Freitag, 27. Januar 2017

Vorlaufzeit

Habe ich, o teure Lesehäsinnen und -häschen, schon einmal erwähnt, dass das mit der Erziehung eine schwierige Sache ist? Beziehungsweise: Eh, aber.
Nämlich ist man bemüht, seinen Spross frühzeitig auf die Qualitätsschiene zu steuern, damit die o! so knapp bemessene Lebenszeit umso freudvoller genützt werde. Was quassle ich da? Ganz einfach: Es ist eh okay, sich ab und zu Dosenravioli oder einen Käsekrainerhotdog in die wohlgestalte Figur zu pressen. Man sollte das aber als den derben Genuss nehmen, der es ist, und entsprechend würdigen. Damit das gelinge, muss man wissen und geschmeckt haben, dass es auch Carpaccio gibt, Räucherforelle, selbstgemachte Gnocchi oder selbst eingekochtes Chutney.
Man ist also bestrebt, das Kind mit kulturellen Hervorbringungen zu eichen, die von der Zeit schon erfolgreich auf die Probe gestellt worden sind. Man stopft den Nachwuchs mit hochwertigem Zeug voll, damit er die Qualität der nachrückenden Neuware beurteilen kann. Wer die Goonies oder Zurück in die Zukunft oder auch Der Clou kennt, wird über Harry Potter und der Stein der Weisen vielleicht, nein: hoffentlich anders denken als jemand, die mit einer Diät aus Disneyfilmen der letzten sechs Jahre noch nicht groß, aber größer geworden ist. Das Problem ist, dass ganz von selbst ein Zielkonflikt entsteht. Denn es gibt immer mehr von den Dingern. Von den kulturellen Meilensteinen, meine ich.
Daher muss man sich irgendwann fragen, ob es genug ist. Hat der Nachwuchs jetzt schon ausreichend Lindgren, Hitchcock, Falco intus, um bei Thomas Brezina oder Seiler & Speer nicht begeistert auszurasten? Oder hat es vielleicht in den 40ern noch viel tollere Filme gegeben, die unsereins nur nicht auf dem Radar hat, weil das Sonntagnachmittagsfernsehen halt eher erst nach 1950 eingesetzt hat? Oder in den 1930ern? Gar den 1920ern? Mit Musik und Büchern ist es natürlich noch schlimmer, denn die wurden glaubich schon 1830 erfunden, oder so. Man könnte ein ganzes Leben damit verbringen, sich anhand der Klassiker auf die jüngsten eventuellen Großtaten in Literatur und Film vorzubereiten, ohne jemals bis zu diesen vorzustoßen. Das wäre blöd, denn es könnte einem ja doch was entgehen, der Erfahrung zum Trotz, dass früher alles besser war. Es verkompliziert die Sache, dass man ja nicht weiß, wieviel Zeit einem noch bleibt. Mir zum Beispiel gibt die Statistik Austria noch knapp 34 Jahre. Doch dieser Wert wird mit der Zeit steigen. Hätte ich von den 34 Jahren bereits 30 hinter mir (und wäre also 30 Jahre älter), dann gestünde mir die Zahlentafel nicht noch vier Jahre zu, sondern elf. Wer bereits bewiesen hat, dass er länger lebt, bei dem ist zu erwarten, dass er nicht so bald damit aufhört. Wäre ich 40 Jahre älter, dann blieben mir noch fünf, und wäre ich schon 99, dann hätte ich statistisch immer noch zwei Jahre vor mir. Aber natürlich kann einem jederzeit ein statistisch unerheblicher Dachziegel auf den Kopf fallen, und dann ist die ganze schöne Planung perdu. Da hilft nur eines: Vertraue darauf, dass du ein langlebiges Kind hast, und weide dich an seinem Gemotschker, weil es sich schon wieder mit dir unverlierbare Kulturschätze reinpfeifen muss, anstatt sich bei Bibi und Tina wegzukudern.

Freitag, 20. Januar 2017

Komödie im Alter


Meine hochverehrten Lesehäschen und ganz besonders auch –häsinnen, auch wenn es schwer glaubhaft scheint, so wird euer sehr ergebener Zweckdichter doch nicht jünger. Neben diversen Wehwehchen, auf die einzugehen nicht lohnt, geht mit steigendem Alter nicht nur bei mir eine schwerer zu entfachende Begeisterung für kulturelle Hervorbringungen einher. Ob das jetzt eine neue Platte von einer Band ist, die euch einst vom Sessel gerissen hat, ein neuer Film in einem geliebten Franchise oder von einem verehrten Regisseur, ein neues Buch von einem der Großen seines Faches – stellt euch, ihr Jungen und Knackigen, darauf ein, dass euch solche einst in gespannter Vorfreude erwarteten Ereignisse mit anwachsenden Jahren allmählich kühler lassen werden. Stattdessen werdet ihr immer stärker auf Qualität vertrauen, die die Prüfung der Zeit bereits bestanden hat. Denn euch bleibt immer weniger davon.

Deshalb, meine Teuren, wird es immer wichtiger, sich das wirklich gute Zeug reinzupfeifen, und zwar dann, wenn man zum entsprechenden Genuss bereit ist. Doch während man mangelnder Qualität meist ausweichen kann, ist Etikettenschwindel umso ärgerlicher: Wenn zum Beispiel ichweißnichtwer, vermutlich Kritiker, Produktionsfirma und Verleih, (in einem unterirdischen Besprechungsraum, teuer, aber kühl eingerichtet, mit indirekter Beleuchtung, allen technischen Schikanen von morgen und einer fernbedienbaren Falltür, die hinab in die Skorpiongrube führt), wenn die dann also etwa übereinkommen, Toni Erdmann als Komödie zu lancieren.

Häschen und Häsinnen, ich weiß ja nicht, wie es euch geht. Aber als ich klein war, gab es dreierlei Fernsehsendungen: Erstens die Spannenden (aber nicht zu spannend, sonst war es nichts für euch), zweitens die Langweiligen, drittens die Lustigen, a.k.a. Komödien. Auch habe ich in der Schule und später im Hörsaal gelernt, dass „Komödie“ was mit „Komik“ zu tun hat, und dass es dabei gar nicht selten was zu lachen gibt. Man verstehe mich recht: Toni Erdmann ist sicher ein guter Film. Aber es greift hier sogar der nie zu oft zitierte Karl Kraus zu kurz, der meinte: [A]n den großartigsten Beispielen von deutschem Humor ist er mir als die Eigenart erschienen, keinen zu haben und für diese menschliche Schwäche ein verstehendes Lächeln aufzubringen. (Disclaimer: Er bezog sich auf die weniger als halblustigen humoristischen Übungen Goethes und Schillers, nicht aber auf meine espritsprühenden, gewitzten Kolleginnen und Kollegen aus dem Norden.)

Bei Toni Erdmann gibt es keine menschliche Schwäche und auch kein verstehendes Lächeln. Es gibt das Drama einer längst gescheiterten und nun erneut scheiternden Vater-Tochter-Beziehung, verknüpft mit scharfer Globalisierungskritik und einem toten Hund, wobei es einfach traurig ist, dass der Hund nicht mehr lebt, manchmal ist so etwas im Film ja lustig, aber selten (Marley and Me, ich sehe dich scharf an). That’s it, folks. Wer darüber lachen kann, mit dem teile ich höchstens bis St. Pölten ein Zugsabteil.

Sollte das also jemand lesen, der so etwas beeinflussen kann: Schreibt nur Komödie drauf, wenn schon mal jemand dabei gelacht hat. Und zwar jemand, der noch geschäftsfähig und nie in seinem Leben einem unserer österreichischen Kellertäter zum Opfer gefallen ist. In aller Kürze: Jeder Film, bei dem man sich beherrschen muss, um nicht irgendwas von Lachen, das im Halse stecken bleibt zu stammeln, bleibe mir vom Leibe. Ach ja, wer eine gute Komödie diesseits vom Klamauk sehen will, schaue sich Florence Foster Jenkins an. Obwohl die es auch nicht allzu lustig hat im Leben.

Freitag, 13. Januar 2017

Eliten


Lesehäschen, es ist so weit. Ich oute mich als elitistischer Problembär. Los geht’s:

Ich finde es gut, dass Höhenkammkultur in Österreich gefördert wird.

In meinen Augen stiftet das Burgtheater die österreichische Identität mit.

Wenn ihr mich fragt, tun wir Steuerzahler gut daran, uns eine der führenden Sprechbühnen deutscher Zunge zu leisten.

Schließlich haben wir uns auch die Hypo geleistet, und dafür dürfen wir fürs Foto neben gewissen deutschen Landstrichen Stellung beziehen: Über Deutschland lacht die Sonne, über Schwaben die ganze Welt. Über uns Ösis auch, weil wir doof genug waren, aus dem Fenster zu springen, nur weil Kärnten vorausgehüpft ist. Wo war ich? Genau: Wenn uns die Hypo-Milliarden nicht reuen, sollte uns das Burgtheater gleich zehnmal die paar Netsch wert sein. Einerseits und andererseits. Einerseits, weil es in den letzten Jahren zum Beispiel Prinz Friedrich von Homburg oder Onkel Wanja oder Liliom so auf die Bühne gebracht hat, wie es der Fall war. Andererseits, obwohl das auch zum Beispiel mit Pension Schöller geschehen ist. Nicht, dass ich etwas gegen Pension Schöller hätte. Aber für eine Burg-Inszenierung hätte ich mir schon eine geilere Idee erhofft als: „Wir blähen das Stück auf, dass es dreieinhalb Stunden dauert statt eineinhalb, und wir brauchen eine Szene, in der ein Schrank wackelt, damit man weiß, dass darin gerade Geschlechtsverkehr stattfindet, und außerdem wird der Text sehr gewinnen, wenn wir das Wort FICKEN einbauen.“ Der Spross eures Zweckdichters ist nunmehr nicht zuletzt dank den Österreichischen Bundestheatern umfassend aufgeklärt.



Eliten gibt es auch anderwärts, zum Beispiel in der IT-Sicherheit. Der Standard teilt mit, dass Herr Adrian Dabrowski einer der führenden österreichischen Experten auf diesem Gebiet ist. Anlass dafür ist die Nachricht, dass ein Server des Vereins „Funkfeuer“, den Herr Dabrowski mitgegründet hat, vermutlich von russischen Hackern übernommen wurde. Dies hat das FBI herausgefunden und der Presse mitgeteilt, nicht aber dem betroffenen Vereinsgründer persönlich. Der war darob ein bisschen beleidigt, denn er findet, das FBI hätte ihm ruhig schreiben können, dass sein Server sich in russische Dienste begeben hat.

Das kann ich verstehen, einerseits und andererseits. Einerseits hat das FBI hier zweifellos eine Gelegenheit sausen lassen, savoir faire und gepflegte Kinderstube zu beweisen. Andererseits – also, ich habe ja wirklich gerade so viel Ahnung von IT-Sicherheit, wie man braucht, um ein Gratis-Virenschutzprogramm herunterzuladen und zu installieren. Aber mal laienhaft dahingefragt: Merkt man das als führender IT-Sicherheitsexperte nicht selber, wenn der eigene Server plötzlich einem fremden Herrn dient? Ich zum Beispiel bin in unserem Haushalt einer der führenden Kühlschrank-User, und wenn die nachgeordneten User versuchen, das Zepter im Gemüseregal an sich zu reißen, dann staubt’s aber in der Kiste, mein lieber Schwan!

Ich vermute daher, dass es mit der Führerschaft in Sachen IT-Sicherheit so ähnlich ist wie mit der britischen Thronfolge. Dass diese sehr gründlich geregelt ist, wissen wir seit einem Interview mit Alfons Mensdorff-Pouilly, der damals anscheinend auf Platz 124 geführt wurde. Im Umkehrschluss ist klar: Wenn jemand sich darüber Gedanken macht, an welcher Stelle der Alten ihr Graf steht (die „Alte“ ist bekanntlich Maria Rauch-Kallat), dann weiß man gewiss auch von dir und mir, wer und wie viele vor uns sterben müssten (bei der Queen angefangen), damit du oder ich das Commonwealth zu regieren anfangen. Damit sind wir beide auch irgendwie Thronfolger. Nicht so Thronfolger wie Charles oder Harry, aber auch nicht viel weniger als „Ali“. Vielleicht ist es auch mit Österreichs IT-Sicherheits-Elite so. Ein bisschen gehören wir alle dazu. Nichts für ungut, Herr Dabrowski.