Kolumnieren, meine o wie geliebten Lesehäschen, ist eine
Sache von Angebot und Nachfrage. Letzte Woche zum Beispiel besann sich euer
Ergebener wieder auf die Wurzeln, sprach zu sich selbst ad fontes!, schrieb über irgendwas Grammatisches, und was soll ich
sagen: waschkörbeweise Fanpost! Toll, wie kleine Waschkörbe es heutzutage gibt,
hat Otto Waalkes schon gesagt.
Also weiter im, tatsächlich, Text. Kürzlich wurde sich in
meiner Umgebung gefragt, ob eine Konstruktion wie die eben demonstrierte zu
bewerten sei: eine, und jetzt kommt eine Angeberformel, passive Reflexivkonstruktion ohne
Subjekt. Halt! Stopp! Wie war
das?
Also der Reihe nach: Was eine Konstruktion ist, wisst ihr.
Sogar, wenn eine grammatische Konstruktion gemeint ist, das ist ja jetzt nicht rocket science. Eine
Reflexivkonstruktion ist eine, in der ein Wort (nämlich das Reflexivpronomen) sich (ja, das war jetzt das
Reflexivpronomen) auf etwas bezieht, das schon früher im Satz vorgekommen ist –
hier war das das sich, das zum Wort zurückdeutete. Die Hoffartshäschen
unter euch können sich das leicht merken, weil auch der Spiegel, in dem ihr
gerne euren Flauschepelz bewundert, euer
Bild auf euch zurückreflektiert, so wie das Reflexivpronomen sein Bezugswort.
Eine passive Reflexivkonstruktion ist so einfach wie eine bilaterale
Watschen. Finde eine Reflexivkonstruktion, die etwas mit sich geschehen lässt.
Und schon wird sich über eine passive Reflexivkonstruktion gefreut.
Das Blöde ist aber, dass das so nicht funktioniert. Denn im Passiv tauschen Subjekt und Objekt die
Plätze. Aktiv schreibe ich eine
Klugscheißerkolumne – hier bin ich das Subjekt (wer schreibt?) und die
Kolumne ist das Objekt, genauer gesagt, das Objekt im Akkusativ, auch bekannt
als „direktes Objekt“ (wen oder was schreibe ich?).
Im Passiv wird eine
Klugscheißerkolumne geschrieben. Nun ist die Kolumne das Subjekt (wer wird
geschrieben?). Hier eröffnet sich eine grammatische Twilight Zone. Im Aktiv verlangt der Satzbau die Angabe, wer
schreibt, weil ein Satz eben ein Subjekt braucht. Im Passiv kann man sich aber
um die Angabe herumschwindeln, wer der Urheber des Geschriebenwerdens ist. Man
kann wohl ergänzen: Eine
Klugscheißerkolumne wird von mir geschrieben,
man muss aber nicht. Die Planstelle kann, im Gegensatz zur Planstelle „Subjekt“,
vakant bleiben.
Diese mögliche Leere kann im reflexiven Satz zum schwarzen Loch werden. Ich freue mich auf das Wochenende ist
ein einwandfreier Satz mit der reflexiven Wendung ich freue mich. Im Passiv Auf
das Wochenende wird sich gefreut hat das sich hingegen kein Ziel.
Das Reflexivpronomen weist ins Leere, der Satzvampir bleibt im Spiegel
unsichtbar.
Wir können zwar das Ersatzsubjekt es einführen: Es wird sich
auf das Wochenende gefreut. Das macht aber nichts besser, weil es nicht der Ausgangspunkt der Freude
ist – wer sich freut, bleibt offen. Lässt sich das Loch irgendwie flicken, indem
wir ergänzen, wer sich freut? Etwa Von mir
wird sich auf das Wochenende gefreut? Nein, das geht auch nicht, weil sich immer noch verzweifelt nach einem
Subjekt sucht, an dem es andocken kann, wie ein blindes Katzenbaby auf der Suche nach der mütterlichen Zitze. Ja, sehr traurig
ist das, wenn Wörter ziellos durch Sätze torkeln. Deshalb, meine Lieben: Adoptiert
aktiv verwaiste Reflexivpronomina. Es gibt so schon genug Elend in der Welt.
Schönes Wochenende!
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