Freitag, 16. März 2018

Gasfilme


Heute, o erlesen motorisierte Häschen, klären wir ein unter unter anspruchslosen Filmfreunden verbreitetes Missverständnis. Denn Menschen, die gern Filme sehen, gibt es ja in zwei Geschmacksrichtungen: Die einen sind in der Wolle gefärbte Cineasten, die jeglichen Hollywoodklassiker mit wachsender Ratlosigkeit verfolgen. Denn sie sind herkömmlichen Erzählkonventionen derart entwöhnt, dass sie mit diesen nichts anzufangen wissen. (Habe ich wirklich einmal erlebt.)

Die andern sind solche wie euer ergebener Kolumnator. Wir schauen schon David Lynch oder Lars von Trier. Wir schauen aber auch Clint Eastwood, Kathryn Bigelow und manchmal sogar deutsche Komödie. (Kürzlich erlebte ich einen ausgesprochen nerdigen Moment der Unzufriedenheit, als der Nerd im Film einen Sprachkurs Elbisch konsumierte und ich mir denken musste: Gut und schön, aber lernt der jetzt Qenya oder Sindarin?)

Als Bier-und-Pizza-Filmkonsumenten, die prägende Seherfahrungen kurz nach 1980 gemacht haben, liegt uns ein obskures Genre auf unerklärliche Weise am Herzen: Autoverfolgungsjagdfilme. Weniger Erfahrene nicken gern, wenn wir das in schwachen Stunden gestehen, und brabbeln was von Fast and Furious.

Weit gefehlt, Herrschaften! Denn weit ausgeholt: Zunächst einmal sind Autoverfolgungsjagdfilme nicht zu verwechseln mit Filmen, in denen eine motorisierte Verfolgungsjagd vorkommt, die dann berühmt wird. Deshalb haben Bullitt oder Ronin hier nichts verloren (obwohl ohne die Mustang-Raserei kein Hahn mehr nach einem Film krähen würde, in dem Steve McQueen thatcheresk durch eine peinlich klischeehafte Hippiewelt stolpert). Vielmehr geht es ausschließlich um Filme, in denen die Verfolgungsjagd selbst den größten Teil des Plots und am besten auch gleich die Hauptrolle übernimmt. Es geht, und hier finden wir Österreicherinnen uns bestens verstanden, nicht darum, irgendwo schnell anzukommen, um die Welt zu retten, einen Bösewicht zu fangen oder ähnlich Zweitrangiges. Es geht ausschließlich darum, schneller unterwegs zu sein als die Bullen in dem Dodge Polara Pursuit hinter dir. Der Rest wird sich finden.

Häschen meiner Altersklasse haben einen entscheidenden Teil ihrer Sozialisation Klamaukperlen wie Smokey and the Bandit (Ein ausgekochtes Schlitzohr) oder Cannonball Run (Auf dem Highway ist die Hölle los) zu verdanken. Gewiss entschuldigt es manchen Irrtum, dass der Schnauzbart von Burt Reynolds in unserer Kindheit gleichberechtigt neben (genau genommen: vor) ihm selbst stand! Leider hat Hal Needham in beiden Filmen bewiesen, dass er als Stuntkoordinator mehr draufhatte denn als Regisseur, indem er sich einem Tieffliegerhumor verschrieb, dem die Jahre nicht annähernd so gut bekommen sind wie der reinen Lehre des schweren Gasfußes und an dem das Image von Dean Martin lange zu kiefeln hatte.

Viel besser haben sich zwei ältere Meisterwerke gehalten: An erster Stelle Vanishing Point (Fluchtpunkt San Francisco), Tarantino-Fans zumindest dem Namen nach aus Death Proof bekannt und in seiner Geradlinigkeit unbedingt des Sehens wert. Und das ebenso großartig tragische Dirty Mary Crazy Larry (in kongenialem Deutsch: Kesse Mary – irrer Larry) immerhin mit Peter Fonda in einer der beiden Titelrollen. Erst viel später konnte einer der größten Filme der letzten zehn Jahre das Vollgasevangelium wieder ähnlich klar verkünden: Dass Fury Road nur Oscars in Nebenkategorien erhielt in demselben Jahr, da der arme Leo di Caprio ausgerechnet für The Revenant seinen einzigen Hauptrollenoscar bekam, sagt mehr, als ich jemals über die Academy wissen wollte.

Und was ist jetzt mit Fast and Furious? Ganz einfach. Erinnert euch an Boogie Nights (übrigens ebenfalls mit Burt Reynolds und seinem Schnauzbart, der dann wirklich zum Pornobalken gereift war): Dort gebiert Dirk Diggler die Idee, Pornofilme mit echter Geschichte zu drehen. Wäre Dirk von Verfolgungsjagdfilmen ausgegangen anstatt von Pornos, dann wäre Fast and Furious dabei herausgekommen.

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