Heute haben wir keine Schwierigkeiten mit der deutschen
Sprache, sondern mit Rechnen.
Nämlich mit diesem Kindergartenverein
Alt-Wien. Mir kommt die Geschichte vor wie die Textbeispiele, von denen
Dumpfbacken immer gern berichten, dass sie die schon in der zweiten Klasse
nicht kapiert haben. Nur dass diesmal ich die Dumpfbacke bin.
Einschub für alle Ferneren: Der Verein Alt-Wien betreut in rund
30 Wiener Kindergärten etwa 2.300 Kinder. Aber nicht mehr lange. Der Betreiber soll
von 2009 bis 2014 6,6 Millionen Euro Fördergelder nicht für den
Kindergartenbetrieb, sondern etwa zur Renovierung von Immobilien verwendet haben.
Die Kindergärten werden in Kürze schließen.
So weit, so rätselhaft.
Denn ein Vollzeit-Kindergartenplatz wird mit rund € 220,-
pro Monat gefördert. Sagen wir insgesamt großzügig fünf Millionen pro Jahr,
denn für kleinere Kinder ist die Förderung höher. Vermutlich stellen diese
Fördergelder die einzige gröbere Einnahmequelle des Vereins dar, denn welche
anderen Quellen sollte es schon geben?
Für die Betreuung der 2.300 Kinder sind mindestens 135 Pädagoginnen
und Pädagogen nötig, realistisch sind wohl eher 200.
Wir haben also 200 Personen, die von fünf Millionen Euro
bezahlt werden. Das macht € 1.780,- brutto pro Monat, und damit haben wir schon
etwas Wichtiges über Kinderbetreuung in Österreich gelernt, nämlich, dass eine
Kleinkindpädagogin nicht annähernd die Hälfte dessen verdient, was die Stadt
Berlin einer Volksschullehrerin als Einstiegsgehalt zugesteht. In Wirklichkeit
ist es natürlich empfindlich weniger, weil die Fördermittel nicht nur für
Personalkosten aufgehen.
Und die Hinterziehung? Wenn die Fördergelder über Zeit und
Personal gleichmäßig abgezweigt wurden, dann fehlen pro Jahr etwa 1,1
Millionen, oder für jede Pädagogin €
5.000,-.
An diesem Punkt bin ich ratlos. Wie sorgt man dafür, dass
jemand stillhält, wenn man ihr von weniger als € 1.800 brutto € 350,-
vorenthält? Monat für Monat? Und das sechs Jahre lang? Chloroform? Wurden hier
bereits Verstorbene auf die Gehaltsliste gesetzt? Das lässt sich doch kein
Mensch gefallen, der noch bei Bewusstsein ist!
Und wenn die Gelder nicht dem Personal vorenthalten wurden,
sondern zum Beispiel den Vermietern? Dann hätten die Hausverwaltungen von 30
Immobilien ein Auge zugedrückt, als ihnen € 3.000 nicht bezahlt wurden. Jeden
Monat. Sechs Jahre lang.
Also, ich würde meine Hausverwaltung als recht langmütig
einstufen (einer ihrer wenigen Vorzüge), aber da, Herrschaften, würde mir dann
auch einmal der Exekutor den Vogel
zeigen, nämlich den sogenannten Kuckuck.
Natürlich könnte das Geld zur Bezahlung von Mieten und
Gehältern auch woanders hergekommen sein. Von einer Bank zum Beispiel. In dem
Fall hätte ich als finanziell unkreativer Michel aber gleich einen Kredit für
die Immobilien aufgenommen und die Fördergelder widmungsgemäß verwendet.
Falls die 6,6 Millionen tatsächlich hinterzogen wurden, gibt es
nur ein einziges realistisches Szenario: Bei Alt-Wien hat man vorausschauend
einen Drogenring, eine Müllentsorgung in New Jersey oder etwas in der Art hochgezogen,
um die Hinterziehung der Fördergelder überhaupt erst vorfinanzieren zu können. Da tun sich Abgründe auf!