Heute, o teure Lesehäschen, wird euch diese Kolumne gleich noch einmal so wohl munden wie sonst. Schon bei den ersten Sätzen denkt ihr euch: „Hui, das ist ja ein ganz spezieller Genuss, wie kommt es, dass unser geschätzter, aber doch schon etwas überwuzelter Zweckdichter seine Worte heute gar so fein zu setzen versteht, die Nuancen so sensibel abstimmt und mit geschmackvollen, aber dennoch treffsicheren Pointen zu überraschen versteht?“
Da müssen wir etwas weiter ausholen. Denn bekanntlich ist der Künstler nicht mehr vom Werk zu trennen. Beziehungsweise: Früher war es einem egal, ob der Künstler vom Werk zu trennen war, „Genie und Wahnsinn“ war sowieso der Freibrief für jegliche Ungustelei, da braucht man sich nur zum Beispiel Klaus Kinski anzuschauen.
Heute dagegen ist das Werk nur brauchbar, wenn der Künstler moralisch glutenfrei und unbedenklich ist. Da genügt schon ein Gout, ein Verdacht, sonst wäre Kevin Spacey ja ganz umsonst aus House of Cards geschnitten worden.
Dass wir uns den Luxus der weltanschaulichen Überprüfung nur bei der Kunst leisten, hat Harald Martenstein ja schon längst festgestellt. Denn wenn im Klo die braune Brühe knöcheltief steht und dann doch endlich der Installateur kommt (genießen wir es, so lange es noch Installateure gibt – allerdings eine Zukunftsbranche, denn es wird noch viel Scheiße durch den Kanal fließen, ehe die KI mit dem Werkzeugkoffer vor der Tür steht), dann fragen wir nicht als Erstes, was er bei der letzten Wahl angekreuzt hat. Stattdessen begrüßen wir ihn, bieten Kaffee an, lächeln über eventuelle fremdenfeindliche Witzchen – alles, damit wir wieder im Trockenen stehen können.
Nur bei der Kunst wollen wir es genauer wissen. Dahinter steht wohl die Anschauung, dass der Künstler etwas von sich selbst in sein Werk hineinlege, und wenn sein Selbst Grausliches enthält, wollen wir uns dieses nicht einverleiben.
Damit zur Erklärung warum ist die Kolumne heute nun so besonders großartig ist. Ganz einfach, meine Teuren: Euer Ergebener hat die Tage für eine Reihe über jeden Zweifel erhabener gemeinnütziger Organisationen gespendet, etliche Gendersternchen gesetzt und Hilfsbedürftige über die Straße geholfen. Auch wenn der Kunstbegriff für eure BamF gewiss hoch gegriffen ist, ist klar, dass ob der Einheit von Künstler und Werk meine gesteigerte moralische Einwandfreiheit euren gesteigerten Lektüregenuss zur Folge haben muss. Für die Zukunft sehe ich hier ein ebenso gewinnversprechendes wie ethisch erfreuliches Geschäftsfeld für Moralcoaches, die, indem sie den Künstler nettigkeitstechnisch optimieren, sowohl dessen Marktfähigkeit als auch den Genuss des Publikums in bisher kaum vorstellbare Höhen heben werden.
Schönes Wochenende!
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