Donnerstag, 31. Oktober 2013

Kleinigkeiten




Zwar läuft Copy hieramts (damit meine ich die Abteilung P wie Produktion) von Haus unter "Grauwert". Trotzdem lässt sich nie ganz ausschließen, dass jemand einen Text tatsächlich liest, und sei es aus purer Bosheit, um uns einen Fehler unter die Nase reiben zu können. Deshalb zum falschen Freitag eine kleine Blütenlese aus dem Würzgärtlein des Zweckdichters.
Ein Klassiker, doch immer wieder schön, ist die gewaltsame Trennung von Wortteilen, die besser fein beieinander bleiben sollten. In der Agentur haben wir in der Regel nicht mit Stiefel-tern oder Wachs-tuben zu tun. Aber die (der?) Aussen-dung ist uns nicht fremd. Das Wort "beinhalten" meide ich für mein Teil schon aus Prinzip, ob getrennt oder nicht. Grund sind, wie so oft, die Bilder im Kopf, in diesem Fall das Bein, das vor meinem inneren Auge gehalten wird, koste es, was es wolle.
Noch schöner finde ich Zeilensprünge, die schon ohne Trennung wunderbar impactstark sind. Zum Beispiel fanden sich kürzlich in einem Textvorschlag vom Kunden diese Zeilen:
"Der Streuverlust war enorm
gering."

So etwas lässt sich leider schwer planen, weil Schrift, Laufweite, Spaltenbreite usw. dafür perfekt zusammenpassen müssen. Man behelfe sich daher mit Kunstgriffen wie dem scheinbaren Grund, um Irritation und damit Retention zu erzielen. Der scheinbare Grund entsteht, indem man ein "daher" verwendet, um eine Begründung zu suggerieren. Es darf aber keine logische Begründung vorliegen. Ein Beispiel, wiederum vom Kunden, leicht verfremdet:
"Wir pflegen einen partnerschaftlichen Umgang mit dem Handel. Daher wollten wir Fleisch- und Gemüseprodukte in einem gemeinsamen Flugblatt bewerben."

Übrigens ging es in dieser Erfolgsstory im Weiteren um zwei Flugblätter, eines für Fleisch, eines für Gemüse. Morgen ist übrigens Freitag. Ich empfehle daher den Fisch.

Freitag, 25. Oktober 2013

PS I Love You


Damit wir das geklärt haben: Ja, man kann von Tautologien schwanger werden. Deshalb denkt daran: Wenn ihr eine Tautologie abgeschleppt habt und ihr es euch auf der Couch bequem macht, solltet ihr der Tautologie als erstes ein empfängnisverhütendes Kondom – ach verdammt. Ihr wisst, was ich meine. Reden wir von etwas anderem, zum Beispiel vom Postskriptum, unter Freunden: PS.
Das PS und ich, wir waren einst ein Herz und eine Seele. Jeder Salesletter (unter Freunden: Brieferl) hatte am Schluss so selbstverständlich ein PS, wie der Hund hinten mit dem Schwanz wedelt. Das PS war der Trost des Texters, der wusste: Wahrscheinlich liest keiner den Brief. Aber so wie der Brief nicht gelesen wird, wird das PS noch lange nicht ignoriert. Hatte man ein PS geschrieben, in dem der wichtigste oder attraktivste Aspekt des Briefs dem gern imaginierten Leser noch einmal ans Herz gelegt war, dann durfte man zumindest gewiss sein: Es gibt Teile deines Textes, deren Lektüre weniger unwahrscheinlich ist als anderer.
Weniger geschwollen ausgedrückt: Jedes Brieferl war erst mit PS komplett, weil es funktionierte. Ein Werbebrief ist kein Roman, bei dem es als gewöhnlich gilt, den Schluss zuerst zu lesen. Unsere Aufgabe war es, das Informationsbuffet attraktiv zu befüllen. Daraus durfte sich der Empfänger sein eigenes Informationsmenü zusammenstellen. Wie ich höre, wird an der Werbeakademie immer noch gelehrt, dass ein PS was Gutes sei.
Doch irgendwann in den letzten fünf Jahren geschah etwas. Hatten amerikanische Forscher herausgefunden, dass das PS doch nicht wahrgenommen wird? Hatten findige Kommunikationsexperten (unter Freunden: Werbefuzzis) eine bessere Alternative entdeckt?
Nichts davon, sondern viel schlimmer: Das PS war uncool geworden. Was das in unserer Branche bedeutet, wissen wir. Ein Kunde nach dem andern entdeckte plötzlich seine Liebe zum geordneten Briefschluss und erfreute sich an der nun viel prominenteren Unterschrift. Vergeblich weinten engagierte Kreative in ihr Bier, vergeblich wiesen engagierte Beraterinnen und Berater ihre Kunden darauf hin, dass man hier werblichen Mehrwert unnötig verschenkte. Aus war's mit dem PS. Stattdessen müssen wir jetzt das Wichtigste gleich in die Headline schreiben, anstatt hier mit einem emotionalen Zugang den Leser sanft in den ersten Absatz zu lotsen.
Schade. Oder schaffen wir ein Revival?


PS: Oben stehen auch voll interessante Sachen!

Freitag, 18. Oktober 2013

Stilmittel


Alle reden über frühkindliche Förderung, Lesefähigkeit und Frank Stronach (abgesehen von denen, die gerade von Monika Lindner reden). Abseits der Mainstream-Bildungsdebatte harren aber knackige kleine Rätsel seit ewigen Zeiten ihrer Lösung.
Zum Beispiel: Warum haben alle Kunden gefehlt, als in der Schule das Stilmittel der Wiederholung durchgenommen wurde? Man kann es mit Wiederholungen versuchen, versuchen und wieder versuchen: Jeder Kunde, der sein Salz wert ist, wird das Vorige rot anstreichen und wahrscheinlich auch gleich korrigieren zu "Man kann es immer wieder mit Wiederholungen versuchen". Denn es haben zwar in der Mittelschule alle beim Thema "Wiederholung" gefehlt, in der Volksschule waren aber alle da und erinnern sich, dass Wiederholungen blöd sind.
Gibt es auch Stilmittel, mit denen Kunden etwas anzufangen wissen? Oh ja: die rhetorische Frage. Da war das Kopfwehhalswehbauchwehschluckweh bei allen wieder gut. Außerdem wird sie in der Volksschule normalerweise nicht behandelt, da gibt es also keine Unklarheiten. Hat sie noch einen Vorteil? Ja, man erkennt sie ganz leicht am Fragezeichen. Deshalb mögen viele Kunden die rhetorische Frage so sehr, dass sie eine einbauen, wo gar keine ist? Einfach ein Fragezeichen, und schon wird der Satz rhetorisch wertvoll. Geil, hm? Bloß schade, dass wir in der Textersonderschule gelernt haben, rhetorische Fragen seien mit Vorsicht zu genießen, weil: "Herr Mustermann, ist Ihnen maximale Vielfalt beim Fernsehprogramm wichtig?" – "Nein".

Das war's für heute, danke fürs Zuhören. In der nächsten Folge haben wir Dr. Jochen Sommer zu Gast, der Leserfragen beantworten wird wie: Kann ich von Tautologien schwanger werden?