Freitag, 15. September 2017

Metaplakate

Teure Häseriche, kluge Lesehäsinnen, wir in der Wolle gefärbten Linkswähler-und-Rechtsverdiener, a.k.a. „grüne Stammwählerzielgruppe“, ich bringe euch, lange vor Weihnachten, gute neue Mär! Denn ihr wisst, euer Kolumnator ist sich für keinen Job zu schade, wenn es der Wahrheitsfindung dient: Ich habe einen Blick auf die Wahlplakate geworfen, damit euch das erspart bleibt. Das Ergebnis ist verblüffend: Die Grünen haben die beste, klügste, großartigste Kampagne der Welt geliefert.
Wenn man als Partei eine anspruchsvolle Zielgruppe anpeilt, erzeugt man damit ja eine Aporie (das ist sowas wie ein logisches Umspringbild) die den Grünen immer schon bewusst war: Frei nach Groucho Marx, der meinte, er würde niemals einem Club beitreten, der einen wie ihn als Mitglied aufnähme, ist den Grünen einerseits kein Wähler recht, der sich von Wahlplakaten beeinflussen lässt. Andererseits wird hier Parteienförderung verheizt, da muss das Wohl des Landes, also die Maximierung grüner Stimmen, im Vordergrund stehen. Deshalb gilt auch die beliebte Ausrede nicht, dass Wahlplakatkampagnen ja nur der Selbstvergewisserung der eigenen Parteikader dienten. Was tun?
Die Antwort ist genial. Man betrachte die grünen Plakatsujets und staune.
Da gibt es zum Beispiel Jedes Kind ist sehr gut. Schöner Spruch, kluges Wortspiel. Noch klüger aber ist die Zielgruppe Eltern mit schulpflichtigen Kindern. Die wissen nämlich, dass das eine fette Lüge ist: Manche Kinder sind sehr gut, manche sind sehr fies, und die meisten sind irgendwo dazwischen. Als einzige Konstante bleibt, dass die eigene Brut nie zur zweiten Kategorie gehört.
Dann haben wir Wo die Liebe hinfällt, fallen wir nicht um. Noch ein kluges Wortspiel, aber mit prekärer Verneinung und, entschuldigen, mittlerer Relevanz.
Als nächstes, und für mich das gelungenste Sujet, Kein Artenschutz für Miethaie, mit dem Bild eines Haifischs. Interessant daran ist, dass man nicht weiß, ob und wie weit die Text-/Bild-Schere hier geöffnet ist. Denn ich kenne mich mit Haien nicht aus, aber mir sieht das Viech wie ein Weißer (Carcharodon carcharias) aus, der sehr wohl Artenschutz vertragen kann.
Heißt das jetzt, dass Weiße Hai dem Kabeljau für eine Substandardbude mit indischem Klo („jenseits des Ganges“) in drittklassiger Rifflage achthundert im Monat abknöpft und womöglich vorher eine illegale Ablöse eingesackt hat?
Oder ist eine Kontrastwirkung zwischen dem schützenswerten Fisch und dem Gemeinen Miethai beabsichtigt?
Auf jeden Fall ist der Betrachter nachher gescheiter als die Macher des Plakats, und darauf kommt es an.
Dies nämlich ist die grüne Lösung für das Wahlkampagnendilemma: Jedes einzelne Sujet kommt oberflächlich brillant und wahr daher, sodass man sich nicht genieren muss. Auf den zweiten Blick tut sich ein gedanklicher Abgrund auf, sodass die denkende potenzielle Grünwählerin weiß: Die befassen sich mit Wichtigerem als mit Schmarren wie Wahlplakaten! Die kann man noch und wieder wählen! Wer kluge Wähler erreichen will, der muss, und diese Logik haben erst die Grünen erst 2017 erkannt, eine Plakatkampagne fahren, die sich selber demontiert. Auch die Basis darf sich verstanden fühlen, wenn sie eine kulturhygienische Selbstverständlichkeit wie die Ehe für alle erfolgreich auf die Plakatstellen reklamiert hat, während der Klimawandel schauen muss, wo er bleibt.
Selbst das letzte Sujet tut das Seine dazu: Zwar haben die Grünen Sei ein Mann. Wähle eine Frau im Paket als Draufgabe bekommen, weil der Front National und die AfD es mangels Inhaltsdichte nicht haben wollten. Doch gerade deshalb dürfen die Grünwählerinnen sicher sein: Sie werden ihr Kreuzerl nicht für Frau Lunacek gemacht haben, weil sie auf derart halbschlaue Werbeschmähs hereingefallen wären.
Glückwunsch dazu!

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