Freitag, 20. Dezember 2019

Textknecht


Von drauß’ vom Kunden komm ich her.

Ich kann euch sagen: Es weihnachtet sehr!

Allüberall in den Manus-Ritzen

sah ich spitzige Feedbacks blitzen.

Und droben aus dem Chefbüro

sah mit großen Augen der der Vorstand hervor.

Und wie ich so strolcht’ voll Hoffnung auf Cannes,

rief er mich mit scharfer Stimme an:



„Zweckdichter“, rief er, „alter Gesell,

vergiss die Awards und spute dich schnell!

Der Hut fängt schon zu brennen an,

die Postfilialen sind aufgetan.

Text und Grafik sollen nun

fürs Weihnachtsmailing endlich was tun!“



Ich sprach: „Das kommt jetzt etwas spät.

Die Workload war ziemlich aufgebläht.

Für Xmas lohnt sich ein zeitiges Briefing,

weil der späte Vogel den Wurm noch nie fing.“

Grinsend wollt’ ich mich von hinnen machen

doch alsbald verging mir das Lachen.



Der Vorstand nämlich: „Ist nicht dein Ernst!

Du glaubst, dass du dich jetzt einfach entfernst?“

Ich so: „Es geht schon auf halb sieben.

Viel Output wird heute nicht mehr geschrieben.

Doch ich glaube, die Wiese ist eh schon g’maht.“

Fragt der Vorstand: „Hast du eine Lösung parat?“



Sprach ich: „In meiner Schublade liegt

ein Text, den noch kein Auge erblickt.

Weihnachtlich, schnittig, beinahe rasant.

Stimmungsvoll, reimreich, schlicht, elegant ...“

„Gekauft!“ unterbrach der Vorstand mich schon.

„Wir gehen in Druck ohne Retardation.“



Und als Weihnachten war, da lasen die Kunden

was ich geschrieben in langen Stunden:

„Von drauß’ vom Kunden komm ich her

ich kann euch sagen: Es weihnachtet sehr! …“

Freitag, 13. Dezember 2019

Weihnachtliche Possessivpronomina

In der Vorweihnachtszeit hat man ja bekanntlich Muße für sprachliche Feinheiten. So will ich nicht anstehen, euch, o unterbeschäftigte Punschhäschen auf eine Reise ins Land der spannenden Pronomina mitzunehmen. Gerade am Punschstand stellt sich ja bisweilen die Frage, ob das jetzt dein Punsch oder mein Glühwein (immer Glühwein, bitte!) ist.
Wie du da so am Punschstand stehst, ist dir ein bisschen langweilig. Das ist am Punschstand nichts Ungewöhnliches, aber schließlich bist du ja nicht allein hier – allein die überzuckerte Plörre in sich hineinzuschütten, das wäre ja nun wirklich zu trostlos. Also bittest du deinen Freund um sein Handy, „um schnell die Mama anzurufen. Er (leichtfertiger User 40 plus!) borgt es dir umstandslos, ohne zu bedenken, dass die Facebook-App zugänglich ist, aber zu spät, du tippst schon, dass die Finger glühen. Dann ist das der Freund, auf dessen Handy du tippst. So weit, so klar, dessen ist hier das das possessive Relativpronomen. Man könnte auch sagen, es ist der Genitiv des Relativpronomens der. Klar ist natürlich auch, dass du sofort einen interessanten Mix aus S/M-Gruppen, Swingerclub-Profilen und Hardcore-Feminismus-Treffpunkten geliket hast, damit der Facebook-Feed deines geliebten Freundes nicht mehr nur mit Avocadorezepten zugemüllt wird.
Klar ist weiters, und damit kommen wir zum saisonal relevanten Content für ausgeschlafene User wie euch: Wer auf der Weihnachtsfeier neben dem Chef sitzt, sollte schauen, dass er aus seinem Glas trinkt, nicht aus dessen Glas. Sonst kann sich da schnell ein unangenehmes Gespräch entwickeln. In diesem Fall ist dessen nämlich der Genitiv des Demonstrativpronomens oder, wie wir heute gern sagen, der Wesfall von der. Dass das Relativpronomen und das Demonstrativpronomen beide der heißen, kann schon vorkommen, ich kenne auch zwei Automechaniker, die beide vertrauenswürdig sind und Martin heißen, aber beide nicht mein Cousin sind, der ebenfalls Martin heißt und vertrauenswürdig, jedoch kein Automechaniker ist. Sein Bruder ist allerdings Autohändler, aber ehrlich, meine Teuren, das führt jetzt zu weit.
Dessen ist in diesem Fall nützlich, weil man die Gläser damit zumindest grammatisch eindeutig zuordnen kann, während man im wirklich Leben diese bunten Schleifchen vom Chinaversand braucht, die auf dem Papier sehr praktisch aussehen, aber in Wirklichkeit denkt man meistens nicht dran. Wenn man doch dran denkt, findet man sie entweder nicht, oder man hat eh schon so viel intus, dass man zum Suchen zu faul ist. Wie löblich hingegen dessen, wo man gleich Bescheid weiß!
Oder vielleicht auch nicht. Denn wie stehen die Dinge hier?
Wenn der Texter schon einfach die Formulierung des Kunden geklaut hat, hätte der Arter doch gleich auch dessen Layout nehmen können.
Weiß man, dass das Layout vom Kunden stammt und nicht vom Texter, nur weil hier „dessen“ steht anstatt „sein“?
Antwort: nicht zwingend, denn eine verbindliche Regel scheint nicht zu existieren. Normalerweise weist dessen aber nicht auf denjenigen, der im Satz etwas tut. Mit sein würde der Arter sein eigenes Layout klauen (soll auch gelegentlich vorkommen), mit dessen ist es jedenfalls sonst jemandes Werk. Für die Weihnachtsfeier bedeutet das: Wer dazu imstande ist, trinke stets nur aus seinem eigenen Glas. Im Zweifelsfall trink wenigstens aus dem Glase eines früheren Users, dessen Lippenstift zu deinem Teint passt. Schließlich soll es eine gelungene Feier werden. Schönes Wochenende!

Freitag, 6. Dezember 2019

Unzensiert

Geschmäcker und Watschen, sagt man, seien verschieden. Euer Kolumnator ist in Watschenfragen keine Koryphäe, dafür ist mein Erfahrungsschatz aktiv wie hoffentlich auch weiterhin passiv zu gering. Da brauchte man schon ein größeres Ohrfeigensample, um sich in dieser Sache kompetent wichtig machen zu können! A propos: Der Zweckdichterbalg konnte kürzlich mit einem Satz aufwarten, den ihr, o verständnisvolle Lesehäschen, jedesmal zielsicher anwenden könnt, wenn ihr bloß höflichkeitshalber nach dem Befinden eines höchstens flüchtig bekannten Gegenübers gefragt und darauf sofort ein zwanzigminütiges Best of seines an beeindruckenden Leistungen nicht armen Lebens präsentiert bekommen habt. In solchen Situationen, wo man versehentlich einen nur zu vollen Ballon losgelassen hat, ohne vorher das Loch zu verknoten, sodass er einem nun aufs Peinlichste die Ohren volltrötet, sage man: Wenn du Bestätigung brauchst, such dir bitte jemand anderen. Hart, aber gerecht und zweifellos wirksam.

Hart ist auch – na was? Genau: Das Feedback. Nicht immer gerecht, aber dafür umso härter. Weil das Feedbackbeet ein Frühbeet ist, gedeihen hier auch in der frischeren Jahreszeit Blüten, die es an fleischig-wuchernder Geschlechtsteilhaftigkeit ohne weiteres mit jeder noch so überzüchteten Orchidee aufnehmen können. Zum Beispiel schrieb euer Ergebener in einem anscheinend unbeholfenen Versuch, den Empfänger zu beglückwünschen:

„Das Wichtigste zum Tage: Happy Birthday!“

Der Unbedarfte könnte (so wie euer Kolumnator) der Ansicht sein, wenn man einem Geburtstagskind erklärt, an seinem Geburtstag sei eben die Tatsache dieses Geburtstages das Wichtigste, dann gehe das schon in Richtung einer gewissen emotionalen – wie soll man sagen: Also, dass der Verfasser dieser Botschaft sich einer gewissen festlichen Grundstimmung im Zweifelsfall nicht unbedingt aktiv verschließen würde, so vong 1 Partyanlass her.

Doch weit gefehlt: Der Headline fehlt es an jeglicher Emotionalität und sie klingt wie eine klassische "News-Headline", was am Thema vorbei ist, da die Emotionalität bei diesem Mailing im Vordergrund steht. Die Headline soll den Kunden außerdem neugierig machen und das Thema "Geburtstag, Feiern, Feste, Geschenk, Gratulation" in einer passenden Art und Weise aufgreifen. Bitte um 2-3 Alternativvorschläge.

Bäm!

Und übrigens, was das Happy Birthday! betrifft: „Bitte eine passende Headline auf deutsch“ [sic!].

Dir, o Feedbacktreibende, kann geholfen werden. Ist ja watscheneinfach.

Schönes Wochenende!