Freitag, 24. Juni 2016

Alleinstellungsmerkmal


Es muss, Lesehäschenschaft, etwas geschehen. Die Kolumne treibt orientierungslos dahin, dem Wind und den Wellen des Tagesgeschehens und eines launenhaften Kolumnators ausgeliefert. Dabei hat Blog doch mit dem Logbuch zu tun, dessen gewissenhafte Aufzeichnungen über die Geschwindigkeit, mit der das über Bord geworfene Scheit (das Log eben) davontrieb, einst in der christlichen Seefahrt dazu beitragen sollte, dass die furchtlosen Schiffer ihr Ziel erreichten. A propos: Schreiben Identitäre eigentliche Blogs, oder schnitzen sie Netzscheiter?  Was meint die Log Lady aus Twin Peaks dazu? Und wird das neue Twin Peaks so unmenschlich großartig, wie meine in den 90ern erwachsen gewordene Seele es ersehnt? Wohl nicht.

Wo waren wir? Genau: Dieses Stück Internet braucht Linie, Herrschaften! Sudern über die Bildungspolitik, bisschen die AfD necken, dazwischen halbseidene Sprachbetrachtungen – so wird das nie marktfähig. Gesucht: Das kleine Thema für die rasch besetzte Nische.

Gefunden: Der Tschickstummelblog.

Jawohl, so machen wir das. Ab sofort widmen wir uns hier der Restzigarette aus jedem Blickwinkel. Zwar produziere ich keine mehr davon, habe aber mein diesbezügliches Pensum längst erfüllt.

Nun denn: Tschickstummel. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass ich einst in Disneyland ausprobiert habe, wie viel Zeit durchschnittlich verstreicht, bis ein weggeworfener Tschickstummel von beflissenem Mauspersonal entsorgt wird. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur anführen, dass es damals noch keine Smartphones gegeben hat, was zur Folge hatte, das die Leute sich miteinander beschäftigt bzw. mit Hilfe weggeworfener Tschickstummel einander funktionieren lassen haben. Das rührt an die Tschickstummelgrundfrage: Ist es eigentlich schlimm, einen Tschickstummel auf der Straße wegzuschmeißen? Ich weiß, die MA48 hat dazu einen klaren offiziellen Standpunkt. Allerdings hat die MA48 (für die Fernhäschen unter euch: die Wiener Müllabfuhr) auch einen klaren offiziellen Standpunkt zu der Frage, ob auf Gehsteigen Hundescheiße herumliegen darf. Da kann ich nur sagen: Beides probiert, kein Vergleich. Mit Kaugummi es ist ähnlich, nur weniger dramatisch. Solange man kein Schuhwerk mit leicht entzündlicher Sohle trägt, ist ein glosender Tschickstummel im urbanen Raum eine vergleichsweise harmlose Vandalismusvariante.  Anders ist es freilich in empfindlichen Ökosystemen, die Jahre brauchen, um sich von einem unbedachten Fußtritt zu erholen. Da will man nicht mit einem Marlbororestl den sinnlos zürnenden Gott spielen.

Soviel zu den aktuellen Tschickstummelnews. Nun zu den Abschweifungen der Woche, a.k.a.  „Werbung, die mir Rätsel aufgibt“, denn nur Tschickstummel ist auf Dauer doch etwas eintönig: Da haben wir auf Platz 1 (wir machen es heute nicht so spannend, die EM ist eh arg genug) das aktuelle Plakatsujet des CS Hospiz Rennweg. Es zeigt vor blauem Himmel einen fußballbeschuhten Fuß, der einen herzförmigen Ball wegzukicken im Begriff ist, mit der Headline 1:0 für die Menschlichkeit. Seit ich es zum ersten Mal gesehen habe, frage ich mich, inwiefern man mit Tritten gegen ein Herz für die Menschlichkeit punkten kann. Da ich im Gegensatz zum Schöpfer des Sujets nicht der Doyen der österreichischen Charity-Werbung bin, weiß ich es leider nicht, freue mich aber über klärende Worte.

Auf Platz 2 hat es die Crodino-Tante geschafft, die derzeit in zahlreichen Citylights für den alkoholfreien Apero Crodino wirbt. Unterstützt von dem Claim Nur zum Spaß spritzt sich das Model aus einem Siphon Sodawasser nicht etwa ins appetitlich kondenswasserüberzogene Glas, sondern ins Gesicht. Was dieses Sodawasser-Bukkake (wer das bisher nicht gegooglet hat, sollte es auch weiterhin bleiben lassen, besonders am Arbeitsplatz) mit nichtalkoholischem Sprizz-Genuss zu tun hat, bitte ich mir ebenfalls gelegentlich vorzuhopsen. So kleinlich kann ich sein. Schönes Wochenende!

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