Donnerstag, 20. Dezember 2018

Wer ist das?

Heuer, o teure Häschen, lassen wir das mit dem Weihnachtsgedicht. Irgendwann ist es Zeit, sich einzugestehen, dass die eigenen Stärken im Prosabereich liegen. Doch keine Sorge, euch wird Weihnachtsstimmung werden! Denn wir versuchen die Frage zu klären, wie das nun wirklich ist mit dem Christkind und dem Weihnachtsmann, der ja eine Erfindung der Coca Cola Company ist und deshalb uns Werbefuzzis und -fuzzetten besonders reichlich die Strümpfe füllt. In Österreich führt das autochthone Christkind ein Rückzugsgefecht gegen den Dicken in Rot, unterstützt von selbsternannten Brauchtumspflegern wie dem Jungbürgersender FM4, der sich vor Jahren schon mit dem Bekenntnis Liebe kleine Christkindmaus, wir retten dich vor Santa Klaus! auf die sicher richtige Seite geschlagen hat.
Was aber nicht erklärt, warum es nicht entweder das Christkind oder den Weihnachtsmann gibt, sondern alle beide, und außerdem noch den Nikolo, den Knecht Ruprecht und die Kramperln (oder Krampusse, oder Krampi, was immer euch angemessen scheint).
Fangen wir kalendarisch-chronologisch mit dem Nikolaus an (ja, für euch ist er der Nikolo, für mich der Nikolaus, tom-ay-to – tom-ah-to, wie sie in Trumpistan sagen). Er bringt Geschenke, weil dem historischen Nikolaus große Freigebigkeit nachgesagt wird (und auch, er sei schon als Säugling so fromm gewesen, dass er sich die Mutterbrust an den wöchentlichen Fasttagen nur einmal täglich genehmigt habe). Genau genommen bringt er aber keine Geschenke, sondern Belohnungen für die Braven. Denn am Nikolaustag (Wann war der noch gleich? Ja, am 6. Dezember. Brav!) war früher in der Messe als Lesung immer das Gleichnis von den verliehenen Talenten aus dem Matthäusevangelium dran: Ein Reicher gibt jedem seiner drei Knechte einen Batzen Geld und geht auf Kreuzfahrt. Bei seiner Rückkehr haben zwei der drei die Kohle gewinnbringend investiert, der dritte hat nur darauf aufgepasst. Zur Strafe wird ihm das Geld weggenommen und als Belohnung unter den anderen beiden verteilt: „Wer hat, dem wird gegeben werden, wer nichts hat, dem wird genommen.“ (Den Matthäuseffekt kennen wir aus der Bildungspolitik.) So verknüpften sich Geschenk aus der Legende und Belohnung aus der Tageslesung zur Nikolausgabe. Die Begleitung durch finstere Gestalten wie den Knecht Ruprecht lässt vorchristliche Traditionen weiterleben, stärkt die Motivation (Angst!) und beweist außerdem, dass das christlich Gute das Böse zu domestizieren vermag. „Was ist jetzt mit Weihnachten, Oida, um auch einmal das Jugendwort des Jahres zu verwenden?“, schallt es mir aus euren zunehmend ungeduldigen Reihen entgegen. Je nun, damit das alles etwas mit Weihnachten zu tun bekam, musste erst Luther kommen. Denn die Reformierten haben bekanntlich einerseits mit der Heiligenverehrung nichts am Hut. Andererseits hätte die ersatzlose Abschaffung der Bescherung ein PR-Desaster für die noch junge Glaubensrichtung bedeutet. Es war Zeit für den Geniestreich, die Bescherung auf Weihnachten zu verlegen und als Gabenbringer das Jesulein zu installieren. Jenes aber war so süß, dass auch die Katholiken seinem Reiz nicht lange widerstehen konnten, sodass es auch im einst erzkatholischen Österreich die Geschenke bringen durfte. Und Santa Claus? Der taucht schon im frühen 19. Jahrhundert auf. Denn die Döblinger und Hietzinger des damaligen New York verfolgten ihre Stammbäume mehrheitlich in die Niederlande zurück, wo wer noch heute die Geschenke bringt? Genau: Sinterklaas, der gute alte Nikolo. Denn anders als den Lutheranern war es den ergebnisorientierten Calvinisten ziemlich egal, ob ein Heiliger oder sonstwer die Geschenke brachte. Hauptsache, Beute. Dass die Coca Cola Company erst sehr spät zu der Show kam und nichts mit der Erfindung des Weihnachtsmannes zu tun hat, überrascht wohl keines von euch aufgeweckten Schneehäschen mehr. Frohe Weihnachten!

Freitag, 14. Dezember 2018

Wegen der Sicherheit

Als Erstes, meine lieben sicherheitsbewussten Häschen, müssen wir uns der Frage widmen, wie man überleben kann. Johann Gudenus schlägt ein nächtliches Ausgehverbot für Flüchtlinge vor, um die Lebenserwartung der Österreicherinnen und Österreicher zu heben. Dies, weil Asylwerber gerne im Schutz der Dunkelheit in Inländerwohnungen schleichen, um die Betreffenden zu schlachten, und zwar vorzugsweise mit dem Messer.

Falls das alles stimmt, wer wollte etwas dagegen sagen? Allenfalls ein boshafter Mensch, der mitbekommen hat, dass ein Inländer im Bezirk Mistelbach seine sämtlichen greisen Verwandten getötet hat und zu seiner Verteidigung nur vorbringen kann, dass er dazu eine Flinte benutzt hat und nicht etwa – weil begeisterter Waidmann – einen Hirschfänger, den Herr Gudenus als völkisch angemessene Alternative zum levantinischen Springfeitel eventuell sogar noch durchgehen lassen würde.

Als gemeinsamer Nenner der angeführten Fälle kristallisiert sich jedenfalls der zuhause sitzende Inländer heraus, womit sich die Frage aufdrängt, ob der Sache mit einer Ausgehpflicht für Inländer nicht eher gedient wäre als mit einem Ausgehverbot für Ausländer. Die Alten haben's schon gewusst, als sie die Weisheit Daheim sterben die Leut' in ein geflügeltes Wort gossen.

So, Schluss mit Politik, schließlich ist bald Weihnachten. Denn hört! Aus Häschenkreisen scholl mir nach der Behandlung des Genitivus partitivus der beinahe zahlreiche Ruf nach gleicher Auskunft über den sub- und obiectivus entgegen. Nichts lieber als das.

Erstens ist festzuhalten, dass der Genitiv der Fälle schönster, weil preziösester ist, dessen könnt ihr euch sicher sein! Fangen wir mit dem Subiectivus an, denn der ist so einfach as falling off a log, wie die Engländer in einer Redewendung sagen, für deren Bildgewalt man töten könnte. Der Genitivus subiectivus erklärt schlicht und einfach, wer das Subjekt einer Handlung ist, wer also etwas tut: Das Briefing des Kunden meint, dass der Kunde (der im Genitiv steht) uns gebrieft hat. Die Klage der Kreation drückt aus, dass die Kreation motschkert, eh klar. Der Trost des Biers ... ich denke, ihr habt verstanden, wohin das führt. Merken müsst ihr euch nur, dass der Genitivus subiectivus so heißt, weil er den Täter, das Subjekt einer Handlung einführt, selbst aber nicht das Subjekt des Satzes ist, das ja im Nominativ steht:

Der Umtrunk an der Ostbar fand nach dem Gewinn des Etats statt. Subjekt ist der Umtrunk (natürlich!), der Genitivus subiectivus liefert ein Attribut zum Objekt „Gewinn“.

Und der Genitivus obiectivus? Seinetwegen braucht ihr euch auch keine grauen Haare wachsen zu lassen. Er ist der Ausdruck des Betroffenen einer Handlung, so wie in diesem Satz. Wenn wir vom Briefing der Kreation sprechen, dann brieft die Kreation nicht (wäre ja noch schöner!), sie wird gebrieft. Der Trost der Kollegen kann allerdings sowohl ein obiectivus als auch ein subiectivus sein, je nachdem, ob du die Kollegen tröstest oder umgekehrt.

Dasselbe gilt für die Frustration des Gudenus: Vielleicht weiß er selbst nicht ein noch aus, weil die Nation nicht so richtig auf seine Ideen abfährt. Vielleicht sind aber auch wir frustriert, weil uns seine Ideen schmerzlich daran erinnern, dass jede Toleranz ihre Grenzen hat. Schönes Wochenende!

Freitag, 7. Dezember 2018

Textkekse

Es war, o mitfühlende Häschen mit beneidenswert schönen Seelen, eine durchwachsene Woche für euren sehr Ergebenen. Das Zweckdichterbalg liegt mit einem kräftigen Atemwegsinfekt darnieder – schon wieder! Der Zweckdichterhund laboriert an interessanten und mühsamen Pfotenproblemen – schon wieder! (Wer hat gewusst, dass Hunde sowas wie Plattfüße kriegen können und wie elendig das ist?) Und so weiter und so fort. Deshalb verschieben wir die von euch allen so heiß herbeigesehnte weitere Befassung mit den Erscheinungsformen des deutschen Genitivs. Stattdessen serviere ich euch einen adventlichen Keksteller, gewürzt mit getrockneten und zermahlenen Stilblüten. Doch Vorsicht! Sie könnten sich, wie das bei Keksen ja mitunter geschieht, als schwer verdaulich erweisen.
In der Backstube hat sich Frau Eva Reisinger wieder einmal aufs Löblichste hervorgetan.  Ihr Artikel über den „vielleicht hippsten Ort Österreichs“ (ja, mit zwei p, obwohl es nicht um Babynahrung geht) fängt  gut an: „Die Rede ist von Bad Gastein, ein Ort  ...“. Wir lernen daraus, dass der Dativ vieles ist, aber leider nicht hip (hipp?) genug für das „Berlin der Alpen“. Dort geht nämlich die Post ab: „Ein Wasserfall prescht zwischen den hohen Häusern nach unten.“ Ich weiß nicht, wie das im Häschenstil ist, aber für mich hatte preschen immer etwas mit der Bewegung von Gliedmaßen oder mechanischen Einzelteilen zu tun. Dass eine amorphe Masse preschen kann, ist mir neu.  Schauen wir lieber ins Schaufenster. Sieh da: „Hinter einer Absperrung blicken die Schönen und Reichen aus vergangenen Zeiten entgegen.“ Fein, aber wem? Der Betrachterin? Dir? Mir? Aus dem fehlenden Objekt haucht uns nicht nur ontologische Leere an, sondern erneut eine betrübliche und rätselhafte Abneigung gegenüber des Dativs, oder so.
Trost bietet die stumme Kreatur: Ein Deutscher „trägt das Dalmatiner Welpen über die Stufen“. Ist hier das Gendern ins Kraut geschossen, oder ist es der Urheberin tatsächlich entgangen, dass der Welpe grammatisch so maskulin ist wie der Feminismus? Mit jenem Deutschen hat es eine besondere Bewandtnis, denn um seine Geschichte zu erzählen, „muss man sich an kitschigen Wendungen bedienen“. Holla! Was ist jetzt los? Plötzlich ist der Dativ gut genug? Nein, ist er nicht. Wir bedienen uns einer Technik, eines Kniffs, einer Wendung, aber jedenfalls eines Genitivs. (Welchen Genitivs, dazu ein andermal mehr.)
Ich glaube aber, wie hieramts schon früher angedeutet, dass Frau Reisinger gar nichts dafür kann. Dass es an ze.tt liegt, lässt ein Blick in andere dortige Ergießungen vermuten, die nicht von ihr stammen. Dort heißt es zum Beispiel von irgendjemandem: „Dessen Wahlkampf-Kappe zog er sich am vergangenen Wochenende dann auch auf den Kopf.“
Das hat offensichtlich jemand verfasst, der Deutsch aus Kreuzworträtselheften gelernt hat. Man kann zwar eine Kappe vom Kopf ziehen, aber man setzt sie auf. Auch die leidige Geschichte mit den Fällen ist bei ze.tt keine Spezialität von Frau Reisinger. So schreibt einer ihrer Kollegen: Dem muss sich auch ein Kanye West bewusst sein.“ Nein, muss er nicht. Kanye West muss, wie wir alle, Steuern zahlen und sterben. Aber sich einem Dativ bewusst sein? Niemals! Doch der hippe Reporter lässt nicht locker: „Genauso wie ich als Journalist nicht behaupte, auf meinem Twitteraccount privat unterwegs zu sein, erwarte ich von Musiker*innen, Schauspieler*innen und Sportler*innen, dass sie sich zumindest um die Dimension ihrer Tweets im Klaren sind.“ Während wir als Leserinnen offenbar nicht mit gleichem Recht erwarten dürfen, dass jemand, der vom Schreiben lebt, weiß, dass man sich herkömmlicherweise über etwas im Klaren ist und nicht um.
Und was läuft an der Feedbackfront? Man kann einen Bonus einlösen, während wir bisher stets dachten, dass der Bonus das sei, was man bekommt, wenn man den Gutschein oder was immer einlöst. Wieder was gelernt. Schönes Wochenende!