Freitag, 17. Februar 2017

Ja, Bildung

Das Schöne an so flauschigen Lesehäschen wie euch ist, dass man einfach man selbst sein kann. Ihr bleibt stets gleich kuschlig, wie fragwürdig man sich auch verhalten mag. Als Problembär habe ich mich ja bereits geoffenbart, weil ich nicht finden kann, dass „Elite“ unbedingt ein Schimpfwort sein muss. Aber da bleibe ich nicht stehen, oh nein: Neulich habe ich mich gefragt, wozu die Diskussionen über das Bildungssystem eigentlich gut sein sollen. Die wichtigsten Schlagworte scheinen auf der einen Seite Qualität, auf der anderen Gerechtigkeit oder Durchlässigkeit zu sein. Mit Gerechtigkeit habe ich ja so meine Schwierigkeiten, weil sie nur zu häufig als faules Synonym für Gleichmäßigkeit daherkommt. Wenn ich auf meinem Brot die Butter überall gleichmäßig dick verstreiche, habe ich der roggenen Scheibe damit weder mehr noch weniger Gerechtigkeit widerfahren lassen als mein Nachbar, der die Butter immer zu spät aus dem Kühlschrank nimmt, sodass die Streichfähigkeit zu wünschen übriglässt. Gerechtigkeit behauptet in diesen Formulierungen immer mit, dass alle Menschen gleich gut seien, was offenbar nicht der Fall ist.
Dem österreichischen Bildungssystem wird gerne vorgeworfen, dass höhere Bildungsabschlüsse hierzulande zu stark vererbt werden, dass also gebildete Eltern mit größerer Wahrscheinlichkeit Wert auf höhere Bildung bei ihren Kindern legen, bzw. größere Chancen haben, das auch durchzusetzen.
Demgegenüber seien Systeme anderer Länder durchlässiger: Die Chancen auf einen höheren Abschluss sind dort weniger stark vom Bildungsgrad der Eltern beeinflusst. Die Frage, die ich mir als jemand stelle, der einen deutlich höheren Bildungsabschluss hat als seine Eltern, ist nun: na und?
Was nutzt es, dass kleine finnische Maurertöchter eine ähnlich gute Chance haben, Diplomingenieurinnen zu werden wie kleine finnische Arztsöhne? Es ist für die Maurertöchter erfreulich, aber wer sagt, dass unter Maurernachwuchs die Gfrastsacklquote nicht deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegt? Gibt es dazu hartes Zahlenmaterial? Wenn alle ihre Abschlüsse gemacht, ihre Praktika durchgezogen, ihre Bewerbungen über die Bühne gebracht haben, dann gibt es bestimmt auch in Finnland einerseits Menschen, die S-Klasse fahren und andererseits welche mit Jahreskarte, die gern eine S-Klasse hätten, aber sich keine leisten können, mangels Ausbildung und damit Voraussetzungen für das nötige Einkommen.
Ich weiß schon: Wenn man sich schon ein Bildungssystem antut, dann doch eines, in dem die Chancen möglichst gleich verteilt sind. Jetzt muss mir nur noch jemand erklären, was Chancengleichheit bedeutet. Es gibt nämlich mehr als eine Studie, die den Matthäus-Effekt in Bildungssystemen vorgefunden hat. Er ist nach dem Matthäusevangelium benannt, wo es heißt: Wer da hat, dem wird gegeben. Und wer schon mehr weiß, der profitiert mehr von Unterricht und Fördermaßnahmen. Das heißt im Umkehrschluss: Wahre Chancengleichheit lässt sich nicht herstellen, indem man schwächere Schülerinnen fördert. Sondern man muss leistungsstärkeren Schülerinnen Bildungsmaßnahmen vorenthalten. Sonst wird ihr Vorsprung nur noch größer.
Ich frage mich zweierlei: Erstens, wie kriegen die Finnen das hin? Und zweitens, nach einem Schritt zurück und einmal leise bis 100 zählen, ist das österreichische System wirklich so schlimm? Klar, die Sache mit der Schulauswahl nach der 4. Schulstufe hat Luft nach oben. Und ich will nicht behaupten, dass eine gleichmäßigere Chancenverteilung etwas Schlechtes wäre. Ich bin aber auch nicht überzeugt, dass sie automatisch besser ist als eine ungleichmäßige Verteilung infolge elterlicher Bemühungen.  

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