Freitag, 1. Juli 2016

Fumer noir

Welcome, Bienvenue und herzlich Willkommen zurück bei BamF, der Heimat aller tschickstummelrelevanten Überlegungen, Betrachtungen und Informationen! Die Frage zum Tage lautet, ob der Umgang mit Tschickstummeln Schlüsse auf größere gesellschaftliche Zusammenhänge zulässt. Raymond Chandler ließ seinen Philip Marlowe einst konstatieren, dass ein bestimmtes Hotel von seinen Gästen in puncto Lebensart so gut wie nichts erwarte, weil nämlich in den Zimmern auf jeder horizontalen Oberfläche ein Aschenbecher zu finden sei.
Ich denke, dass der alte Phil sich da heute schwerer täte. Der bloße Mangel an Tschickstummelrezeptakeln sagt noch gar nichts über die kulturelle Stufe, auf der die Geschäftsführung ihre Klientel anzutreffen hofft. Es sagt bloß, dass sich heute nur noch so harte Hunde beziehungsweise vaterlandslose Gesellen in einem Nichtraucherzimmer zu rauchen trauen, dass Asche auf dem Teppich danach sicher das geringste Problem fürs beflissene Servicepersonal ist. Rock’n’Roll!
Noch in meiner Kindheit war das anders. Sogar in meinem nie und niemals berauchten Elternhaus gab es den einen oder andern Aschenbecher. Dass sie nicht benützt wurden, steht auf einem anderen Blatt. Keine Aschenbecher (echt!) gab es hingegen (und da reden wir von diesem Jahrtausend) auf der Straße. Tschickstummel wurden im öffentlichen Raum weggeworfen und in der Regel ausgetreten. Darüber beschwerte sich niemand, weil es, wie kürzlich schon angedeutet, reichlich Dinge gibt, in die man noch viel weniger hineintreten will. Einen Tschickstummel nahm man gar nicht wahr.
Heute hingegen sind Aschenbecher zwar in den Wohnungen rar geworden (vermute ich zumindest), dafür ist der öffentliche Raum damit überreich versehen. Denn wir haben ein Stadium erreicht, wo uns Tschickstummel auf der Straße stören. Ich erinnere mich dunkel an meinen ersten Besuch in Zürich, vor ungefähr 25 Jahren. Damals schien mir jene Metropole im Vergleich zu Wien geradezu aufdringlich geschleckt, ein Disneyland des gehobenen Kapitalismus, in dem nur Bentley-Schlüsselanhänger in Goldbarrenform den Fingernagel auf der Schultafel gaben. Heute hat sich das alles eingeebnet, und wir entsorgen Tschickstummel auch in Wien in entsprechende Anbauteile der öffentlichen Mistkübel. Wie ich kürzlich munkeln habe hören, steht diesen ein Redesign bevor, weil es nämlich aus ihnen ungebührlich stark herausraucht. Jaja, wenn man mit so etwas einmal anfängt, kann man nicht mehr aufhören, das ist wie Putzen. Da sieht man dann auch nicht, wie sauber es in diesem Zimmer ist, sondern wie schmutzig das benachbarte.
Ach ja, das Chandler-Zitat lautet: [E]verything you could put a drink down on had a plate glass top and there were nineteen ash trays spotted around. A hotel room is a pretty sharp indication of the manners of the guests. The Ritz-Beverly wasn't expecting them to have any. Damit sind wir wieder bei der Frage zum Tage angelangt: Was lässt sich aus der flächendeckenden Ausrüstung der Stadt mit Aschenbechern auf die Mutmaßungen der Verantwortlichen betreffend die Manieren, die uns Stadtbenützern eignen, schließen?
Halten sie uns für hinreichend wohlerzogen, um die dargebotenen Tschickstummelschlucker auch zu nutzen?
Oder sind wir in ihren Augen so hoffnungslose Lumpenhunde, dass man uns alle Naslang einen Aschenbecher hinstrecken muss, damit wir die Stadt nicht anzünden? Haben qualifizierte Mathematiker ausgetüftelt, wo die Grenze der Aschenbecherdichte liegt, unterhalb welcher die Tschickstummel dann eh wieder auf der Straße landen? Vor allem auch: Die öffentlichen Aschenbecher wurden ja an die vorhandenen Mistkübel montiert. Ist der durchschnittliche User bereit, einen zu entsorgenden Tschickstummel ebenso weit zu tragen wie, sagen wir, ein gebrauchtes Taschentuch? Gibt es da Studien? Fragen über Fragen. Klar ist nur: Im Vergleich zum Ritz-Beverly Hotel ermangelt Wien ausreichender Flächen zum Abstellen unserer Drinks.

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