Freitag, 18. März 2016

Rechts geschrieben

Ich bin ja politisch weitgehend ahnungslos. Der letzte Politiker, der mich zu fesseln vermochte, war Fred Sinowatz, der einst ein Veranstaltungslokal mit den Worten eröffnete, er wisse nicht, was er da eröffne, aber er eröffne es. Anlässlich des bundesdeutschen Wahlsonntags habe ich aber ein bisschen gegooglet, was die AfD so äußert. Über die AfD weiß ich ja nur, dass ihr Mitbegründer Bernd "Zauberlehrling" Lucke schreiend davongelaufen ist, als ihm klargeworden ist, was für einem Besen er da Leben eingehaucht hatte.
Nun stellt sich natürlich die Frage: Wie halten es die AfD-Rechten mit ihrer Muttersprache? Von den österreichischen Hütern abendländischen Volkstums wissen wir ja, dass ihre Liebe zum Deutschen unerwidert bleibt, weil sie es für einen inspirierten Anmachspruch halten, der Sprache unter den Rock zu greifen (ja, diese Formulierung habe ich von Karl Kraus geklaut, weil sie zu gut ist, um sie hier nicht anzubringen).
Und die AfD? Gleich vorweg: Über das Deutsch der AfD zu kolumnieren heißt, tiefhängende Früchte zu pflücken. Sehr tiefhängende sogar. Aber bevor sie schlecht werden, greife ich doch zu. Alsdann:
Vorstandsmitglied Alice Weidel berichtet von einer Wahlveranstaltung in Baden-Württemberg, die von jemandem gestört wurde: Auf die Aufforderung, dies über Gebühr zu unterlassen, wurde er gewalttätig. Ohne den Mann pauschal verteidigen zu wollen: Ich verstehe, dass jemand hinhaut, wenn er zu hören bekommen hat: „Unterlassen Sie das über Gebühr.“ Was soll denn das heißen? Hatte er sich untergebührlich verhalten?
Frau Weidel hatte aber andere Sorgen, weil anscheinend eine Zeitung die AfD-Wahlveranstaltungshinweise trotz vorheriger Zusage nicht mehr abdrucken wollte. Dies lasse „um unseren gesellschaftlichen Zustand tief blicken“. Wir ersehen daraus, dass man bei der AfD einen günstigen Knick in der Optik hat, der es gestattet, um Dinge herumzublicken, und dann auch gleich in die Tiefe. Ich stelle mir das sehr praktisch vor.
Nicht so recht in die Tiefe blickt man hingegen, wenn es um die Zukunft der Finanzpolitik geht.  Die Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen sagen wohl klipp und klar: Die AfD wird alles daran setzen, dass diese fatale Politik so nicht weitergeführt wird.“  Doch wie sie die fatale Politik weiterführen wollen, wenn nicht „so“ – das haben sie bisher nicht verraten. Leider fehlt ihnen offenbar die Entschlusskraft, mit der fatalen Politik einfach aufzuhören und stattdessen eine gescheite Politik zu machen.
Vielleicht ist ihnen etwas Benebelndes zu Kopf gestiegen, steht doch in derselben Presseaussendung etwas vom „momentanen deflatorischen Druck“ infolge des Ölpreisverfalls. Vielen Dank an die AfD für diese Bereicherung der Sprache um ein Wort, das uns bisher – obacht, mieses Wortspiel! – abging. Deflatorisch ist offenbar vom Flatus, dem Darmwind, abgeleitet. Von der Deflation kann deflatorisch nicht stammen, weil die ein i mittendrin hat, auf dessen Tüpfelchen herumzureiten sich in diesem Fall auszahlt. Wir alle wissen nur zu gut, wie es sich anfühlt, wenn es nicht gelingen will, sich eines solchen Flatus zu entäußern (worauf die Vorsilbe de- verweist): Das drückt. Selbst gestandene Sozialdemokraten haben die Befreiung davon schon mit den Worten „Der druckt mi nimmer!“ kommentiert. Der deflatorische Druck in Finanzkreisen dürfte also daher rühren, dass der gesunkene (bzw. von den Saudis gesenkte) Ölpreis nach Ansicht der AfD ein Schas ist, der Deutschland schwer im Darm liegt.
Wer davon so um den Schlaf gebracht wird wie Frauke Petry, der kann man auch nachsehen, dass sie sich in Sätzen verliert wie diesem: „Dass ihm [nämlich Erdogan] jetzt wieder eine Beitrittsoption eröffnet wird, ist glasklar eine Vorleistung, um den Handel perfekt zu machen.“ Aha? Zuerst ist es eine Vorleistung, dann kommt der Handel, aber mit der Vorleistung ist der Handel schon perfekt? Glasklar!
Klarer jedenfalls als die europäische Geographie für den stellvertretenden AfD-Sprecher Alexander Gauland, der unter dem Thema Hilfe für unsere kleinen Nachbarstaaten mehr Unterstützung für Mazedonien fordert. Oder ist hier ein Eroberungsfeldzug nach Südost bereits mitgedacht? Notfalls wird Frau Petry halt wieder kalmieren: „Herr Gauland hat das nicht so wörtlich gemeint.“  Leider hat sie nachgesetzt: „Natürlich ist eine Krise, die das Land in den Grundfesten zu erschüttern droht, kein Geschenk, sondern erschüttert jeden Menschen, der sich um unser Land sorgt.“ Damit ist immerhin bewiesen, dass sie sich im Internet auskennt, das in diesem Fall geschrieben hätte: „Erschütternde Krise ist erschütternd!“, und zwar auch schon, wenn sie noch nicht erschüttert, sondern dies erst zu tun droht.
Fazit: Nach einem halben Stündchen Recherche befürchte ich, dass die AfD nicht nur eine Alternative für Deutschland sein will, sondern auch eine Alternative zum Deutschen. Da kann ich nur noch einmal Frauke Petry zitieren, die im Standard-Interview gesagt hat: Es würde mich besorgen, wenn es so wäre. Das Witzchen mit besorgen macht ihr, teure Lesehäschen, bitte jedes für sich. Ich will mir an der Dame bestimmt nicht die Finger verbrennen.
PS: Die Zitate stammen, mit Ausnahme des letzten, aus dem Pressebereich der AfD-Webseite.

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