Verehrte Lesehäschen, gerne stelle ich mir vor, wie ihr euch
allfreitäglich die BamF reinpfeift, andächtig,
frisch gewaschen, und überhaupt so, wie gut euch schuf: mit nichts als eurem Lesehäschenfell an. Denn Lesehäschen
sind reinen Herzens, da darf man ruhig das Fell sehen und sich nichts dabei
denken.
Dass das nicht so sein muss, wissen wir. Gern wird in
letzter Zeit über verhüllte Frauen diskutiert, und da reden wir nicht vom
Kopftuch, sondern von der Tschador-Niqab-Kombi,
für deren Trägerinnen ein Freund vor vielen Jahren den ebenso bild- wie
boshaften Ausdruck „Barbapapas“
geprägt hat. Das ist nicht nur leichter zu merken als die Unterschiede zwischen
Hidschab, Tschador, Niqab und Burka. Es gibt uns auch einen Hinweis
auf die semantische Schlüpfrigkeit, die sich eine anwesende, aber unsichtbare
Person anverwandelt, aber davon später. Denn die verhüllte Frau ist ja nicht
nur verhüllt, wenn sie dir auf der Straße begegnet, sondern auch, wenn du sie
zum Beispiel interviewst, mit ihr eine Proseminararbeit schreibst oder über das
korrekte Ankreuzeln bei der Wahl des Bundespräsidenten diskutierst. Nur
diskutierst du nicht mit ihr, sondern mit einer sprechenden Stoffbahn. Ohne Mimik und mit wenig
Körpersprache.
Katholiken meines Jahrgangs erinnern sich an die Beichtstühle von einst, mit dem
Sichtschutz zwischen Beichtkind und –vater. Keiner sollte das Gesicht des
andern so genau sehen. Das Gespräch mit einem verhüllten Menschen stelle ich
mir genauso vor, nur halt einseitig: für dich ein Telefonat, für die Verhüllte ein Gespräch zu Angesicht (aber eben nicht von).
Natürlich hat dieser unfaire Vorteil den Nachteil, dass er dem
Gegenüber von vornherein klar ist und man es daher möglichst vermeiden wird,
sich mit verhüllten Menschen auf eine Diskussion einzulassen, in der es um
etwas geht. Wenn es aber einmal so weit ist, dann verleiht so eine Tarnkappe bestimmt Superkräfte.
Kampfrhetorik ist nur so stark, wie der Kampfrhetor seinen Gegner lesen kann.
Kurz gesagt: Hätte van der Bellen
sich vor jenen Diskussionen, an die wir so ungern zurückdenken, rechtzeitig
eine Burka übergestülpt, dann hätte Nobsi
bestimmt dumm aus der Wäsche geschaut.
Merkwürdig scheint mir auch die Logik der Verhüllung: Die
Vollverschleierung, darüber sind sich alle einig, ist ein Mittel der
Unterdrückung. Zwar dient sie vordergründig dazu, die Frau vor der
unkontrollierbaren Sexualität der Männer zu schützen (die die Frau, mit deren
unverborgenen Reizen konfrontiert, umstandslos bespringen würden). Damit geht
aber natürlich einher, dass die Frau aus der Öffentlichkeit entfernt wird, die
den Männern damit allein bleibt. Die Verhüllung ist also politisch, doch ebenso
politisch kann, mit umgekehrtem Vorzeichen, die Enthüllung sein: Während die
islamische (oder, wenn man Fachleuten glauben darf, unislamische) Verhüllung
dem Schutz der Frau vor dem hemmungslosen Mann dienen soll, befreite frau (hier
einmal unverzichtbar!) sich in den 70ern vom BH und entsorgte damit auch gleich ihren Objektcharakter als
Lustziel des Mannes, der ein Stimulans vertragen konnte, um sexuell in die
Gänge zu kommen, har-har. Ob frau
sich die Burka über- oder den BH wegwirft – in beiden Fällen wird dem Begehren
des Hodenkartells getrotzt. Politik,
scheint mir, ist echt kompliziert, und Kleidung auch. Sogar Burkas sind
komplizierter als vermutet. Wusstet ihr, dass es Burkas nicht nur in Ist-dieses-Kleid-weiß-und-gold-oder-schwarz-und-Blau
gibt, sondern auch in Gelb, Grün und Weißdergeier? Guckt ihr auf Amazon, kriegt ihr Bescheid.
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