Es ist, o teure und hoffentlich ein bisschen, aber nicht zu sehr fadisierte Lesehäschen, wieder einmal an der Zeit, dem urösterreichischen Kunsthandwerk der Bürokratie die gebührende Ehre zu erweisen. Wenn man früher nicht mehr recht wusste, worin das Staatsbürgertum abseits der gelegentlichen Wahlteilnahme eigentlich bestehe, begab man sich zum Amt, um beispielsweise einen Pass zu beantragen. Sobald man dem zuständigen Organ die nötigen Unterlagen überreicht hatte und das Organ mit ziemlich gut verhohlenem, aber deshalb keinen Deut weniger hämischem Grinsen ein abgegriffenes Lineal aus der Lade holte und einem dann mitteilte, das Passfoto sei einskommafünf Millimeter zu schmal, fiel einem das Wesen des Staatsbürgertums wieder ein.
Heute, wo die digitale Verwaltung so weit gediehen ist, dass Deutschland neidisch schweigt, erfordert eine solche politisch-soziale Rekalibrierung mehr Aufwand. Ideal eignet sich dafür ein mittleres ländliches Bauvorhaben wie die Errichtung einer Garage plus Befestigung einer Böschung sowie deren Aufschüttung, damit man weniger schräge Gegenden auf dem Grundstück hat.
Man bekommt es nämlich alsbald mit der obersten Baubehörde in Gestalt des Bürgermeisters zu tun, der einen ablehnend bescheidet, weil die Garage keinen Oberstock mit Homeoffices haben darf. Das dadurch bedingte Verkehrsaufkommen könnte die Anrainer überlasten.
Daher belässt man das Homeoffice im Keller, um den Verkehr in Grenzen zu halten.
Weiters erfährt man, ein begrüntes Flachdach sei unzulässig, weil nicht ortsüblich, was eine kompliziertere Formulierung für das beneidenswert lakonische „because reasons“ des Englischen darstellt.
Schließlich hat man die Garage planungstechnisch unter Dach und Fach. Nun, nach einem Dreivierteljahr, stellt sich aber heraus, dass die Befestigung der Böschung möglicherweise ungeahnte Risken mit sich bringt, nämlich in Hinsicht auf den Hochwasserschutz. Der Bürgermeister trifft daher wiederum eine Entscheidung, nämlich jene, einen Sachverständigen beizuziehen. Der Sachverständige erscheint und lässt dich als erstes wissen, dass er gar keiner ist. Also schon, aber nicht für den Hochwasserschutz, sondern fürs Bauwesen. Er ist nur deshalb hier, weil er seinen Schreibtisch im selben Haus hat wie die Herrschaften vom Hochwasserschutz. Er würde vielleicht einen Kaffee nehmen, aber selbst die Engel im Himmel haben größtes Verständnis dafür, dass du ihm an diesem Punkt keinen anbietest.
Nachdem er sich vom Acker gemacht hat, erfährst du von der zweitobersten Baubehörde (nämlich dem Vizebürgermeister) erstens, worin das Problem eigentlich besteht: Ein Stück weiter gibt es einen Berg mit einer Rinne. Wenn dort ein sehr hartnäckiges, sehr eng lokalisiertes Starkregenereignis stattfände, dann wäre nicht auszuschließen, dass sich ganz am Rande deines Grundstücks mehr Wasser ansammelte, als dem Nachbarn frommte. Freilich wäre das im Rahmen eines solchen Vorkommnisses wahrscheinlich seine geringste Sorge, aber dafür ist die Hochwasserschutzbehörde nicht da. (Man könnte hier auch darüber nachgrübeln, dass ein begrüntes Flachdach einen infinitesimalen, aber nicht wegzuleugnenden Beitrag dafür darstellte, die Wahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen zu senken. Aber das lässt man besser bleiben.)
Zweitens teilt dir die zweitoberste Baubehörde mit, dass der Hochwasserschutz bereits eine Stellungnahme zur anzuschüttenden Böschung abgesondert hat: Dies stelle keine Problem dar, vorausgesetzt, man schütte die Böschung nicht an. Es ist dir nicht gestattet, diese Stellungnahme einzusehen, weil Fürst Metternich sonst auferstehen würde.
Die große Frage, die übrig bleibt: Wie schaffen es die anderen eigentlich, Österreich derart zu verhütteln, wie es offensichtlich der Fall ist?
Schönes Wochenende!
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