Wir sind wieder einmal Nobel, o forschungsbegeisterte Lesehäschen! Das sorgt in der Umgebung eures Ergebenen für die eine oder andere Welle („ich hätte doch zusagen sollen, als mir der Zeilinger ein Diplomthema angeboten hat“), aber nicht nur dort. Denn die Nobelpreise sind zuwenig divers, blöd aber auch, weshalb sie in diversen Kommentaren umgehend in den Verdacht geraten, unzeitgemäß, übertreiben weiß und sonst noch was zu sein.
Bei solchen Auslassungen lässt der Zweckdichter gern die FIS-Kristallkugelgewinner der letzten zehn Jahre Revue passieren und muss feststellen, dass aktuell so genannte Persons of Color dort nicht massiv unterrepräsentiert, sondern überhaupt nicht vorhanden sind. Ganz zu schweigen davon, dass die Schiverbände sturheil am binären Geschlechterschema festhalten und den Männern die einen, den Frauen die anderen Kristallkugeln überreichen wollen, während alles dazwischen kugellos ausgeht. Schlimm ist das, und wenn man glaubt, es hätte etwas mit dem Wintersport und vielleicht mit einem bergverseuchten, schröcksnadelig vererbten Menschenbild zu tun, der betrachte im Vergleich dazu etwa den olympischen Marathon (der Männer), wo von den letzten zwölf Stockerplätzen elf an obgedachte Persons of Color gingen. Anders, aber auch nicht besser. Es ist hoch an der Zeit, dass das olympische Komitee in sich geht und vorurteilsfrei hinterfragt, ob Regeln, die eine bestimmte Menschengruppe offensichtlich derart bevorzugen, heute noch zeitgemäß sind.
Nun sollen es also im Vergleich dazu Wissenschaft und Literatur richten. Die Frage ist, ob man mit dieser Forderung eventuell vom Regen in die Traufe kommt. Denn wie man weiß, ist nur etwa jeder 500. Mensch Jude, aber so zirka jeder fünfte Nobelpreisträger. Wer also fordert, dass die Nobelpreise diverser werden müssen, fordert damit auch, dass sie weniger jüdisch werden, was man jetzt so oder so verstehen kann. Nachdem heuer schon die documenta in Sachen Antisemitismus etwas geleistet hat, was mit der amerikanischen Redewendung shat the bed am treffendsten umschrieben ist, würde ich mir als Nobelkomitee eine Weile überlegen, was da am gescheitesten ist. Wenigstens hat man mit der heurigen Preisträgerin für Literatur nicht nur eine Frau gekürt, sondern auch gleich eine Frau, die zum Beispiel im Sinne der Völkerverständigung gegen den israelisch-französischen Kulturaustausch eingetreten ist, weil das „whitewashing“ sei, wobei jetzt bitte jeder selber googlet, ob sie dabei den Gazastreifen oder vielleicht doch das Vichy-Regime im Kopf hatte.
Wo aber Diversität zum Selbstzweck wird, wächst das Achtsame auch, und zwar bisweilen, wo man es am wenigsten vermutet hätte. Früher nämlich konnte man ein Dokument schreibschützen, ehe man es weiterschickte. Der Empfänger konnte es dann öffnen und lesen, aber nicht verändern. Man hatte als Urheber die Wahl, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen oder nicht. Nun gibt es anscheinend eine dritte Option, denn als euer Ergebener neulich ein Doc öffnen wollte, poppte in einem Dialog der Satz auf: „Dem Autor wäre es lieber, Sie würden dieses Dokument schreibgeschützt öffnen.“
Man hat dann als User die Wahl, ob man auf diese passiv-aggressive Fopperei eingeht oder ob man drauf pfeift und sich ein ganz kleines bisschen schlecht fühlt. Besorgt stimmt unsereinen die Tatsache, dass es offenbar so viele Leute gibt, die sich nicht entscheiden können, ob sie einen Schreibschutz verhängen wollen oder nicht, dass sie für diese Unentschlossenheit eine Softwarelösung nicht nur erwarten, sondern auch bekommen. Was das für Waffenlieferungen an die Ukraine heißt, bleibe dahingestellt. Schönes Wochenende!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen