Das Zappen, o vielgeliebte Lesehäschen, ist ja der Fußball unter den Zeitvertreiben. Dieser ist in hohem Maße geeignet, die passiven Teilnehmer, also die Zuschauer, so unglücklich zu machen wie das Golfspiel die aktiven. Man kann ungezählte Stunden damit verbringen, den Herrschaften auf dem Rasen dabei zuzusehen, wie sie entschieden zu gut dafür bezahlt werden, entschieden zu wenig auf die Reihe zu kriegen. Aber manchmal ist das Glück dir hold, und du siehst das Finale der Champions League 1999.
So ähnlich ist es auch mit dem Zappen. Nur zu oft hantelst du dich von Werbepause zu Werbepause und endest früher oder später bei gotv oder, aus lauter Verzweiflung, bei HGTV. Für die Nichteingeweihten: HG steht für „house & garden“. Dementsprechend besteht das Programm zu einem Drittel aus der Dokumentation von atemberaubend aufwendigen und unschönen Gartenumgestaltungen. Im zweiten Drittel sehen wir sogenannte „Flipper“, das sind Menschen, die heruntergekommene Häuser möglichst billig kaufen, die Mängel möglichst rasch kaschieren (merke: eine Tapete kostet weniger als eine Mauertrockenlegung) und sie dann möglichst teuer weiterverkaufen. Man fragt sich jedesmal, warum diese Verbrecher sich bei ihrem Tun filmen lassen.
Im letzten Drittel beobachtet man Menschen (meist Paare) dabei, wie ihnen aalglatte Maklerinnen und Makler Häuser unterjubeln, die vermutlich durch die Hände obgedachter Flipper gegangen sind. Trotzdem hat man selten Mitleid mit den Kaufwilligen, weil es sich meist um epochal unsympathische Müßiggänger handelt, die ein Haus im Zweifelsfall immer danach bewerten, ob die Garage groß genug für ihre zahlreichen benzinbetriebenen Spielzeuge ist, und niemals danach, ob es genügend Platz für die Bücherregale bietet.
So also ist Zappen, und man könnte nun meinen, es habe sich angesichts flächendeckend verfügbaren Streamings als Kulturtechnik erledigt.
Doch weit gefehlt. Wer den nötigen langen Atem hat, dem schenkt auch das Privatfernsehen bisweilen einen CL-1999-Moment, und man hat dann für sich eine Frage geklärt, von der man bis dahin gar nicht wusste, dass sie existierte, nämlich: ob Thomas Anders oder Dieter Bohlen der Erträglichere von Modern Talking sei. Die Antwort lieferte das Zappen eurem Ergebenen gestern abend. Die Geschichte geht so, und wenn es nicht ganz so war, ist sie gut erfunden: Es begab sich, dass diese Inkarnation des eiskalt kalkulierten Discopop in eine Samstagabendshow des französischen Fernsehens geladen wurde, und zwar nicht in in irgendeine, sondern in Champs Élysées, damals das Traumschiff unter den französischen TV-Shows.
Es begab sich weiter, dass Nora, das legendär zickige Ehegespons von Thomas Anders, sich von irgendjemandem schief angesehen fühlte, worauf das minderbemittelte Paar sich, hihi, vertragsbrüchig vom Acker machte und Dieter Bohlen aber schon sehr dumm dastehen ließ, der sich nun mit einem empörten französischen Fernsehproduzenten herumschlagen durfte, dessen Live Act sich eine halbe Stunde vor Sendungsbeginn in Luft aufgelöst hatte.
So weit, so gut, doch es zählt nicht zu den zweifellos vielen Fehlern Bohlens, dass er sich leicht geschlagen gäbe. Tatsächlich gelang es ihm, Modern Talking zwei Jahre später erneut als Showeinlage in Champs Élysées unterzubringen. Wieder ging es nach Paris, wieder war es nicht mehr lange hin zur Sendung, und wieder waren Thomas und seine Doofe verschwunden. Was also tat der Poptitan? Er suchte einen Hansel, der halbwegs singen konnte und Thomas einigermaßen ähnlich sah. Und zog die Sache durch, um fortan nie wieder in Frankreich aufzutreten. Wie das aussah, kann man, dem Internet sei dank, heute noch sehen. Schönes Wochenende!