Freitag, 17. Juni 2016

Verwendungszweck

Lassen wir das, teure und schöne Lesehäschen. Schweigen wir von Herrn Gaulands Ansichten darüber, wenn die Deutschen gern als Nachbarn hätten. Ich für mein Teil hätte am liebsten überhaupt niemanden in Rufweite, wenn es die Sorte Nachbarn sind, deren lagergeschädigte Wärmepumpe mir ständig die Ohren vollbrummt. Schätzbare Nachbarinnen hingegen, die sich mit meiner Nachkommin gut vertragen und bei einem Bier etwas zu erzählen wissen, die dürfen gerne auch mal in den Lüftungsschacht pofeln, das geht schon in Ordnung.
Ein noch tieferes Schweigen breite sich über die Wahlanfechtung der FPÖ. Den Witz mit Blauwählern, Briefwahl und Alphabetisierungsquote macht bitte jemand anderer.
Kürzlich ist mir eine Frage begegnet, die mir weit interessanter scheint. Ich hatte ungefähr geschrieben, dass Weißwähler viel Zeit auf die Entscheidungsfindung verwenden. Das erfreulich kompakte Feedback enthielt den Wunsch, sie möchten diese Zeit für die Entscheidungsfindung verwenden. Denn das bedeute ja dasselbe.
Wirklich? Mir scheint, „verwenden auf“ sei die gängigere Formulierung, wenn das Verwendete nicht zählbar und nach der Verwendung dahin ist. Auf etwas verwenden wir also meist Mühe, Zeit, Geld oder Ähnliches. (Nein, Lesehäschen, Geld wird in der Regel nicht gezählt. Wir zählen Euros oder Dublonen, nicht aber ein Geld, zwei Gelder und so weiter. Selbst Lire haben wir ja damals nicht gezählt, sondern eher die Bündeldicke geschätzt, wie wir es in Goodfellas gelernt hatten, nur weniger cool.)
Für hingegen leihe sich, ebenso wie zu, leichter, wenn die Nutzung eines Werkzeugs beschrieben wird: Wir verwenden einen Kamm für die Fellpflege, eine Bürste für die Flaschenreinigung, eine Schere für die Nägel, aber auch Geld für die Miete, evtl. auch für ein Projekt. Ich rate aber davon ab, Geld auf die Miete, auf Essen oder ähnliches zu verwenden. Auf scheint mir ein Moment der Planung und des Risikos zu enthalten, die Miete oder Essen nicht mitbringen. Das ist natürlich nicht damit zu verwechseln, dass ich mich für dich verwende, damit du nachher aus dem Schneider bist (falls du zum Beispiel beschuldigt wirst, deinem Nachbarn ins Beet gepinkelt zu haben, weil dich seine Wärmepumpe genervt hat).
Soweit ich, neulich. Aber stimmt das überhaupt? Und was ist mit den restlichen Präpositionen, die uns mit „verwenden“ begegnen, allen voran zu und an? Spontan hätte ich gesagt, verwenden zu ähnelt verwenden für, indem es die Nutzung eines Werkzeugs beschreibt. Ich verwende die Tastatur zum Tippen, das Hirn zum Denken und die Verschwörungstheorie zur Erklärung des Wahlergebnisses. Verwenden an ähnelt stark verwenden auf – man verwendet Zeit an eine Aufgabe oder Geld an ein Projekt. Aber was sagen die Autoritäten?
Sparen wir uns die dünnen Süppchen, die Wiktionary oder Duden kochen, stürmen wir gleich das All-you-can-Semantik-Buffet der Grimms:
Auch sie kennen verwenden schon in der Bedeutung benutzen/gebrauchen/aufwenden. Und siehe: Sie listen säuberlich die jeweils kombinierten Präpositionen auf. Als zum Beispiel: an (aber nur, wenn es um Geld oder Besitztümer geht); zu ebenfalls von Geld, Duden bezieht sich also offenbar auf einen älteren Sprachgebrauch. Dann gibt es noch auf und an, ebenfalls von Geldern, seltener von Mühe, und natürlich für – auch da geht es meist um Geldmittel. Auf etwas, manchmal auch an oder zu etwas, verwendet man zu Grimmschen Zeiten gern für ebendiese – die Zeit oder die Sorge, mitunter die Kräfte, die Fantasie.
Material und Werkzeug verwenden die Brüder zu, seltener an oder auf etwas. Die Nutzung von Werkzeugen als verwenden ist offensichtlich jüngeren Datums. Merkwürdig, dass die im Deutschen Wörterbuch am seltensten genannte Präposition für uns heute gerade am geläufigsten ist.
In aller Kürze: Mit verwenden für kann man wenig falsch machen. Nur wenn es um Zeit oder Mühe geht, sind wir mit auf eleganter unterwegs.
Soviel dazu. Jetzt muss nur noch irgendeine EM-Mannschaft endlich mal so spielen, wie ich getippt habe.

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