Es geht, meine teuren und sicherlich regelmäßig getesteten Nasenbohrerhäschen, ein Gespenst um in Europa. Natürlich nicht das Gespenst des Kommunismus, da leisten der Herr Innenminister und seine Partei ja vorbildliche Prophylaxe etwa durch die Abschiedung von Kindern. Nein, das Gespenst hat einen Namen, nämlich Willi. Herr Willi ist uns aus dem peinlichen Justizgezerre rund um die sexuellen Beleidigungen bekannt, die Sigi Maurer vor nun schon über zweieinhalb Jahren erreicht haben, und zwar vom Account des sogenannten „Bierwirten“, der versichert, dass er das aber nicht war, sondern der Herr Willi. Der Herr Willi seinerseits sagt, er war es auch nicht, und wie es aussieht, hat Frau Maurer nun endlich die nötige Muße, um die Kapriolen des Koalitionspartners auf sich wirken zu lassen. Die jüngsten Entwicklungen rund um unseren verehrten Herrn Vizekanzler Blümel lassen jedenfalls befürchten, dass der Computer des Bierwirten nicht der einzige war, an dem sich Herr Willi zu schaffen gemacht hat. Sollte doch ein Laptop des bekannt begeisterten Smartphoneusers Blümel auftauchen, dann können wir uns schon denken, wer dort etwaiges belastendes Material hinterlassen hat!
Damit zur Kernfrage des heutigen Tages, nämlich: Was streamen wir heute? Beziehungsweise: Warum streamen wir es nur zu oft nicht? Weil die eine große Streamingplattform, nämlich Netflix, zwar hunderte von selbstproduzierten Serien im Angebot hat, jedoch mit einem Filmangebot protzt, für das sich die Pfarrbücherei von Nenzing genieren würde, wo die DVDs wahrscheinlich in der Nische hinterm Ficus stehen (ich war wohl schon in Nenzing, aber noch nie in der Pfarrbücherei). Die andere hingegen, nämlich Amazon, scheint einen schwunghaften Mikrohandel mit einer dort allzuknappen Ressource zu ermöglichen. Ich stelle mir vor, dass über den Erdball verstreut boshafte Menschen in Souterrainwohnungen vor Rechnern mit teuren Breitbandanschlüssen sitzen und rund um die Uhr Termingeschäfte mit Originaltönen tätigen. Denn Originaltöne sind ganz, ganz schwierig, wie es scheint. Amazon kann es sich einfach nicht leisten, die mir nichts, dir nichts standardmäßig bereitzustellen. Du willst Natural Born Killers sehen? Gerne, solange es auf Deutsch ist. O Amazon, so geht das nicht.
Aber was nutzt das Jammern, es gibt ja schließlich die Klassiker! Endlich einmal in Ruhe Citizen Kane schauen, der ja gerne als bester Film aller Zeiten gehandelt wird! Allerdings nicht auf Netflix. Und Amazon serviert das Meisterwerk in deutscher Synchronfassung. So treibt man gesetzestreue Bürger in die Arme der Filmpiraterie, Herrschaften, denn auf einschlägigen Seiten darf man, Fanfare!, Orson Welles zuhören, wie er Englisch spricht. Aber schon eine Stufe darunter sieht es trübe aus: Wenn dir nach dem Film-Noir-Klassiker The Big Sleep ist, dann hoffst du vergeblich auf die Stimme von Humphrey Bogart und darfst stattdessen Arnold Marquis lauschen, der, wie uns das Internet wissen lässt, einer der meistgebuchten deutschen Synchronsprecher war. Schön für ihn! In diesem Fall nützt es auch nichts, in Nenzing zu wohnen, und selbst die bestsortierten Piratenseiten lassen dich im Stich. Weil du diesen Film in der Originalversion nämlich online überhaupt nirgends findest, wurscht, dass Howard Hawks ein wahres Prachtstück von Regiearbeit abgeliefert hat und William Faulkner (eh nur Nobelpreisträger) das Drehbuch nach einem Roman von Raymond Chandler, eh nur einem der besten Detektivschriftsteller von überhaupt, und eh nur mit Bogey und Lauren Bacall.
Ganz ehrlich: Das ist nicht die Zukunft, die uns einst versprochen wurde. Musst du dich jetzt echt mit schwindligen VPN-Lösungen herumschlagen? Kommt drauf an. Wenn du in Nenzing wohnst, vermutlich ja. In Wien hilft der ganz analoge Gang zur nächstgelegenen Filiale der städtischen Büchereien. Schönes Wochenende!
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