Freitag, 27. November 2020

Ein Aufhebens

 

Wer, o gedächtnisstarke Lesehäschen, erinnert sich noch an die letzte Singleauskoppelung der Ersten Allgemeinen Verunsicherung vor ihrem ersten Nummer-1-Hit? Ja klar, das war Ba-Ba-Banküberfall, damals am 1. Dezember 1985. Die Scheibe schaffte es auf Platz 4, im März darauf kam der Märchenprinz. Wer hat damals besonders gut aufgepasst? Nicht etwa unser vielgeliebter Herr Bundeskanzler, denn der hat immer gut aufgepasst, weshalb es eine unangemessene Unterstellung wäre, zu behaupten, er habe einmal besonders gut aufgepasst. Gut aufgepasst hat er aber, wie man ihm anhört. Daran ersieht man wieder einmal seine Erlöserqualitäten. Dürfte doch die Zeugung des damals gerade erst werdenden Bundesbauxerls am oder um jenen 1. Dezember vonstatten gegangen sein, und schon war er aufmerksam!

Denn was, um die Glückssträhne der rhetorischen Fragen nicht abreißen zu lassen, hat der Ich-Erzähler der besagten Panzerknackerhymne laut eigenem Bekunden? An Hunger und an Durscht, also, falls das einmal jemand nördlich des gern launig so genannten Weißwurstäquators lesen sollte, einen Hunger und einen Durst.

Dies ist eine sprachliche Spezialität, besser gesagt, ein Schmankerl, das einen eigenen Namen verdienen würde: dass man nämlich dem Sprachduktus einen dialektal-umgangssprachlichen Anstrich verleiht, indem man nicht Zählbares mit dem unbestimmten Artikel verheiratet. Denn dieser ähnelt bekanntlich dem ersten Zahlwort in einer schier nicht enden wollenden Reihe derselben, der Eins!

Warum umgangssprachlich? Weil, so die Logik der Näselnden, nur ein Umgangssprecher freiwillig den Eindruck erweckt, er würde Unzählbares zählen. Wie dank EAV allseits bekannt, hat man im erdigeren Umfeld Ostösterreichs nicht Hunger, sondern einen Hunger, und nicht Durst, sondern einen Durst. Der Klugscheißer rümpft darob die Nase.

Nicht so der Kanzler, dessen rhetorische Begabung sich, beiläufig gesagt, in dem Kunstgriff erschöpft, genau diesen unbestimmten Artikel zu setzen, auf dass am Ende Volkstümlichkeit herauskomme. Deshalb hat er uns in seiner Rede zum jüngsten Lockdown erklärt, wann wir hinausdürfen: wenn wir einen Bedarf haben. Möglicherweise auch mit zwei Bedarfen, oder Bedärfern, oder Bedarfsenen, wer weiß das schon so genau. (Wer es genau wissen will: Duden kennt „fachsprachlich“ tatsächlich den Plural Bedarfe. Er kennt allerdings auch den Plural Milche, der ebenfalls nur etwas für Spezialisten ist.)

Der Kanzler also gesteht uns zu, nicht nur mehrere Gründe fürs Hinausgehen zu haben, sondern auch mehr als einen Bedarf. Es ist sehr schön von ihm, dass er im Wege der Artikelvergabe ein gerüttelt Maß an Volksnähe beweist. Vielleicht hat er eine Angst, er würde andernfalls nicht wiedergewählt. Er könnte natürlich auch darauf vertrauen, dass er im Ernstfall ein Glück haben wird.

Was er einstweilen jedenfalls außer unbestimmten Artikeln zu vergeben hat, sind bestimmte Summen. Hat sich Herr Kurz doch im vergangenen Mai dazu gezwungen gesehen, schweren Herzens das Repräsentationsbudget, das ihm als Kanzler für Einladungen, Reisen und sonstige Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung steht, zu vervierfachen. Wer weiß, vielleicht könnte Faymann noch Kanzler sein, wenn er rechtzeitig auf diese Königsidee gekommen wäre! Wie auch immer: Kurz hatte die Idee, hat sie umgesetzt und hat deshalb jetzt was? Genau: ein Geld, hingegen immer noch weniger als 1 Erbarmen mit ersaufenden Flüchtlingen.

Schönes Wochenende!abhagb

Freitag, 20. November 2020

Erhebet die Stimmen

 

Brüder- und Schwesterhäschen im Geiste, damit sind wir auch schon beim Thema. Denn hin und wieder flackert die Diskussion auf, ob Gotteshäuser im Lockdown offen bleiben sollen oder nicht – die katholische Kirche hat die Frage damit erledigt, dass es einstweilen keine öffentlichen Gottesdienste geben wird. Damit haben die Herrschaften vollkommen recht, weil der Gottesdienst unnötig geworden ist.

Denn es gibt Dinge, die keiner Worte bedürfen. Wenn zwei drauf und dran sind, einander die eine oder andere aufzulegen (zu Andreas Khol vielleicht ein andermal mehr), dann siehst du ihnen das auch auf hundert Meter an, ohne dass du hörst, wie der eine dem anderen ankündigt, dass es jetzt gleich Granada spielen wird.

Ähnlich funktioniert das beim Gemurmel von ferne. Du kriegst auch durch die Wand mit, ob deine Nachbarn sich gerade abhauen oder kurz davon sind, einander in die Goschn zu hauen. Bisher klappte das auch in der Öffentlichkeit. Ob ein Politiker eine Rede hielt oder der Pfarrer eine Predigt, das war schon klar, bevor du noch ein einziges Wort verstanden hattest. Am Brevier geschulter Singsang, dazwischen aus der Kopfstimme geknödelt, alles Mögliche ohne Ansehung des Bedeutungsinhalts schnell heruntergeleiert bis zu den letzten ein, zwei Wörtern eines Satzes, die dafür umso getragener ausgesungen wurden – das konnte nur Liturgie sein. In der Predigt war es ein bisschen anders, aber nur ein bisschen, da bemühte sich der Pfarrer je nach rhetorischem Geschick um gesteigertes Verständnis, gerne gewürzt mit einem Predigtmärlein.

Heute klingt das alles ganz genau so, nämlich bei den unregelmäßigen, aber umso schmerzlicher herbeigesehnten Pressekonferenzen des Bundeserlösers.

Man vergegenwärtige sich den o so oft vernommenen Duktus eines Priesters, der genau weiß, dass alle schon alles mitsingen können und es daher nicht darum geht, was er sagt, sondern dass er es genau so sagt, dass die richtige Mischung aus Weihefülle, Bedeutungsschwere und Vertrautheit rüberkommt.

Und dann pfeife man sich die Pressekonferenz unserer vielgeliebten Regierung vom letzten Samstag (es war der 14. November) und dem Kanzler abwärts nochmal rein, denn es gibt was zu gewinnen:

Für jedes Kabinettsmitglied, das NICHT hundertprozentig ganz genau so dahersermonisiert wie der Pfarrer, wenn er schon lange Zähne nach dem Messwein hat, spendiere ich dem Findehäschen ein gut gekühltes Bierchen in der Glasflasche, abzuholen mit Abstand oder gemeinsam zu konsumieren, wenn das wieder möglich ist. Jeder, wirklich jeder Einzelne aus dieser ganzen traurigen Riege von Als-hätten-wir-es-nicht-längst-wissen-Könnern intoniert sein Sprüchlein, als wäre es das Agnus dei. Weil jedem von ihnen klar ist, dass es zu wenig und zu spät ist und weil sie, gut österreichisch sozialisiert, ganz automatisch darauf hoffen, dass, wie die Hostie sich in Fleisch und der Wein in Blut verwandle, aus papierenen Maßnahmen ein rettendes Konzept werde. Man muss nur den richtigen Ton treffen und ganz fest daran glauben.

So, und alle, die es noch können, beten jetzt ein Vaterunser darum, dass wir ganz bald eine Regierung kriegen, der man gleich anhört, ob sie uns eine diesseitige Lösung oder jenseitige Glückseligkeit verheißt, weil man die politische Rede wieder vom katholischen Ritus unterscheiden kann. Wenn es soweit ist, zünde ich im Stephansdom ein Kerzerl an.

Schönes Wochenende!

Freitag, 13. November 2020

Endlich frei

 

O teure Lesehäschen, es kommt tatsächlich Besseres nach. Denn wir ächzen zwar unter Trumpzuckungen, Pandemie und Klimakrise.  Doch was (so im alten jüdischen Witz) tut Gott? Er schickt uns in die Freizeitgesellschaft, die der Generation eures Kolumnators schon versprochen wird, seit wir „Lohnsteuer“ buchstabieren können.

Aber der Reihe nach. Es ist ja nicht nur die Sprache schon kompliziert genug, auch Mathe ist voll schwierig. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch, so unser alter Rechenkönig Friedrich Hölderlin. Deshalb hat Gott uns Rechenprotze geschickt, damit sie uns das mit den Zahlen abnehmen. Manche von ihnen sind besonders fleißig und können beim Institut für Höhere Studien anheuern.

Dieses IHS hat nun ausgerechnet, dass die Freizeitgesellschaft bald vollrohr reinhauen wird. Die Botschaft ist ein Musterbeispiel dafür, was burying the lede bedeutet: dass der spannendste Teil einer Nachricht irgendwo im Fließtext versteckt ist. Im Artikel zum Thema geht es augenscheinlich um was Todlangweiliges, das keinen Menschen hinterm Ofen hervorholt, nämlich die Frage, ob die Schulen den Präsenzbetrieb aufrechterhalten sollen. Mirdochwurscht, Hauptsache, die Möbelhäuser bleiben offen!

Also wie jetzt? Die Checkerbunnys beim IHS haben den volkswirtschaftlichen Schaden eines Schullockdown (oder heißt es eines Schullockdowns? Antwort: Je tiefer das fremde Wort schon im deutschen Sprachgebrauch verwurzelt ist, desto eher gilt der deutsche Genitiv. Wer die Freuden des Lockdowns schon nicht mehr wegdenken kann, der hängt das -s an. Wer des Lockdown schon übersatt ist, lässt -s bleiben.)

– also, im IHS hat man ausgerechnet, wieviel ein Schullockdown kostet. Denn nach einer Schulkarriere mit einem Monat Homeschooling ist eine Schülerin (Schüler sowieso, die checken von Haus aus weniger) so viel schlechter ausgebildet, dass sie später pro Jahr 150 Euro weniger verdient, als wenn sie die ganze Zeit Präsenzunterricht genossen hätte (also um etwa zehn Euro pro Monat, zwischen einem Drittel und einem Fünftel der Pensionserhöhung für 2020. Nur so zur Einordnung.)

Daraus errechnet das IHS einen „Verlust von über zwei Milliarden Euro (0,5 Prozent des BIPs) oder mehr pro Schullockdownmonat“.

Das muss man sich mal vorstellen! Also: In Österreich gibt es gut eine Million Schülerinnen und Schüler. Damit sie einen Verlust von zwei Milliarden erleiden, muss jeder von ihnen um 2.000 Euro umfallen.

Und jetzt der coole Teil an dieser ganzen Rechnerei: Wenn wir 2.000 Euro durch die 150 Euro pro Jahr dividieren, zeigt sich, dass die kleinen Faulbären nicht etwa hackeln werden, bis die Schwarte kracht. Sie dürfen es nach knapp vierzehn Berufsjahren gut sein lassen. Denn bei mehr als 14 Jahren müsste auch der Verlust mehr als zwei Milliarden ausmachen.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, meine leistungswilligen, doch im Grunde lebensbejahenden Häschen. Aber wenn ich mich entscheiden müsste zwischen zehn Euro mehr pro Monat und zwanzig Jahren weniger Erwerbstätigkeit – mein Grübeln wollte enden.

Das mit den „0,5 Prozent des BIPs“ nehmen wir dafür in Kauf, zumal das BIP jährlich anfällt, sich der Verlust aber, wie eben dargetan, auf vierzehn Jahre verteilt.

Die andere Möglichkeit ist, dass auch das IHS mit, ach nehmen wir mal vierzig, Berufsjahren rechnet. Wenn wir diese mit den 150 Euro Verlust multiplizieren, kommt – richtig! – 6.000 heraus. Dividieren wir die zwei Milliarden durch die 6.000 Euro Verlust, dann zeigt sich: Nur ein Drittel der Schüler erleiden durch den Lockdown Schaden. Fazit: Wie man es auch betrachtet, es ist alles nicht so schlimm. Schönes Wochenende!

Freitag, 6. November 2020

Lehren aus dem Amoklauf

 

Die USA haben ihre Präsidentschaftswahl hinter sich gebracht, und ohne zu wissen, wie es ausgegangen ist, traut sich euer Ergebener jetzt schon zu prophezeien, dass ein Pallawatsch folgen wird. Dafür muss man leider kein Hellseher sein. Aus gegebenem Anlass und weil Herrn Trumps Haare nun einmal aussehen, wie sie aussehen, wenden wir uns dem Frühstück zu, genauer gesagt: dem Orangensaft. Denn auf der Orangensaftpackung steht zu lesen: Das Beste aus 15 Orangen bietet jede Packung ohne selbst Früchte auspressen zu müssen. Abgesehen davon, dass ein Beistrich nach „Packung“ der Sache guttäte, kann man da nur antworten „no na“. Dass die Packung keine Früchte auspressen muss, ist doch hoffentlich klar, wo kämen wir da hin. So ein Tetrapack ist schließlich keine vagina dentata, in die man unschuldige Orangen hineinwirft, auf dass ihr zartes Fleisch von den unerbittlichen Organen der Packung entsaftet werde. So viel dazu.

Weit irritierender ist, was UHBK nach dem Attentat im 1. Bezirk, das vielleicht doch ein Amoklauf war, zu sagen hatte. Irritierend, weil es euren Ergebenen wieder einmal darauf zurückwarf, wie unsicher doch die eigenen Überzeugungen sind. Denn, so Bastlwastl, der Täter sei von Hass auf unsere Grundwerte getrieben worden. Damit mag er recht haben, die Feststellung gemahnt aber an den alten Witz Wer ist wir, Weißbrot? Sind Kurzis Grundwerte brauchbare Häschenwerte? Ich weiß es nicht, aber wer seinen Schallenberg vorschickt, um zu erklären, warum es klug und wichtig ist, Kinder im Dreck liegen zu lassen, der glaubt möglicherweise an Grundwerte, mit denen man weder zum Amokläufer noch zum Lesehäschen taugt.

Es war jedoch, so fair muss man sein, nicht alles schlecht an den Auslassungen des Bundeskanzlers. Innerhalb von Stunden nach der Schießerei stellte er fest, dass die Tat, die er einen „Terroranschlag“ nannte, „sehr professionell vorbereitet“ worden sei.

Dies erklärt nicht nur manches, sondern vieles. Ich will ja nicht mit meiner kriminellen Energie noch mit der meiner Bekanntschaften prunken und auch nicht die Aufmerksamkeit der Terrorismusbekämpfer, soweit sie nicht damit befasst sind, sich von den Wunden zu erholen, die ihnen die Kickl’sche Sicherheitspolitik geschlagen hat, auf uns lenken. Aber wenn die fähigeren Menschen im näheren Umfeld eures Kolumnators ihren Ehrgeiz darein setzen würden, möglichst viele Unschuldige zu töten, dann, darauf wette ich, wäre es mit vier Opfern nicht getan.

Der Kanzler hingegen sieht es als „sehr professionell“ an, wenn ein Täter es zwar schafft, sich illegal ein Sturmgewehr zu beschaffen, dann aber deppert genug ist, in einem normalen Waffenladen Munition dafür kaufen zu wollen. Weil er halt ganz professionell nicht dergooglet hat, dass man auch für Munition ein waffenrechtliches Dokument braucht. Als es ihm dann gelungen war, sich Munition zu beschaffen, hat sich der Täter in den ersten Bezirk begeben, wo er angefangen hat, professionell um sich zu schießen. Dank seiner sorgfältigenVorbereitung hat er dabei neben anderen einen Landsmann und Glaubensgenossen getötet.

Angesichts der Maßstäbe, die der Maturakanzler an Professionalität anlegt, sind alle Zweifel daran beseitigt, warum auch die Pandemiepolitik der Regierung so aussieht, wie sie aussieht. Diese Klärung hat der Amoklauf immerhin gebracht.

Schönes Wochenende!