Freitag, 23. Mai 2014

Probeweise geschrieben


Am Freitag schreibe ich, was ich will. Und heute ist, wie der deutsche Bruder sagt, Rosinenkackertag. Macht euch also darauf gefasst, dass gleich nichts folgt, was euch weiterbringt. Außer natürlich die raren Vögel, die gelegentlich was zu schreiben haben und mir dabei eine Freude machen wollen.

Es geht nämlich, und jetzt geniere ich mich ein kleinwenig, um die Frage, ob man offensichtliche Adverbien adjektivisch (genauer: attributiv, aber dazu gleich) verwenden darf bzw. soll. Da war schon ein ganz typisches: das bzw.

Aber beginnen wir am Anfang. Jeder kennt Adjektive, zumindest vom Hallosagen. Grün, schnell, mühsam oder schoaf – alles ganz klar Adjektive. Nun sind Adjektive vielseitige kleine Kerlchen, die unterschiedliche Planstellen im Satz besetzen können. 

"Der frühe Vogel fängt den Wurm" zeigt uns "frühe" in attributiver Verwendung, zu erfragen mit "wie?", nämlich "wie ist der Vogel?". 

"Das Schmusi ist blau" – hier ist "blau" Teil des Prädikats, welches aus "ist" und "blau" besteht ("ist", die sog. Kopula, gilt i.d.R. nicht als vollständiges Prädikat, außer im existenziellen Sinn, weshalb Heidegger das Verb "wesen" erfand). 

"Der Kunde redet schnell" – die adverbielle Verwendung. Die ist leicht zu erkennen, weil "schnell" das Verb näher bestimmt, uns also etwas über das Reden mitteilt und nicht über den Kunden (jedenfalls nicht in erster Linie).

So weit, so gut: Es gibt Adjektive, und die können unterschiedlich verwendet werden, auch adverbiell.

Es gibt aber auch die Wortart Adverb. Adverbien werden – eh klar – in der Regel adverbiell verwendet. D.h. sie berichten uns keine Einzelheiten über Substantive, sondern über Verben oder ganze Sätze – darüber, wo, warum oder wann etwas geschieht (hier, dort, oben, trotzdem, deshalb, damals, später, vorgestern ...). In den meisten Fällen gibt es dazu auch nichts Erhebliches zu melden.

Interessant wird es bei den Modaladverbien, die etwas über die Art und Weise verraten, auf die etwas geschieht, sowie bei den sogenannten sprecherbezogenen Adverbien: Diese bringen eine Stellungnahme des Sprechers zum Satz, wie etwa "glücklicherweise", "leider", "vermutlich".

Mit dem Suffix "-weise" lassen sich solche Adverbien erzeugen wie Kinderlächeln mit Hilfe kleiner Schweinchen: "leihweise", "teilweise", "tageweise", "ansatzweise", "dummerweise" und so fort.

Jetzt kommt der schwierige Teil: Manche sind der Ansicht, es sei vollrohr o.k., wenn man solche geborenen Adverbien auch als Adjektive, nämlich attributiv, verwendet.

Es sei also nicht nur korrekt, wenn man schreibt: "Die Seele des Kreativen wird dem Kunden tageweise überlassen."

Sondern auch: "Die tageweise Überlassung der Kreativseele wird gesondert verrechnet."

(Manche trauen sich das sogar mit "schließlich": das schließliche Ende, in Analogie zum "endlichen Schluss", was aber nicht Stich hält, weil es nicht nur das Adverb "endlich" gibt, sondern auch ein Adjektiv, das genauso aussieht. Dasselbe gilt übrigens z.B. für "vermutlich".)

Wikipedia merkt dazu an, dass die Verwendung von Adverbien auf –weise als Attribut schon aus dem 19. Jahrhundert belegt ist. Da haben wir jetzt mein Dilemma vor uns:

Einerseits schlage ich mich ungern auf die Seite der präskriptiven Grammatiker, die den Status quo festschreiben, und basta.

Andererseits finde ich, dass ein Satz mit "einer ansatzweisen Einigung" einfach kacke aussieht. Wenn das einstige Adverb gebeugt wird (d.h. dass "ansatzweise" zu "ansatzweisen" mutiert), geht es noch halbwegs. Denn Adverbien werden nicht gebeugt, also gewinnt man hier den Eindruck eines Adjektivs, das vage an ein bekanntes Adverb erinnert.  Aber in der Urform "eine stufenweise Änderung" finde ich mich einfach nie zurecht: In meinem Kopf schnalzt das gemeinte Adjektiv immer zurück ins vertraute Adverb, so ähnlich wie bei den Umspringbildern, wo man den Psychiater sieht und dann plötzlich doch wieder die nackte Frau. Deshalb, sprachlicher Fortschritt hin oder her, kann ich mit solcher Verwendung einfach nichts anfangen.

Und was ist mit den Belegen aus dem 19. Jahrhundert? Die beweisen nur eines: Dass es damals auch schon Leute gegeben hat, die schlecht geschrieben. Wunderbar, die Frage ist beantwortet.
Friede, Freude, Komasaufen!

Freitag, 16. Mai 2014

Korrekturen


Nicht selten sieht sich euer Kolumnator einerseits mit der Frage konfrontiert, ob "das so richtig" sei. Andererseits habe ich läuten hören, dass Kunden anderer Teams gelegentlich den Wunsch nach "Korrekturen" äußerten, die dann, so die Gerüchte weiter, vom Team durchgeführt würden, ja sogar durchgeführt werden müssten.

Bei uns passiert das ja nie. Nicht, weil wir besser wären. Sondern, weil unsere Kunden so extrem pflegeleicht sind. Denen kann man ein Fragezeichen als Call to Action verkaufen, und sie bedanken sich noch für den Input.

Doch wie gesagt: Leider höre ich, dass das nicht überall so ist. Dies führt stante pede zu der Frage, was denn eine Korrektur eigentlich sei. 

Duden bietet die Bedeutung "Änderung" bzw. "Veränderung", und dagegen ist nichts einzuwenden: Wenn sich Korrekturen in den Jobordner schlängeln, wird bald etwas anders sein, als es bisher war. Doch die Änderung kommt im Duden erst an zweiter Stelle, und dies mit gutem Grund: Wer noch ein paar Bröserln Latein aus dem letzten Jahrhundert herübergerettet hat, der erkennt ohne Weiteres in der "Korrektur" die Wurzel "recte", was natürlich "richtig" heißt. Das ist auch die Erstbedeutung zur Rechten: "Verbesserung", "Berichtigung".

Die Korrektur, so die Nettobotschaft, stellt mithin richtig, was zuvor unrichtig war. Das bedeutet: Wenn uns via Beratung der Wunsch erreicht, das Logo möge zwei Strich nach links und eineinhalb nach unten rutschen und außerdem zehn Prozent vergrößert werden – dann ist dies nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern der sachgerechten (nämlich korrekten!) Anschauung.  Wenn ein alter Satz lautete: "Entdecken Sie zahlreiche attraktive Angebote" und nun neu lauten soll: "Viele verlockende Angebote warten auf Sie" – dann wurde nicht umgeschrieben, sondern die Welt ein Stückchen besser, weil richtiger gemacht. Wäre dem nicht so, dann könnte nicht von einer Korrektur die Rede sein. Eine Korrektur, die nichts besser macht, ist keine und hat also gar nicht stattgefunden. Eine Korrektur, die für die Qualität unerheblich oder gar schädlich ist, wäre ein schwarzes Loch der Kommunikation, das sofort bedrohlich zu wachsen begänne und uns alle zu verschlingen drohte.

Bevor jetzt wer fragt: Natürlich gilt das auch, wenn die CI ein rotes Logo auf Weiß vorsieht und der Kunde gern einen türkisen Verlauf darüber haben will. Es gilt ebenso, wenn "Sie haben viel geleistet und verdienen eine Belohnung" sich verwandeln soll in "Viel geleistet – Belohnung für Sie". Durch all diese Kleinigkeiten gewinnt Kommunikation an Qualität. Denn jede Korrektur ist immer auch eine Verbesserung, allein schon deshalb, weil ein geplagter Mensch sich hingesetzt hat, um sie abzusondern. In Ihr steckt ein Stück vom Nebenmenschen. Das sollten wir honorieren und die Anstrengung würdigen. Bitte dies zu leben.

Freitag, 9. Mai 2014

Warum Radfahren eh doof ist


So, meine Lieben. Vor einigen Wochen habe ich hieramts zum In-die-Arbeit-Radeln geladen. Nur eine einzige Tapfere hat sich gefunden, die dem Folge zu leisten bereit war. Einerseits enttäuschend, andererseits vollrohr verständlich. Denn jeder Radfahrer (und jede Radfahrerin) stellt bald fest, dass er der einzige weit und breit ist. Alles andere, was sich zu Rad tummelt, mag zwar für den Unbedarften oder selbstgefährdend optimistisch Eingestellten auf den ersten Blick wie ein Radfahrer wirken, gelegentlich sogar noch auf den zweiten oder dritten.

Es handelt sich aber stets um eine zweirädrige Monstrosität, und das ist auch kein Wunder. Die Peripatetiker um Aristoteles philosophierten im Gehen, um dabei mehr über die Welt und ihre Verfasstheit als Menschen zu erfahren. Klar, dass die Beräderung mit einer Entmenschung einhergeht, seien die Räder selbst am Automobil, am Fahrrad oder wo auch immer angebracht. Wo es um Radfahrer geht, ist der Normalfall daher immer schon die Ausnahme, weil nur du selbst normal bist.

Ist es nun Zeit zu verzweifeln? Nein. Denn auch hier hat der Wahnsinn Methode. Es gilt, den Ungeheuerlichkeiten, mit denen man Radweg oder Fahrbahn zu teilen gezwungen ist, ins Auge zu sehen und zu erkennen, mit welcher Art von Scheusal man es zu tun hat. Erkenne deinen Feind, und du weißt, wie du seiner Herr werden kannst! Hier die erste Folge meines kleinen Führers in die Welt der Anderen. 

Der böse Kobold

Er treibt jeglichen Unfug und bringt damit Fußgänger wie Autofahrer nicht nur gegen sich selbst auf, sondern auch gegen andere Radfahrer, die überhaupt nichts dafür können. Wenn du zum Beispiel einen siehst, der neben dem Radweg auf der Fahrbahn gegen die Einbahnrichtung fährt, und zwar freihändig, weil er seine Hände zum SMSen braucht: Dann hast du gerade einen kapitalen Bösen Kobold erspäht und weißt jetzt, warum du noch übernächste Woche angepöbelt wirst, wenn du korrekt bei Grün rechts abbiegst. Gegen den Kobold ist kein Kraut diesseits der Strafbarkeit gewachsen. Wenn du ihm einen Knüppel zwischen die Speichen wirfst, ist dir aber zumindest mein Verständnis sicher. Auch kostet ein Auftragsmord laut Frank Stronach nur zwei Kilo. Legen wir zusammen? 

Der Ampelzombie

Sein Fleisch ist lebendig, alle Gliedmaßen sind noch an ihm dran, doch er teilt ein wichtiges Charakteristikum mit dem Zombie: Dieser bewegt sich zwar (abgesehen vom neueren "schnellen Zombie") nur langsam schlurfend fort. Doch ist er dabei nicht etwa genauso schnell wie ein rennender Mensch, sondern sogar um das entscheidende Alzerl schneller. Philosophisch Gebildete mögen sich hier an das Schildkrötenparadoxon des Zenon von Elea erinnert fühlen: Achill kann im vollen Lauf die vorankriechende Schildkröte nicht einholen, weil er in jeder Sekunde z.B. die Distanz halbiert und sich damit dem Reptil (ja, Schildkröten sind Reptilien!) asymptotisch nähert, ohne aber jemals an ihr vorbeizuziehen.

Der Ampelzombie geht umgekehrt vor. Während man an einer roten Ampel wartet, schiebt sich der Ampelzombie im Zeitlupentempo vorbei. Dabei ist die Seite egal. Schiebt er sich rechts vorbei, dann überquert er die Kreuzung wahrscheinlich bei Rot. Nach Grünwerden der Ampel wird man alsbald auf ihn auflaufen, ihn aber nicht überholen können, weil Autoverkehr. Schiebt er sich links vorbei, dann wartet er, bis die Ampel grün wird, um sich dann im Zeitlupentempo in Bewegung zu setzen. Man könnte ihn bei Gelb rechts überholen, doch dann wäre er im Recht, wenn er einen beschimpft.

Um den Ampelzombie auszutricksen, kann man, wenn möglich, bei Rot losfahren – das kann aber ins Geld gehen. Sonst hilft nichts, außer vielleicht um wenige Autos beten. 

Fortsetzung folgt, falls gewünscht