Freitag, 31. Januar 2020

Alt und weiß

Was ist gefährlicher als mit Sebastian Kurz zu koalieren? Richtig: die allseits korrekte Ausdrucksweise. Aber das habt ihr klugen Lesehäschen ja längst gewusst. Nur zu eurer Unterhaltung tischt auch der Zweckdichter deshalb ein frisches Beispiel zum Thema auf. Nämlich gab es in London eine Ausstellung mit Werken des allseits bekannten Malers Paul Gauguin. Wie man weiß, warf sich dieser, nachdem er Kadett bei der Kriegsmarine und erfolgreicher Banker gewesen war, auf die Malerei. Mit 43 machte er einen Schuh, und zwar nach Tahiti, wo er alsbald mit einer jungen Einheimischen – tja, undsoweiter.
Jedenfalls gab es um die Erklärungstexte besagter Ausstellung die eine oder andere Unstimmigkeit. Einer davon sprach nämlich von des Künstlers „relationship with a young
Tahitian woman“. Nach kurzem Hin und Her änderte man dieses in „relationship with a 13- or 14-year-old Tahitian girl“. So weit, so verständlich. Ich weiß nicht, ob und wo im Tahiti des späten 19. Jahrhunderts eine Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenenalter verlief, aber als besorgter Vater bin ich stets dafür, dass 13-Jährige im Zweifelsfall als Kinder gelten. (Schon deshalb, weil man Wesen, die nur sporadisch und unter großen Mühen imstande sind, die eigene Schmutzwäsche dem Wäschekorb zuzuführen, jedenfalls nicht zu den Erwachsenen rechnen kann).
Interessant scheint aber die mitgelieferte Begründung. Die Änderung, so die Ausstellungsmacher, diente nämlich dazu, „culturally insensitive language“ zu vermeiden. Worin hätte aber dieser Mangel an kultureller Sensibilität bestanden? Um Tahiti kann es wohl nicht gegangen sein. Man will den Verantwortlichen ja nicht unterstellen, sie hätten woman stehen lassen, wenn Gauguin sich zum Beispiel in Nüziders einen netten Lebensabend mit einer verständnisvollen und belastbaren Johanna (zum Beispiel) gemacht hätte!
Vermutlich war es genau umgekehrt, und die Betreffenden hatten das Gefühl, sich selbst ertappt zu haben: Sie dachten sich, dass die woman ihnen eben deshalb unterlaufen sei, weil es um Tahiti ging und nicht um Nüziders. Das ist verständlich. Aber ist es nicht auch ein bisschen unsensibel gegenüber den Mädchen aus der eigenen Kultur? Hätte man eher sagen sollen, die Änderung geschah, um – was eigentlich? gender-insensitive language trifft es nicht. Schließlich gehören woman und girl ja zum selben Gender. Vielleicht generation-insensitive. Nehmen wir das. Jedenfalls: Gibt es eine Rangfolge der Unsensibilitäten, so wie es eine Rangfolge der Ministerien gibt. (Gibt es echt: Wie beim Poker oder Bridge Pik mehr wert ist als Kreuz, so ist auch z. B. das Arbeitsministerium wichtiger als das Gesundheitsministerium, und Finanz ist überhaupt der Supertrumpf unter den Ministerien.)
Also: Ist es wichtiger, Misstöne auf zwischenkultureller Ebene zu vermeiden als auf gendertechnischer oder zwischengenerationeller? Und wo kann man das nachschlagen? Vielleicht gibt es ja irgendwo eine Art Börsenticker, der einem verrät, welche Unkorrektheiten gerade anziehen, während andere sich auf eine Baisse zubewegen. Man kann es nur hoffen. Schönes Wochenende!

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