Von dem großen Alfred Polgar ist das Bonmot überliefert, er werde erst dann ein Flugzeug besteigen, wenn es sich eingebürgert habe, dem Piloten beim Aussteigen ein Trinkgeld zu geben. Alle, die nach geglückter Landung schon einmal applaudiert haben, mögen darüber nachdenken.
Wir anderen können uns über ein verwandtes Finanzproblem Gedanken
machen, eingedenk der englischen Aufforderung put your money where your mouth is, also: Rede nicht nur daher,
sondern tu das Richtige, selbst wenn es dich etwas kostet. Womit wir wieder
beim Gendersternchen und seiner gesellschaftlichen Relevanz sind, also einer
alten weißen Männerkolumne.
Vor einer Weile wurde hieramts vermerkt, das Sternchen fülle jene Leerstelle, für die es zuvor Bewusstsein geweckt habe. Einem boshaften Menschen wie eurem Ergebenen kann darob die Frage einschießen, ob diese Leerstelle wirklich so dringend der Füllung bedarf oder ob das Gendersternchen so etwas wie der Herrgottswinkel (für Spätgeborene: eine Zimmerecke, in der ein Kruzifix und eventuell sonst noch passende Devotionalien und Dekoartikel hängen) der Sprache ist: Man fühlt sich irgendwie besser, ob aber die Gemeinten davon etwas mitbekommen, bleibt fraglich. Denn man weiß nicht genau wie zahlreich jene Gemeinten eigentlich sind. Eine Studie nennt ein Prozent. Allerdings nicht ein Prozent der Bevölkerung, sondern ein Prozent jener, die aus medizinischer Sicht ins Trans-Spektrum fallen, also ungefähr ein Prozent von einem Prozent (die übrigen 99 Prozent medizinisch ausgewiesener Transpersonen fühlen sich als Männer respektive Frauen).
Andererseits verortete sich in einer US-Umfrage etwa ein Drittel der Befragten als „divers“. Man sieht daran, dass es offenbar nicht so einfach ist, festzustellen, wie divers man ist, wenn man divers ist.
Allerdings geht es ja, da sind wir sicher, beim Gendersternchen um Sprache. Und nicht jedes sprachliche Dokument ist ein Roman. Auch im Telefonbuch oder im Reisepass steht sprachlich Fixiertes. Was steht da genau? Nun: In Deutschland kann man sich aussuchen, ob man im Pass männlich, weiblich oder divers vermerkt haben will. Gebrauch gemacht haben von letzterer Möglichkeit bisher etwa 400 Personen, mithin ein Fünfundzwanzigtausendstel aller, die in jenem Zeitraum einen Pass erhalten haben.
Viele Unternehmen bemühen sich angesichts dieses Fünfundzwanzigtausendstels, das vielleicht sogar ein Dreitausendstel ist (je nachdem, wie viele auch gern ein D im Pass hätten, aber Repressalien in Reiseländern befürchten) aufs Löblichste um die sogenannte gendergerechte Sprache, was einst das Binnen-I meinte und heute das Sternchen bedeutet.
Zwischen den beiden gibt es freilich einen Unterschied: So ziemlich jede Firma hatte zu Zeiten des Binnen-I auch damals Toiletten für die beiden herkömmlichen Genders. So gut wie keine Firma, die sich des Gendersternchens befleißigt, prunkt aber mit einer Diversentoilette. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich vermute, es hat damit zu tun, dass man vor der Errichtung einer solchen die gesellschaftliche Relevanz gern genauer geklärt hätte als vor dem Tippen eines *. Man will halt wissen, ob jeder dritte oder jeder fünfundzwanzigtausendste Besuch in der entsprechenden Anstalt ein diverser ist. Nämlich deshalb, weil Gendersternchen (die in einem handelsüblichen Gebrauchstext zehn-, vielleicht gar hundertmal so häufig vorkommen wie die damit Gemeinten in der Gesellschaft) nur die Anstrengung kosten, trotzdem weiterzulesen. Eine Installateurstunde hingegen kostet bei 130 Euro ohne Wegzeit.
Oder, und damit sind wir wieder bei den englischen Sprichworten: Talk is cheap.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen