Die Sprache, o kluge und kuschlige Lesehäschen, ist ein
Lebendiges. Dies vorausgeschickt, ist die Formulierung ich habe eine Idee davon, wenn eine Vorstellung gemeint ist, bestenfalls der Beweis, dass die Sprache
nicht immer ein perfektes Hautbild hat, sondern dass ihr ab und zu auch einmal
ein fettes Wimmerl auf der Nase wächst. Gell, ze.tt! Da darf man auch zu einem Gastautor sagen: Du, wir sind hier
journalistische Vollprofis, schreib nicht so einen Schmarrn. Oder Käse, oder
was halt in Hamburg verständlich ist. Denn eine Idee ist im Deutschen derzeit
noch etwas Neues, nicht Dagewesenes. Kann sich ändern, aber die Momentaufnahme
sagt isso!
Im Übrigen habe ich jetzt keine Zeit, euch was zu schreiben.
Ich muss mein Bücherregal ausmisten.
Dashiell Hammett:
War seiner Frau untreu. Fliegt raus.
Thomas Mann: War
echt mies zur Familie. Fliegt raus.
Heimito von Doderer:
Hat laut Wikipedia „seine Frau ’mit
obsessiv vorgetragenen antisemitischen Stereotypen’“ gequält. Hinweg,
Verruchter!
Goethe? Hat seine
Frau allein sterben lassen und dann hartnäckig eine Neunzehnjährige angemacht,
als er selber schon vierundsiebzig war. Sorry, Wolfi, für solche egoistischen Geilspechte wie dich ist hier kein
Platz.
Ich ahne schon, dass ich bald sehr viel Platz für neue
Bücher haben werde. Da gilt es natürlich mit großer Sorgfalt vorzugehen, damit
die nächste Entrümpelung nicht vorprogrammiert ist. Bei Uwe Timm habe ich Glück, der ist seit Jahrzehnten stabil
verheiratet. Herfried Münkler mag
als Historiker ein Kapazunder sein, aber anscheinend lässt er in Vorlesungen
über die europäische Frühneuzeit eine angemessene Perspektive auf die Lage der
Sklaven in Amerika vermissen. Bei James
Ellroy weiß man nicht so genau, was Persona und was Person ist – lieber
kein Risiko eingehen. Bei Neal
Stephenson habe ich wiederum ein gutes Gefühl. So lange kein
Collegestudentinnenkollektiv seine etwaige Lebenslüge enthüllt, darf er
bleiben. Mein Kampf kommt hingegen nicht
in Frage, schließlich hat Hitler Eva
Braun mehrfach vor Zeugen heruntergemacht.
Ihr merkt schon, wer heutzutage nach dem Blick ins Buch auch
jenen in den Spiegel noch aushalten will, der darf es nicht bei literarischen
Kriterien bewenden lassen. Man holt sich ja mit einem Buch auch den Autor ins
Wohnzimmer. Wer will schon einen misogynen MeToo-Schrat neben sich stehen
haben, der deine Liebste anzüglich beäugt?
Das findet jemand sonderbar? Ihr seid mir keine Häschen,
sondern Rüden. Besser gesagt, rüde Gesellen! Einem fühlenden Menschen ist
heutzutage kein Kulturgenuss mehr möglich, wenn die charakterliche Einwandfreiheit des Künstlers nicht gewährleistet
ist. Dass Kevin Spacey aus All the Money in the World geschnitten
wurde, weil er Männer belästigt hat, kann erst der Anfang sein. Bekanntlich wollen
auch Zigtausende Matt Damon aus Ocean’s 8
verschwinden sehen, weil er, wie hieramts vermerkt, sowohl Grapschen und
Vergewaltigung verwerflich findet, aber in unterschiedlichem Ausmaß. Und auch
das wird, wenn wir als Gesellschaft ein Fünkchen Ehre im kollektiven Leib
haben, erst der Anfang gewesen sein. Denn schließlich hat es früher schon Schweine gegeben, und wer wird sich die
Freude an einem filmischen Meisterwerk von dem Wissen vermiesen lassen, dass
der Hauptdarsteller kein Guter war? Dank CGI ist das auch nicht nötig. Nicht
länger müssen wir uns fragen, was Stagecoach
hätte werden können, wenn der alte Macho John
Wayne uns das Beinahe-Meisterwerk nicht vergällte. Wir montieren einfach
Spencer Tracy rein, und gut ist. Clark Gable hat seine Frau hintergangen? Wir
freuen uns auf Vom Winde verweht mit
Jimmy Stewart. Von Humphrey Bogart wollen wir gar nicht anfangen, und glücklicherweise
ist über Gregory Peck noch nichts Einschlägiges bekannt, denn To Kill a Mockingbird mit Peter Lorre –
das wäre, bei aller Liebe, einfach nicht dasselbe, fürchte ich. Ich mach mich
dann mal wieder ans Bücherregal.
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