Dieses zur-sache.at, o politisch interessierte Lesehäschen, ist einfach immer einen Besuch wird. Dort findet man ganz neue Aspekte an Dingen, die man längst behirnt zu haben glaubte. Freilich sind es oft etwas sonderbare Aspekte, sodass sich vor dem einschlägig Interessierten eine Wiese voller Stilblüten ausbreitet, die aber wegen der allzu zahlreich herumliegenden Kadaver geschossener Böcke stark ins ästhetisch Fragwürdige lappt.
Euer Ergebener meint damit nicht die Kampagne zur Abschaffung des Genitiv (nicht etwa „des Genitivs“), die anscheinend top-down gefahren wird: Wenn dem Chefredakteur der Inhaber „des Gasthaus“ recht ist, so darf dem Unterschackl die Ausstellung „des Pass“ nur billig sein. Offen bleibt, ob der zweite Fall in seiner Rolle als Juniorpartner oder aber als Opposition des ersten über die Klinge springen soll.
Darum also soll es nicht gehen, sondern vielmehr um die feine Klinge, die der Chefredakteur zu führen weiß, wenn es die Sache seines Klienten, also der Neuen ÖVP, gilt. Zur großen Freude von zur-sache.at hat nämlich Joachim Lottmann in der Welt einen Essay darüber geschrieben, wie arm die Politiker sind, weil die Journalisten so gemein zu ihnen sind. Dieser verbirgt sich zwar hinter der Bezahlschranke der Welt, aber Chefredakteur Reitan hat schön für uns zusammengefasst, was Lottmann zur Ibiza-Affäre eingefallen ist. Gudenus und Strache wurden dort nämlich "abgefüllt und abgehört“ (für solche Formulierungen braucht man den Popliteraten, gelernt ist gelernt!), wodurch sich Lottmann an das umfassende Spitzelsystem erinnert fühlt, das Fürst Metternich einst in Österreich errichtet hatte und jenes andere, als in der DDR die Stasi damit beschäftigt war, die Bevölkerung zu belauschen und ihre Briefe zu öffnen.
Und tatsächlich: Wenn man so drüber nachdenkt, ist das doch in Ibiza genauso gelaufen! Ein Beamtenheer trat ins Glied, um im Rahmen einer generalstabsmäßig geplanten Großaktion zwei bis dahin praktisch unbescholtene Staatsbürger in einen Hinterhalt zu locken und anschließend an den Pranger zu stellen. Eigentlich irre, dass es volle zwei Jahre gedauert hat, bis das jemandem auffällt! Jaja, der Blick von außen ist oft der klarere, und wir gelernten habsburgischen Untertanen sind für das Offensichtliche bisweilen blind.
Man kann die Beflissenheit nur kopfschüttelnd bestaunen, mit der ein einstiger Journalist diesen Schmarren an die Öffentlichkeit trägt. Und man kann nur spekulieren, dass hier das Belauschen von Politikern überhaupt in Misskredit gebracht werden soll, nach dem Muster: Wenn es schon böse und schlecht ist, die zwei Schießbudenfiguren auf Ibiza heimlich zu filmen, wie böse und schlecht ist es dann erst, die Chatprotokolle von Sebastian und Gernot nachzulesen! (Wobei noch zu klären bleibt, wer von ihnen den größten Schaden angerichtet hat.) Das ist dann das gefinkelte journalistische Bandenspiel, bei dem freilich, wenn es blöd hergeht, unterm Strich auch nur übrig bleibt, dass Gernot und Sebastian immerhin nicht ganz so deppert sind wie Haze und Johann.
Wenigstens lernen wir daraus, dass einem kein Gefährte zu doof ist, wenn man es sich zur Aufgabe hat machen lassen, die ÖVP gut dastehen zu lassen. Es darf einem halt nicht gleich grausen, und vermutlich hat sich der Herr Reitan schon angewöhnt, die Sachertorte gleich mit dem Schweinsbraten zu essen, weil im Magen ja eh alles zusammenkommt.
Und noch etwas haben wir gelernt: Wikipedia ist durchaus einen Klick wert, durch den man dann erfährt, dass Herr Lottmann „auch in seinen journalistischen Arbeiten einen lockeren Umgang mit Tatsachen“ pflegt. Allerdings.
Schönes Wochenende!