freitag, 26. Juni 2020

Dunkle Zeiten

O Lesehäschen, es blüht euch eine düstere Kolumne. Darf man das noch sagen, ohne sich des gedankenlosen Alltagsrassismus schuldig zu machen? Eventuell ja. Darf man auch sagen, dass eine dunkle Kolumne dräut? Ui, schon schwieriger! Wie steht es damit, dass euer Ergebener für den Fortgang der heutige BamF schwarz sieht? Vergiss es. Rassistensau ich, nie wieder lesen, Rauswurf aus dem Internet, und womit? Mit Recht.
Wir leben nämlich in – schwierigen Zeiten? Keineswegs. Schwierig ist total 2010. Heute ist etwas, das mehr Aufwand erfordert, als man gerne treibt oder sogar zu treiben imstande ist, nämlich niemals schwierig. Es ist höchstens herausfordernd, damit es keine Schwierigkeiten gibt, sondern nur Herausforderungen, denen man sich in gesundem Sportsgeist stellt, um sie zu meistern. Nichts ist mühsam, beschwerlich, kompliziert oder irgendetwas in der Art, sondern immer nur herausfordernd. Wunderbar!
Herausfordernd ist es eben auch, keine Rassistensau zu sein. Denn es genügt nicht mehr, alle Menschen gleichberechtigt zu sehen und es für verwerflich zu halten, wenn zum Beispiel Polizisten bevorzugt – ja wen quälen? Menschen of colour ist glaubich der zulässige Terminus du jour, und wer eine Begriffsgeschichte von Neger, Schwarz, Farbig, Mohr usw. schreiben will, braucht mehr Platz als eine läppische Freitagskolumne.
Wer heute kein Rassist sein will, der darf sich auch nicht damit bescheiden, auf die Begriffe Master und Slave für entsprechend konfigurierte Speichermedien zu verzichten. Nein, die IT-Branche hüpft es gerade vor, es gilt jegliche Verknüpfung des Wortes schwarz mit negativ besetzten Themen zu umgehen. Deshalb steht die blacklist ab sofort derselben, und wir müssen uns jetzt überlegen, wie wir das angehen. Dabei meiden wir jeglichen Gedanken daran, dass vielleicht vor zigtausend Jahren die Urmenschen unbestimmter Hautfarbe es am Feuer lauschiger fanden als im Dunkeln, wo die Höhlenbären mit den Krallen knackten und ob das etwas damit zu tun haben könnte, was schwarz unter anderem an Assoziationen weckt. Wir müssen uns, jawohl, carte blanche fürs Nachdenken über das Dunkel bewahren, damit Schwarz endlich ein eindeutig besetztes Wort wird, wahrscheinlich das erste, seit es Sprache gibt, und bevor jetzt blöde Bemerkungen kommen: In den 1990ern war Schönheit in gewissen Teeniekreisen ein ebenso gängiges wie griffiges Schimpfwort, dessen Ziel man nicht sein wollte.
Wir haben genug zu tun. Denn Schwarzgeld und Schwarzgebrannter mögen durchaus erfreulich sein, aber was ist mit Schwarzfahren, Schwarzsehen, Schwarzmalerei, Schwarzhandel und Schwarzarbeit? Vielleicht gelingt es uns, all das zufriedenstellend, wenn auch weniger bildhaft zu umschreiben. Es besteht die Welt aber nicht nur aus Sprache. Was machen wir künftig, wenn wir einen Verlust zu beklagen haben und dieser Klage bekleidungsmäßig Ausdruck verleihen wollen? Es wird nicht angehen, Schwarz zu tragen und damit die Farbe in einen negativen Zusammenhang zu stellen. Wer an einer Demonstration teilnimmt, deren Anlass die schändliche Tötung eines Menschen dunkler Hautfarbe durch Beamte ist, wird ohne Schwarzkunst kein angemessenes Outfit finden. Düster, aber wahr.
Trotzdem schönes Wochenende!

Freitag, 19. Juni 2020

Nichts zu lachen

Dass die Krise eine Chance ist oder gewesen ist, wissen wir mittlerweile alle, und sei es nur die Chance, zu erkennen, worauf man alles verzichten kann, wenn die Mittel dafür fehlen. Für uns, o teure Lesehäschen, ist sie jedenfalls die Chance, wieder einmal etwas dazuzulernen beziehungsweise, was noch wesentlich angenehmer ist, bestätigt zu bekommen, was man eh schon gewusst hat. Etwa, dass es sehr schwierig ist, etwas richtig Lustiges auf die Beine zu stellen. Das merkt man spätestens dann, wenn man – ja Krise! – dem Fernsehprogramm eine Chance gibt. Betroffen denkt euer Kolumnator noch heute an Toni Erdmann, den gefeierten deutschen Schenkelklopfer des Jahres 2016, der seinen komischen Mehrwert daraus gewinnt, dass die Hauptfigur trotz äußerer Erfolge ihren Beruf bestenfalls als sinnlos, die Beziehung zum eigenen Vater als gescheitert erlebt. Hihi!
Von weniger tiefer Trauer, vielmehr Wald-und-Wiesen-Dummheit ist durchdrungen, was unsere Lieblingszeitung als „eine der besten Komödien von Judd Apatow“ angepriesen hat, nämlich Immer Ärger mit 40, im wohl ebenso verzichtbaren Original This Is 40. Dieser filmgewordene Partykracher bezieht seine Komik daraus, dass die Hauptfigur lauter Blödsinn macht. Nun sind leider die Zeiten vorbei, in denen etwa Stan Laurel als Stan Laurel mit einem ebenfalls von Stan Laurel gespielten Matador verwechselt wurde, wobei Stan Laurel-Laurel natürlich viel Unfug trieb, woraus Situationskomik entstehen durfte. In „einer der besten Komödien von Judd Apatow“ soll zum Beispiel Komik werden, weil ein 40-jähriger Mann die Gründung eines Musiklabels für den Königsweg zur finanziellen Sanierung hält. Und auch, weil eine Teenietochter, die keine erkennbare Beziehung zu ihren Eltern unterhält, sondern stattdessen am Smartphone klebt, zu besagten Eltern, wenn diese besagtes Kleben thematisieren, ganz viel fuck sagt. Jau, da nimmt die Humorpolonaise so richtig Fahrt auf.
Dabei hat Judd Apatow ja Filme auf dem Gewissen, bei denen einem durchaus der eine oder andere Schmunzler auskommen kann. Das ideale Publikum von This Is 40 scheint mir aber aus Leuten zu bestehen, die erstens selber nicht 40, zweitens aber doof genug sind, zu glauben, das dargestellte Verhalten sei typisch für so ungefähr 40-Jährige, sodass sie aus dem vermeintlichen Unterschied zwischen sich selbst und den Menschen auf der Leinwand Unterhaltungswert zu ziehen vermögen.
„Und was ist mit dem Bildungsauftrag?“, meckert es von den billigen Plätzen. Bittesehr: In den USA haben nicht nur Kommunen eigene Polizeibehörden (wie zum Beispiel das aus Funk und Fernsehen bekannte L.A.P.D.), sondern auch andere Einrichtungen, wie zum Beispiel der Schulbezirk Los Angeles. Aufgabe des Los Angeles School Police Department ist es nach eigenem Bekunden, „Schüler, Lehrer, Verwaltung und sonstige Angestellte dabei zu unterstützen, ein sicheres und ruhiges Umfeld zu schaffen, in dem der Bildungsprozess stattfinden kann“. Dazu gibt es natürlich verschiedene Wege.
Außerdem gibt es in den USA ganz unabhängig vom L.A.S.P.D. ein Programm, dasPolizeibehörden kostenlos mit militärischer Ausrüstung versorgt, die sie sonst aus Steuergeldern beschaffen müssten, oder so. Auch die Schulpolizei nimmt an diesem Programm teil. Man darf daher an ruhigen Sommernachmittagen seine Tagträume der Frage widmen, wie die Schulpolizei Sturmgewehre oder auch ein minensicheres Panzerfahrzeug nutzt, um das erwähnte ruhige Bildungsumfeld zu schaffen. Nur mit der Frage, was Granatwerfer in diesem Zusammenhang nützen könnten, war man überfordert und gab sie deshalb zurück. Bildungsauftrag erfüllt, schönes Wochenende!

Freitag, 12. Juni 2020

Killergrille

Wer mehr zuhause ist, o mittlerweile schon leicht fadisierte, aber deshalb um nichts weniger sympathische Lesehäschen, der sucht sich halt seine Zeitvertreibe. Wenn man das Bücherregal erst einmal geordnet hat (Benchmark: Alles steht, nichts liegt), was macht man dann?
Hier scheidet sich die Spreu vom Weizen, beziehungsweise die unterhaltungsorientierte Grille von der vorausschauenden Ameise: Die Ameise weiß, dass man in naher Zukunft die Wohnung wieder mit gesteigerter Regelmäßigkeit verlassen und sich dann umso mehr freuen wird, wenn man ins Hübsche heimkehrt. Deshalb räumt die Ameise nicht nur das Bücherregal auf. Sie ordnet auch den Kleiderschrank neu, baut die Einlegebretter um, malt die Küche aus, schleift sogar Türen ab und verspachtelt sie. (Alle, die sich jetzt gerade Ameisen vorstellen, die im Ameisenbau Türen streichen, dürfen sich ein alkoholhaltiges Getränk nach Wahl gönnen.)
Alles, damit sie sich am Anblick des Erneuerten ergötzen kann, wenn sie von der Nahrungssuche zurück in den Ameisenhaufen kommt.
Die Grille hingegen haut sich aufs Sofa, um gewaltverherrlichende Videospiele zu spielen. Denn wie die Tochter eines ZEIT-Redakteurs dem erstaunten Vater mitteilte: „Es ist entspannend, ein paar Monster wegzublasen.“ Das kann euer Kolumnator nur unterschreiben und outet sich damit als Angehöriger der Grillenfraktion. So weit, so wundervoll. Schwierigkeiten sind aber nicht ausgeschlossen, weil Spielkonsolen ja an den Fernseher angeschlossen werden, der heutzutage zwar nur in Ausnahmefällen zur Wiedergabe des ausgestrahlten Programms, jedoch umsomehr zum Streaming benötigt wird. Außerdem steht der Fernseher ja gern bourgeois im Wohnzimmer herum, also in Sichtweite leicht zu beeinflussender Minderjähriger, so im Haushalt vorhanden. Wo also der Lust am Metzeln frönen? Wohl dem, der in solcher Lage erstens einen verständnisvollen Partner und zweitens ein Gästezimmer hat. Gäste kommen in Coronazeiten ohnehin keine, Fernseher gibt es auf Willhaben reichlich, und schon wird es aus dem Gästezimmer ein Ballerstübchen. Heißa!
Aber nicht so schnell, meine gewaltbereiten Shooterhäschen. Auch der noch so verständnisvolle Partner kann sich nämlich, wenn es an den Bezug obgedachten Ballerstübchens geht, ganz schnell als Grille entpuppen, wobei wir jetzt einmal außen vor lassen, dass Grillen anders als Bienen, Käfer oder Schmetterlinge, hingegen genauso wie Heuschrecken, Wanzen oder Schaben keine vollständige Verwandlung durchmachen, weshalb sie weder verpuppen noch entpuppen können, Bildungsauftrag für heute erfüllt – als Grille also, mit dieser Konsequenz: Du hast am Ort künftiger Hekatomben einen Fernseher von Willhaben, eine Spielkonsole samt zugehörigem Kleinkram, eine Kommode zum Draufstellen – was fehlt noch, bevor das Hauen und Stechen angeht? Was, bitteschön?
Antwort: die Auswahl der passenden Vorhänge. Denn auch wo moralisch fragwürdige Unterhaltung hoffentlich bald an der Tagesordnung ist, kann man sich nicht einfach drüber hinwegschwindeln, ob die Fischchen auf dem Vorhangstoff zum Gästesofabezug passen. Deshalb: Erst Vorhanghäkchen vom unpassenden Vorhang runterfrickeln. Dann Vorhanghäkchen an passenden Vorhang dranfrickeln. Und erst danach losmetzeln.
So läuft das, wenn Ameisen und Grillen ein Leben teilen. Schönes Wochenende!



Freitag, 5. Juni 2020

Lieber arm und gesund

Interessanter als die Dinge, die es gibt, meine lieben Lesehäschen, sind ja bisweilen die, die es nicht gibt. Zumindest noch nicht. Deshalb ist der berühmte Hello-Kitty-Vibrator, den es seit Langem gibt, zwar nett. Aber viel cooler wären eine Versace-Zahnspange, ein Boss-Beatmungsberät oder was Schickes, damit auch beim Blutdruckmessen für Herrn Strache alles gucci läuft. Gerade mal Brillen gibt es von Luxusmarken, aber sonst ist im Gesundheitsbereich für Leute, die sich auch mal was gönnen können, total Ebbe. Warum eigentlich?
Denn wir haben ja alle unseren Donald Duck gelesen und glaubten daher zu wissen, was man als Milliardär so treibt: Geldspeicher putzen, jeden Morgen ein erfrischendes Bad in den Talerchen, dazwischen im Entenhausener Milliardärsklub abhängen – das hält frisch und kregel bis ins hohe Alter! (Wer das Wort „kregel“ nicht kennt, hat zu wenig Wilhelm Busch gelesen und erfährt hiermit: Es heißt so viel als munter oder lebensfrisch).
Ja, so haben wir uns das vorgestellt. Die Wahrheit ist, wie so oft, ernüchternd. Milliardär sein ist nämlich das, was früher die Gicht war: eine Krankheit der Reichen. Milliardäre erfahren täglich aufs Neue, dass die besten Dinge im Leben wohl gratis sind, aber deshalb leider auch kein Preiszetterl haben, sodass man sie nicht kaufen kann. Dazu gehört, herrje, die Gesundheit. Nun ist es zwar schwierig, belastbare Daten über die Verfassung von Milliardären zu beschaffen, schon allein deshalb, weil es nicht so viele von ihnen gibt. Aber was wir von ihnen wissen, lässt für uns arme Schlucker Schlimmes vermuten. Erst kürzlich wurde ein Sample über den Gesundheitszustand der Creme unserer wirtschaftlichen Leistungsträger gezogen, indem nämlich Johann Graf, Heidi Horten und Gaston Glock vor den sogenannten Ibizaausschuss geladen wurden. Und was geschah? Keiner der drei war einer Befragung gewachsen. Alle ließen sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen. Meine Fresse! Dabei ging es ja nicht um eine hochnotpeinliche Befragung, die mit dem Vorzeigen der Instrumente anhebt und, wenn es schlecht läuft, mit haltlosem Wimmern endet sowie mit dem Eingeständnis, dass man Jimmy Hoffa im Garten verbuddelt hat. Vielmehr hätten sie nur ein paar Fragen beantworten sollen, und das sogar im Sitzen, wenn sie höflich darum gebeten hätten.
Aber nein, das ging nicht. Es wäre ihnen echt zuviel gewesen, sorry, mir geht’s gerade nicht gut, Leute, vielleicht ein andermal.
Man kann nun einwerfen, dass Herr Milliardär Glock 90 ist, Frau Milliardärin Horten 79 und Herr Milliardär Graf 73. Man darf darauf aber auch erwidern, dass der Vater eures Kolumnators 77 ist und auf seinem Rennrad regelmäßig eine durchaus nennenswerte Anzahl von Höhenmetern besiegt. Und der ist Kassenpatient, im Gegensatz, das unterstelle ich jetzt einfach, zu Frau Horten und Herrn Graf.
Tja, der Milliardär hat’s schwer. Während der dahergelaufene Gehaltsempfänger bei Fieber schon mal ein Neocitran einwirft und den Arbeitstag halt durchdruckt (danke an alle, die das nicht tun), sind die armen Reichen (sorry, musste sein) durch die Bank dermaßen bedient, dass selbst die besten Ärzte Österreichs (die ihnen zweifellos gerne zur Hand gehen) sie nicht für ein kleines Frage-Antwort-Spiel fitspritzen konnten. Dabei gelten in Untersuchungsausschüssen nicht einmal Dopingregeln, oder?
Angesichts dieser grassierenden Bresthaftigkeit unter den Besserbetuchten ist es mir völlig unverständlich, dass die großen Labels dieses Feld nicht beackern. Wer sich zum Beispiel in Willi Bogner gehüllt am Arlberg den Haxen bricht, sollte doch die Möglichkeit haben, die Fraktur in einem schönen Gips von Dior zu kurieren. Und wenn es Prada-Brillen für Schasaugerte gibt, dann bittesehr auch einen Hermès-Rollator, damit sich der früh gealterte Milliardär zum Untersuchungsausschuss schleppen kann. In diesem Sinne: Schönes Wochenende!