Freitag, 18. Mai 2018

Superkraft

Die meisten von euch, so hoffe ich, sind schon aus dem Alter heraus, in dem man gelegentlich checkt, ob man eh noch keine Superkräfte entwickelt hat, ohne es zu merken. Es sei denn, ihr seid Geisteswissenschaftlerinnen. Da kriegt man eine wenig spektakuläre, aber sehr nützliche Superkraft schon vom ersten Proseminar an mit. Man kann dann zwar nicht die Welt vor radioaktiven Haiaffen retten, aber es sinkt die Wahrscheinlichkeit, sich selber zum Affen zu mache.
Als nämlich euer Zweckdichter sich noch der Forschung widmete, war die Zeit dafür fix eingeteilt: 50 Prozent Forschung, 20 Prozent Konsumation von Erfrischungsgetränken, 30 Prozent Reflexion darüber, ob die Forschungstätigkeit methodisch solide unterfüttert sei. Denn wenn eine Mathematikerin sich eines Beweises unterwindet, glückt ihr entweder die Führung desselben oder eben nicht. Die Physikerinnen müssen zwar auf die saure Traube der mathematischen Eindeutigkeit (nein, wir fangen jetzt nicht mit der Gödelschen Unvollständigkeit an, dafür bin ich nicht schlau genug!) verzichten. Aber wenn sie etwas messen, haben sie auf jeden Fall ein Messergebnis. Danach muss man natürlich schauen, ob die Linse sauber war, der Tisch eh nicht gewackelt hat oder wasweißich. Aber ein Ergebnis gibt es.
Als Geisteswissenschaftlerin aber musst du dich ständig fragen, ob du durch eine Linse schaust oder eine Zwetschge quetschst (wollte ich immer schon mal schreiben), und ob da überhaupt ein Tisch ist und wenn ja, ob er auf zwei Beinen auch wirklich stehen kann.
Sonst passiert es leicht, dass man von den eigenen Superideen mitgerissen wird. Kürzlich hat es im Standard ein Wirtschafts-und Politikwissenschaftler unternommen, zu zeigen, dass Arabien irgendwie immer schon Teil Europas war. Wir erfahren viel darüber, dass der arabische Raum in der Antike wichtige Einflüsse für Europa bot, Cäsaren hervorbrachte, Dichter und Päpste. Wir lernen, dass in „Lyon, Marseille, Trier, Grenoble [...] noch bis in das sechste Jahrhundert“ auch Aramäisch gesprochen wurde. Wahnsinn! Muss man sich mal vorstellen! Aramäisch! In Trier! Wem es dabei nicht heiß und kalt den Rücken hinunterläuft, der hat, das kann man nur so hart sagen, kein Herz.
Bald nach dem Jahr 700 war es damit leider komplett vorbei, und Aramäisch kam den guten Leuten in Trier nunja, spanisch vor. Weil nämlich aus komplizierten Gründen keine Araber mehr da waren. Und alsbald war alles Arabische den Trierern (heißen die wirklich so?) fremd.
Angesichts der Conclusio dieses Herrn Al-Ani muss man sich deshalb fragen, ob er vielleicht ein Timelord ist, dem seine Tarnung allmählich wurscht wird: „Der Araber als der Andere, so viel ist klar, ist ein neuartiges politisches Konzept.“ Naja. Für eine gegebene Bedeutung von neu. Sonst halt eher nicht, nach tausendzweihundert Jahren.
Ganz anders ist es in der Werbung. Manchmal hört man Beschwerden, dass die Werbung unrealistische Vorteile verheiße. Einerseits ist das richtig, weil man sich als Sechzehnjähriger nicht darauf verlassen sollte, dass man mittelfristig eine Kissenschlacht zwischen teilbekleideten Flugbegleiterinnen zu sehen bekommt, nur weil man vor dem Check-in Axe aufgetragen hat.
Der Vorteil an unrealistischen Vorteilen ist aber, dass man sich keine realistischen Werbespots anschauen muss. Daran erinnert uns ein neuer Spot, der das Frühstück bei McDonald’s a.k.a. Mickey D’s a.k.a The Golden Arches bewirbt. Man sieht darin zwei PKW-Ladungen voller Frauen in aller Herrgottsfrühe losfahren. Im einen Auto ist halligalli, im andern hängen sie so rum, bis auf die Arme, die fahren muss. Nach einer Weile holen alle Frühstück bei McDonald’s. Danach sind die Munteren immer noch munter, die Müden wachen allmählich auf.
Ja, so ist das in der lustigen Welt der Werbung. Wenn man frühstückt, kommt man schön langsam in die Gänge. Bäm! Und schönes Wochenende!

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