Freitag, 23. März 2018

Vorstellungsrunde

Bald stellen wir ja wieder die Uhren um. Aber in welche Richtung? Merkt euch, o sonnenhungrige Häschen: Im Frühling STELLEN wir die Gartenmöbel VOR das Haus. Alles klar? Genau. Und weil du die Uhr vorstellen musste, ist die Nacht eine Stunde kürzer. Macht aber nix, dafür darfst du eine Stunde eher wieder schlafengehen. Warum tun wir uns das an? Ich glaube, dass der Kapitalismus schuld ist. Einst war es dem Werktätigen irgendwann am Spätnachmittag zu dunkel, und der Chef wollte sich das Petroleum sparen, das die Weiterarbeit ermöglicht hätte. Da ging der Werktätige heim zu seiner Familie und man verbrachte den dunklen Abend damit, einander Gruselgeschichten zu erzählen oder die Bibel aus dem Gedächtnis aufzusagen. Schön!
Doch irgendwann beschwerten sich die Chefs beim Staat, der beschloss die Uhr vorzustellen, und die Sommerzeit war geboren. Seither kann man in der Übergangszeit länger arbeiten und die Kinder schlafen im Sommer schwerer ein. Dafür bietet die Sommerzeit, wie alljährlich in den Medien vermerkt, den Vorteil, dass das Vieh geistig gefordert ist, sich umzustellen. Die dabei ausgeschütteten Botenstoffe machen das Fleisch zarter, wovon die Landwirtschaft profitiert.
In Österreich gab es nach 1948 keine Sommerzeit mehr, weil sie legistisch mit einer Menge anderem Nazikram entsorgt wurde. Erst Kreisky, der Sonnenkönig, besann sich auf das ihm zugeeignete Gestirn und wollte, dass die Bevölkerung dessen sozialistisch wärmende Strahlen länger genieße und nebenbei Energie spare, weil Ölkrise.
Die Sommerzeit zeigt auch, dass der Humor ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie unsere Gestalt. In Bio haben wir ja gelernt, dass der menschliche Embryo laut Ernst Haeckel die Evolution im Schnellvorlauf durchläuft. Er sieht zunächst aus wie jener eines Fisches, dann eines Amphibiums und eines Säugetiers, ehe er unverkennbar menschlich wird. Deshalb könnte einem schon beim Betrachten der ersten Ultraschallbilder (awww!) klar sein, dass hier eventuell ein kleiner Schleimer heranwächst! Da hat Haeckel zwar ein bisschen was dazuerfunden, aber er hat sich immerhin Mühe gegeben.
Die Evolution des Humors verläuft ähnlich. Denn wir wissen ja, dass sich die Leute einst über jeden Schmarren zerkringelt, zerkugelt, weggeschmissen oder abgehaut haben. Die Scherze, mit denen Hans Wurst im Biedermeier zu Lachstürmen hingerissen hat, ziehen heute höchstens noch im Villacher Fasching, der nur deshalb praktiziert wird, damit ein Urmeter nicht des Humors, sondern des Mangels daran existiere, ein absoluter Nullpunkt der Komik, an dem einem das Lachen im Hirn gefriert, sodass dieses Supraleitfähigkeit erwirbt und einem noch vor dem ersten Witz klarwird, dass jetzt Schluss mit lustig sein wird.
Hauptmanns Biberpelz aus etwas späterer Zeit wird heute deshalb als Komödie gehandelt, damit Germanistikseminare sich daran abarbeiten, warum es in einer solchen nicht unbedingt etwas zu lachen geben muss. Es folgten die Varietés der Zwischenkriegszeit inklusive Hendl-den-Kopf-Abbeißern, ehe wir endlich auf dem Höhenkammhumor heutiger Sitcoms ankamen.
Diese historische Humorevolution muss jede von uns im Kleinen durchmachen: Im Kindergarten zerwuzeln wir uns, wenn einer Gacksi! sagt. Unter Volksschülern der 70er und frühen 80 blieb ein Sommerzeit-Scherz ewig jung: Man zog dem anderen die Mütze über die Augen und erklärt dazu: Licht sparen, hat der Kreisky gesagt! Worauf jener empört erwiderte: Du Klomuscheltaucher mit Spaghettiausrüstung!
Und so weiter: Noch vor der Matura tauschen wir lustige Katzenvideos, um dann endlich bei Kleinkunst erster Güte ein humoristisches Happy Ending zu genießen. Ohne Sommerzeit hätten wir das nie erfahren. Schönes Wochenende!

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