Freitag, 18. Dezember 2020

Angst vor Fliegen

 

Mein lieben Lesehäschen, der Teufel liegt im Detail. Das gilt besonders dann, wenn man (jaja, Pandemie!) nichts besseres zu tun hat, als sich mit der korrekten Aussaat von Beistrichen (für die nördlichen Häschen: Kommata) zu befassen. Der Beistrich ist ja der Fliegenschiss unter den Satzzeichen, woher der bekannte satanische Ehrentitel Herr der Fliegen rührt. Wie ein Fliegenschiss an der ansonsten klaren Fensterscheibe zieht auch der unrichtig gesetzte Beistrich betretene Blicke auf sich, ist aber noch schlimmer als jener: Glänzt der Fliegenschiss durch Abwesenheit, so ist alles paletti, während der Beistrich ebenso schmerzlich fehlen kann, wie er, wenn überflüssig, stört. Wie man es also macht, kann es falsch sein, woraus man immerhin ersieht, dass die Sprache lebendig ist, weil es im Leben nicht anders ist.

Obzwar alle Beistriche grundsätzlich gleich wichtig sind, gibt es natürlich welche, die gleicher wichtiger sind, weil sie an exponierter Stelle stehen, also zum Beispiel am Anfang und Ende einer WhatsApp, die wahrscheinlich jemand über 40 verfasst hat, weil kein Schwein unter 40 auf die Idee käme, auf WhatsApp Begrüßungs- und Abschiedsfloskeln zu verwenden.

Da kommt es jetzt auf die Fliegenschisse an.

 

Liebe Lesehäschen,

dass am Anfang ein Beistrich steht, am Ende aber nicht, hat sich wohl schon herumgesprochen.

Mit herzlichem Gruße

dein Zweckdichter

 

Wie man sieht, wird eine Anrede mit Beistrich abgetrennt (also ihr, „Liebe Lesehäschen“), während „Mit herzlichem Gruße“ keine Anrede ist und daher auch keinen Beistrich abkriegt.

Weil aber der Teufel vom Fliegenherumkommandieren nicht müde wird, schläft er nicht. Das Ende der fliegenverdreckten Fahnenstange ist daher noch nicht erreicht. Denn auch ein Ausruf kann eine Begrüßung sein, wenn du deines alten Kumpels Sebastians ansichtig wirst und fröhlich krähst: Hallo Sebastian! Oder du krähst stattdessen Hallo, Sebastian! Denn die einschlägige Regel hält fest, dass man Ausrufe hervorheben darf, aber nicht muss. Du kannst also schreiben:

Ach, wie weh tut mir der Mangel an evidenzbasiertem Handeln.

Aber auch:

Ach lasst mich doch in Ruhe mit euren Verschärfungen.

Der Beistrich hängt nur davon ab, aus welcher Tiefenzone deines Herzens sich dir ein ach entringt.

Freilich gibt es auch Ausrufe, die von Haus aus keinen Beistrich vertragen:

O Sebastian, gehe in dich und lerne Zahlen korrekt zu interpretieren.

Hier passt kein Beistrich hinters O und kein Fliegenschiss auf die fragliche Kompetenz, weil weder im einen noch im anderen Fall genügend Raum für das eine oder andere vorhanden ist.

Solltest du, kontaktfreudiges Häschen, nun etwas zu formulieren haben, das mit Hallo beginnt, wie hältst du es dann mit dem Beistrich?

Mein Rat: je nachdem.

Ein Hallo, Sebastian, ist gar beistrichreich, hier empfehle ich Mäßigung: Der Beistrich nach Sebi genügt. Ist Sebastian aber schwer von Begriff, sodass du dich erneut an ihn wendest, mit einem immer noch fröhlichen Hallo nochmals, Sebastian, dann ist hier ein Beistrich nicht verkehrt, damit man gleich weiß, dass es um ein nochmaliges Hallo geht und nicht um einen erneuten Sebastian, wäre ja noch schöner. Ja, so ist das mit den Fliegenschissen.

Schönes Wochenende!

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