Es ist, teure Häschinnen und Häseriche, die stillste Zeit im
Jahr: Frühherbst, a.k.a. Altweibersommer,
also ideal, um sich den großen Fragen zu stellen: Woher kommen wir, wohin gehen
wir, und ist wir weiblich, männlich
oder sonstwas?
Kurz: Der Genderforschungs-Hype
fegt durch die Lande, niemand hat mehr was anderes im Kopf, und ich schon gar
nicht. Denn ich habe wieder etwas Neues in Sachen Genderologie gelernt, und
weil ich weiß, dass ihr fingernagelkauend auf dem Sesselrand hin- und
herrutscht wie sonst nur in den letzten fünf Minuten einer Game-of-Thrones-Folge, spanne ich euch nicht länger auf die Folter,
sondern verrate euch, wie das mit der Genderei einerseits und dem Feminismus
andererseits ist. Glaube ich.
Also: Erstens ist
mir mittlerweile klar, warum die Schwestern Oberinnen der Genderistik, Frau Butler und Frau Hark, die Abstraktion
so unerfreulich finden: Weil sie gestandene Poststrukturalistinnen sind. Der Poststrukturalismus (kleiner
Exkurs für alle, die im Unterschied zu mir was Gescheites gelernt haben) ist
mit sich selber im Unreinen. Merken muss man sich aber, dass im
Poststrukturalismus erstmals so richtig klar wurde: Sprache bildet nicht nur Realität ab, sie kann auch Realität sein und schaffen (wie wahr!).
Nun ist, was sprachlich der Fall ist, immer konkret, niemals
abstrakt-verallgemeinert. Es ist ein Unterschied, ob es ein Unterschied ist, ein
Unterschied besteht, es einen Unterschied macht oder noch etwas anderes.
Deshalb sind die beiden von so tiefem Misstrauen gegenüber der Abstraktion
beseelt: weil sie darin Gefahr für die Grundfesten poststrukturalistischen
Denkens wittern.
Das
Schöne am Poststrukturalismus ist, dass er so viele interessante
Fragen an Texte aufwirft. Das Dumme
ist, dass man die Sache nicht zu wörtlich nehmen darf. Im Wikipedia-Eintrag von
Frau Butler lese ich zum Beispiel, dass ihr zufolge Worte auch den biologischen
Körper schaffen und ändern können. (Lernt man so etwas am
Minerva-McGonagall-Institut für Transformation der UC Berkeley? Hab nicht
gewusst, dass Hogwarts jetzt dort
eine Expositur hat.)
Vielleicht ist die Butlersche Geschmacksrichtung der
Genderforschung aber auch eher religiös geprägt? Denn so wie Jesus gekommen ist, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater
und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schweigertochter mit ihrer
Schwiegermutter, so hat auch Frau Butler in der feministischen Theorie Zwietracht gesät, weil diese das binäre
Geschlechtersystem weiter festschreibe, indem sie Frauen Merkmale einer Gruppe
zuweist. Stimmt, tut sie. Muss sie sogar. Denn der Feminismus ist immer auch
politisch, während die Genderomantik dem Feminismus einen Bärinnendienst erweist, wenn sie sich zu politischen Aussagen
hinreißen lässt. Politik ist nämlich eine Frage der Mobilisierbarkeit. Wer
keine Wählerinnen an die Urnen bringt, keine relevanten stakeholder an die Maustasten, die wird politisch nichts reißen.
Auf die Größe der Gruppe kommt es mithin an, und für eine Gruppe braucht es –
na? Genau: Jene gemeinsamen Merkmale, deren Festschreibung Frau Butler am
Feminismus kritisiert. Ich kann sehr gut verstehen, dass sie sich für
gemeinsame Merkmale wie etwa den strukturellen Einkommensnachteil von Frauen
gegenüber Männern nicht so brennend interessiert. Bezöge ich ein professorales
(oder muss das genderastisch professorinal
heißen?) Jahresgehalt von fast 300.000 Dollar, ginge es mir bestimmt ähnlich.Wenn
also der Feminismus bereit ist, einen guten Rat von einem mittelalten Hodensack anzunehmen, sage ich euch:
Bewundert die Genderforschung, denn der Poststrukturalismus ist eine spannende
Angelegenheit. Aber bewundert sie von ferne, und lasst euch mit Worten keine
Körperteile zaubern, die ihr nicht haben wollt.
Gern geschehen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen