Das Schöne an so flauschigen Lesehäschen wie euch ist, dass
man einfach man selbst sein kann. Ihr bleibt stets gleich kuschlig, wie
fragwürdig man sich auch verhalten mag. Als Problembär habe ich mich ja bereits geoffenbart, weil ich nicht
finden kann, dass „Elite“ unbedingt ein Schimpfwort sein muss. Aber da bleibe
ich nicht stehen, oh nein: Neulich habe ich mich gefragt, wozu die Diskussionen
über das Bildungssystem eigentlich
gut sein sollen. Die wichtigsten Schlagworte scheinen auf der einen Seite Qualität, auf der anderen Gerechtigkeit oder Durchlässigkeit zu sein. Mit Gerechtigkeit
habe ich ja so meine Schwierigkeiten, weil sie nur zu häufig als faules
Synonym für Gleichmäßigkeit
daherkommt. Wenn ich auf meinem Brot die Butter überall gleichmäßig dick
verstreiche, habe ich der roggenen Scheibe damit weder mehr noch weniger Gerechtigkeit widerfahren lassen als
mein Nachbar, der die Butter immer zu spät aus dem Kühlschrank nimmt, sodass
die Streichfähigkeit zu wünschen übriglässt. Gerechtigkeit behauptet in diesen Formulierungen immer mit, dass
alle Menschen gleich gut seien, was offenbar nicht der Fall ist.
Dem österreichischen Bildungssystem wird gerne vorgeworfen,
dass höhere Bildungsabschlüsse hierzulande zu stark vererbt werden, dass also gebildete Eltern mit größerer
Wahrscheinlichkeit Wert auf höhere Bildung bei ihren Kindern legen, bzw.
größere Chancen haben, das auch durchzusetzen.
Demgegenüber seien Systeme anderer Länder durchlässiger: Die
Chancen auf einen höheren Abschluss sind dort weniger stark vom Bildungsgrad
der Eltern beeinflusst. Die Frage, die ich mir als jemand stelle, der einen
deutlich höheren Bildungsabschluss hat als seine Eltern, ist nun: na und?
Was nutzt es, dass kleine finnische Maurertöchter eine
ähnlich gute Chance haben, Diplomingenieurinnen zu werden wie kleine finnische
Arztsöhne? Es ist für die Maurertöchter erfreulich, aber wer sagt, dass unter
Maurernachwuchs die Gfrastsacklquote
nicht deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegt? Gibt es dazu hartes
Zahlenmaterial? Wenn alle ihre Abschlüsse gemacht, ihre Praktika durchgezogen,
ihre Bewerbungen über die Bühne gebracht haben, dann gibt es bestimmt auch in
Finnland einerseits Menschen, die S-Klasse
fahren und andererseits welche mit Jahreskarte, die gern eine S-Klasse hätten,
aber sich keine leisten können, mangels Ausbildung und damit Voraussetzungen
für das nötige Einkommen.
Ich weiß schon: Wenn man sich schon ein Bildungssystem
antut, dann doch eines, in dem die Chancen möglichst gleich verteilt sind. Jetzt
muss mir nur noch jemand erklären, was Chancengleichheit bedeutet. Es gibt
nämlich mehr als eine Studie, die den Matthäus-Effekt
in Bildungssystemen vorgefunden hat. Er ist nach dem Matthäusevangelium
benannt, wo es heißt: Wer da hat, dem
wird gegeben. Und wer schon mehr weiß, der profitiert mehr von Unterricht
und Fördermaßnahmen. Das heißt im Umkehrschluss: Wahre Chancengleichheit lässt
sich nicht herstellen, indem man schwächere Schülerinnen fördert. Sondern man
muss leistungsstärkeren Schülerinnen Bildungsmaßnahmen vorenthalten. Sonst wird
ihr Vorsprung nur noch größer.
Ich frage mich zweierlei: Erstens, wie kriegen die Finnen das hin? Und zweitens, nach
einem Schritt zurück und einmal leise bis 100 zählen, ist das österreichische
System wirklich so schlimm? Klar, die Sache mit der Schulauswahl nach der 4.
Schulstufe hat Luft nach oben. Und ich will nicht behaupten, dass eine
gleichmäßigere Chancenverteilung etwas Schlechtes wäre. Ich bin aber auch nicht
überzeugt, dass sie automatisch besser ist als eine ungleichmäßige Verteilung
infolge elterlicher Bemühungen.
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