Freitag, 30. Oktober 2015

Groß- und Kleinschreibung reloaded



Ich hatte ja schon hin und wieder Veranlassung, mich hieramts über die Problematik korrekten Genderns zu verbreiten – an dieser Stelle geht auch ein großes Dankeschön an Herrn Flo für seine selbstlose Unterstützung beim von mir vorgeschlagenen Porno-Forschungsprojekt! Nicht selten, o meine geliebten Lesehäschen, habe ich dabei ein bisschen neidisch ins Englische hinübergeschielt, wo man es diesbezüglich ja viel leichter hat, wenn man sich nicht gerade in den Kopf setzt, dass „womyn“ klüger sei als „women“, damit die Männer sich nicht zu breit machen.


Doch ach!, die Englischsprecherinnen wissen nicht, wie gut sie es haben. Beziehungsweise sticht sie der Hafer. Zwar bleibt ihnen viel Genderheckmeck erspart, doch können sie zum Ausgleich vom Rassismusunfug nicht genug kriegen, so scheint es. Stolperte ich doch kürzlich über einen lesenswerten Artikel, dessen Autor eine keinesfalls lesenswerte Schrulle pflegt: Er schreibt, wenn er von Bevölkerungsgruppen schreibt, „Black“ stets groß. Dagegen allein wäre ja nichts einzuwenden, wir hier schreiben ja so allerlei groß. Er schreibt aber auch „white“ konsequent klein. Also zum Beispiel „Black teenagers“, aber „white residents“.


Das, Herrschaften, klappt so nicht, finde ich.

Ich habe dann eine Runde gegooglet und gelernt,

dass „Black“ häufig so geschrieben wird, wenn es eben um die Rasse geht,

dass die National Urban Coalition 1988 empfohlen hat, „African American“ zu sagen und zu schreiben anstatt „black“, was bis dahin der korrekte Terminus du jour war, 
und so weiter und so fort.

Weiters habe ich gelernt, dass schon andere vor mir draufgekommen sind, wie merkwürdig es wirkt, wenn man in ein und demselben Text Black, aber white schreibt. Diejenigen, die das tun, haben natürlich einen guten Grund dafür: meine alte Freundin, die Political Correctness. Nämlich schreiben sie Black nicht etwa, um kundzutun, dass es hier wirklich um Menschen geht (was ja im Kontext klar sein sollte und in der englischen Sprache sonst auch funktioniert). Aber warum denn dann? Weil es um eine Rassenfrage geht? 
Richtig, aber dann müssten sie ja white auch groß schreiben, nä?

Nur können sie white leider nicht groß schreiben, oder trauen sich zumindest nicht. Weil warum? Weil ihnen die White Supremacists (Hackfressen, die sich für was Besseres halten, weil weiß) ihnen dabei zuvorgekommen sind. Und wer Black schreibt, will sich nicht dem Verdacht aussetzen, White aus fragwürdigen Gründen zu schreiben und schreibt deshalb lieber gleich white.

Also zusammengefasst: Es gibt Leute, die Black groß schreiben, weil ihnen diese Frage wichtig ist, die sich aber von weißen Arschlöchern das Recht nehmen lassen, White ebenfalls groß zu schreiben, weil die Grammatik zwar farbenblind sein sollte, aber halt nicht so richtig, weil schlechtes Gewissen des Schreibenden. Alles klar, ich nehme doch lieber die Gender-Zores.

Freitag, 23. Oktober 2015

Wer die Wahl hatte

Jetzt ist das Agenturwochenende auch schon wieder fast zwei Wochen her. Wie ich höre, war es eine denkwürdige und überaus gelungene Veranstaltung, von der auch die allermeisten wieder dienstfähig zurückgekehrt sind, und bei den andern kann man sich ja eh denken. Leider musste euer Kolumnator als Animateur für Geburtstagsprinzessinnen glänzen. Aber nächstes Jahr bin ich hoffentlich wieder mit bei der Agentursause, da müsst ihr halt auf die Verantwortlichen einwirken, dass das entsprechend terminisiert wird.
Deshalb sind wir aber nicht hier, meine lieben Lesehäschen. Denn die Wahl ist zwar schon genau so lange her wie das Agenturwochenende, doch zieht sie längere Folgen nach sich. In diesem Zusammenhang stellen sich manche die Frage, wo die Stracheaner sind. Zwar handelt es sich nur um zwanzig Prozent, das ist dann jeder Fünfte in der U-Bahn, und wahrscheinlich derjenige, der nicht etwa Heute liest (das ist ja auch unmöglich), sondern das ÖKM, das er seinem Nachbarn aus dem Briefkasten gefladert hat, wobei der Nachbar ja total nett ist, und das ÖKM (Österreichisches Kongressmagazin, da schaltet immer unser Kunde ACV) ist ja auch nichts Schlimmes, aber halt speziell. 

Was uns wieder zu der Frage bringt, wo der Fünfte ist, der Stracheaner.

Nun denn: Wo ich herkomme, frönt man, wie jeder wissen sollte, dem Jass. Jassen ist ein Kartenspiel, das den meisten anderen Kartenspielen in fast jeder Hinsicht überlegen ist, und nicht nur anderen Kartenspielen, auch mir, und da bin ich nicht der Einzige. Kartenspiele haben ja oft den Nachteil, dass man möglichst imstande sein sollte, von den ausgespielten Karten darauf zu schließen, was die Mitspieler noch so in der Hand haben. Nicht jedem ist das gegeben, oder, wie mein Großonkel Johann tröstend zu sagen pflegte, wenn sein Partner wieder „an Soch“ (ugs: einen Schas) zusammengespielt hatte: „Mach dir nichts draus, in Afrika gibt es ganze Völkerschaften, die auch nicht jassen können!“
Gejasst wird in Vorarlberg mit einfachdeutschen Karten. Diese ähneln den gängigen Schnapskarten, doch ist der Bildinhalt jeder Karte nur einmal zu sehen, anstatt einmal so rum und einmal andersrum. Das Bild auf dem Schellen-As stellt eine borstige Sau mit Ringelschwanz dar. Die Asse werden deshalb beim Jassen nicht Asse genannt, sondern Sauen.

Weil aber ein Spiel immer auch Leben ist, haben die Sauen vom Jassen eine Vorarlberger Lebensweisheit in die Welt gebracht, die über den Kartentisch hinausweist:

„I jedem Gschpiel git as Sua, sagt man: Nicht nur beim Jassen, sondern überall gibt es Schweine, seien sie nun borstig, blöd oder dreckig. Ein Trottel findet sich immer. Trösten wir uns aber: Gejasst wird in der Regel zu viert, und der fünfte kann sich höchstens beim Getränkenachschub nützlich machen.

Freitag, 9. Oktober 2015

Aus der Mitte entspringt ein Fluss von Plattheiten


Ach meine lieben Lesehäschen, nichts ist von Dauer! Da hatten wir doch einmal die schöne Rubrik Feedback der Woche, und schon ist sie in die Was-wurde-eigentlich-aus-Liga abgerutscht, wo sie sich mit Tony Wegas und der Zielstrebigkeit der Grünen ein Proseckerl reinpfeifen kann, und das schon um zehn in der Früh, skandalös.

Aber so schnell geht es nicht. Hin und wieder blüht uns Denkwürdiges, dass wir an uns halten müssen, um nicht laut herauszuplatzen. Und dann gibt es wieder Momente, in denen wir uns eingeladen fühlen, doch wieder einmal die großen Philosophen aus dem oberen Regal zu kramen. Woher kommen wir, wohin gehen wir? Besteht überhaupt ein Unterschied zwischen Kommen und Gehen? Oder ist im Leben, wie im Fußball, nach dem Spiel vor dem Spiel? Teilte der Kunde doch mit:

„bitte als Conclusio hervorheben. --> das ist das Ergebnis bzw. die Herleitung.“

Je nun. Die Conclusio ist allerdings so was wie das Ergebnis. Doch ist das Ergebnis auch die Herleitung? Oder entspricht die Herleitung eher der Conclusio? Die Versuchung ist groß, sich in Plattheiten zu verlieren. Doch der Weg ist nicht das Ziel. Wer dem widersprechen will, glaubt wahrscheinlich auch noch, das Ideen die Währung der Werbung seien. Die Wirklichkeit hat angerufen: Währung ist die Währung der Werbung, und daran ist nichts Schlechtes.
Doch wir schweifen ab.

Lassen wir den Kundeninput auf uns wirken. Schlürfen wir ein Schalerl Chai dazu. Visualisieren wir unsere Chakren der Reihe nach. Geben wir uns dem semantischen Schillern hin. Tut es mir gleich, und ihr werdet sehen: Ohne Herleitung kann es kein Ergebnis geben, noch eine Conclusio. Wie der Käfer zuvor Larve gewesen sein muss, so die Conclusio Herleitung. Und wer wollte behaupten, dass der Käfer als Individuum nicht mit dem gewesenen Engerling identisch ist? So zeigt uns Mutter Natur: Ja, dieses „bzw.“ ist mehr als berechtigt. Es ist selbstverständlich.

Danke, Mama.

Freitag, 2. Oktober 2015

Haltet ein!


Werte Lesehäschen, Wahlkampf ist. Woran ich das erkannt habe?

Richtig: Am Stopp. Ohne wenigstens eine Aufforderung, einem Dativ Einhalt zu gebieten, wäre hierzulande kein Wahlkampf komplett. Die Wahlkampfheadlinetexter wollen mitteilen, dass ihr Kandidat bereit ist, etwas Unerfreuliches aufzuhalten. Und weil sie auf dem Weg in die Wahlkampfzentrale an der Kreuzung halten mussten, schreiben sie „Stopp“. Schließlich hat das Stoppschild auch ihrem Fortkommen Einhalt geboten. Man muss das verstehen: In den Zentralen summt und brummt es, Entscheidungen werden getroffen, Praktikanten legen den Grundstein für eine Zukunft voller Karriere, Weltverbesserung und Aufwandsentschädigungen. Zuckerln werden gewickelt, Pressekonferenzen geplant, Reden geschrieben, Härchen gezupft. Niemand hat Zeit, einen zweiten Blick auf die Wahlwerbemittel zu verschwenden.

Diesmal ist es die ÖVP Wien, die uns mit mit Dreiecksständern erfreut, auf denen in dicken Lettern steht:

Stopp den Autofahrer-
Schikanen.

Der Zeilenumbruch verleiht der Sache natürlich besondere Pikanterie, aber auch so wirft die Headline etliche Fragen an den ÖVP-Spitzenkandidaten, Herrn Juraczka, und seinen Stab auf. Die drängendste  - wir sind ja in Wien – lautet: 
„Seit wann samma per Du?“ 
Denn eigentlich müsste es ja heißen „Stoppen Sie den Autofahrer-Schikanen“, oder?
Und wer ist der Herr Schikanen. Ist er wirklich ein dermaßen schlechter Autofahrer, dass er es sich verdient hat, auf diese Weise an den Pranger gestellt  zu werden?
Doch halt: Da gibt es ja einen Bindestrich. Es handelt sich offenbar nicht um einen Autofahrer namens „Schikanen“, sondern um etwas namens „Autofahrer-Schikan“, das da gestoppt werden soll.
Auch nicht? Eh nicht. Die Wurzel der Probleme liegt im „Stopp“. Wie viele Kampagnen hat es nicht schon verunstaltet, weil so schwer zu klären ist, was dieses Stopp für ein Viehzeug sei!
Denn offenbar ist es kein Imperativ, dem der Apostroph (fürs fehlende e am Schluss) abhanden gekommen ist. Imperative funktionieren nämlich nicht so. Vielmehr müsste etwa dastehen „Stopp, Autofahrer-Schikanen!“.
Aber was ist das Ding dann? Etwas Merkwürdiges, so viel steht fest. Eventuell wird „Stopp“ hier als Substantiv gebraucht, aber nicht im üblichen Sinne von „Zwischenhalt“, „Fahrtunterbrechung“, sondern als Synonym von „Einhalt“. Dazu verlockt der vom „Stopp“ anscheinend regierte Dativ – man gebietet dem Dativ (dir, den Flüchtlingen, dem Alkoholmissbrauch) Einhalt, also wird „Stopp“ wohl auch den Dativ verlangen.

Hier stoßen wir alsbald auf zwei Probleme. Erstens sind Einhalt und Stopp wohl bedeutungsverwandt, aber noch lange nicht synonym. Zweitens hängt der Fall in dem Feedbackstrom Einhalt gebieten in Wahrheit nicht vom Einhalt ab, sondern vom gebieten: Ich gebiete dir, die Kundenkorrekturen umzusetzen, wie fragwürdig sie auch sein mögen.
Ein Substantiv ist dieser Stopp also nicht. Vielleicht eine Interjektion? Nach heutigem Verständnis kommt das nicht in Frage, aber Johann Christian August Heyse unterscheidet in seinem Ausführlichen Lehrbuch der deutschen Sprache von den heute noch gängigen „eigentlichen“ Interjektionen die „uneigentlichen“.
Erstere, wie O!, Hurra!, Autsch! haben mit Fällen nichts am Hut. Sie bilden selbst keine und verlangen auch keine von anderen, sind überhaupt sehr genügsam und leben von einem Wurstbrot täglich wie der burgenländische Museumsaufseher bei Thomas Bernhard.
Den „uneigentlichen Interjektionen“, so Heyse, kann zwar ein bestimmter Fall anhängen, wie bei Heil oder Wohl (dir). Heyse besteht aber darauf, dass dies durch das mitzudenkende, hier nur nicht ausgesprochene sei gerechtfertigt ist – Heil sei dem verständnisvollen Kunden. Damit ist auch offensichtlich, auf die dünnem Eis sich bewegt, wer hier von Interjektionen sprechen will.
Fazit: So geht das nicht weiter. Das Stoppschild ist nicht mit dem aufgedruckten Wort identisch. Da gibt es nur eine Lösung: Schluss mit diesem Stopp, Weg damit, Kein Stopp mehr. Die Verwirrung ist an Kreuzungen und Wahlurnen so schon groß genug.