Freitag, 1. April 2022

Der, die, das Watschen

 

Will Smith hat Chris Rock eine Watschen gegeben und steht jetzt blöd da.

Euer Ergebener fragt sich, warum eigentlich.  Die Antwort liegt wohl, wie heute meistens, im Framing.

Es ist nämlich so, dass Will Smith, fast einsneunzig groß, vermutlich ganz ordentlich trainiert und einer der bestbezahlten Schauspieler unserer Tage, bei der Oscargala plötzlich die Beherrschung verloren hat. Chris Rock, der ebenfalls nicht schlecht verdienen dürfte, aber eine gute Handbreit kleiner ist, musste eine Watschen einstecken, nur weil er einen blöden Witz über Smiths Frau gemacht hatte.

Sabine Zeithammer lobte Herrn Rock im Falter, weil er auf die Fotzn „hoch professionell reagiert“ habe. (Seine Reaktion bestand darin, zu verkünden, dass ihm Will Smith gerade eine geknallt habe, was jetzt vom Informationsgehalt her eher dünn ist für jemanden, der als Gage für den Abend sicher nicht den Jackpot geknackt hat, aber wohl immerhin einen fünfstelligen Betrag mit heimnimmt.)

 

Es ist aber auch so, dass ein hochbezahlter Starmoderator einen geschmacklosen Witz über eine schwarze Frau gemacht hat, weil ihr, wie man seit Jahren weiß, infolge einer Autoimmunerkrankung die Haare ausgehen. Ihr Lebenspartner ist für sie eingestanden, wobei er wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. Soviel zum Thema Framing.

 

Es ist weiters so, dass Frau Zeithammer im Falter (in bester Gesellschaft mit vielen anderen) bei Herrn Smith toxische Männlichkeit diagnostiziert hat, und da wird es jetzt ein bissi schwierig, wenn ihr mich fragt, ihr bisweilen fast schon zu friedfertigen Lesehäschen. Was wäre die angemessene, genießbare Reaktion gewesen? Abwarten und hoffen, dass man einen Oscar abräumt, um dem Rock dann im Rahmen der Dankesrede gepflegt eins reinzuwürgen? Und wenn man keinen Oscar gewinnt, was Treffendes twittern?

Kann man machen. Beides setzt aber ein gerüttelt Maß an kulturellem Kapital voraus. Auf einen Oscar hoffen oder fies twittern, das sind realistische Optionen für den Smith. Aber wenn der Rock diesen Witz über unsereinen macht, wie reagieren wir dann angemessen? Wir gewinnen sicher keinen Oscar, und ob wir was twittern oder nicht, zieht keinem die Wurst vom Teller. Bleibt uns dann nur ein gezwungenes Lächeln?

Die Antwort ist wohl: Der Herr Rock käme schon deshalb nicht auf die Idee, den Witz in unserem Stammbeisl zu bringen, weil er schon so eine Ahnung hätte, dass er sich dann eventuell eine einfängt. Weil ein zu großes Gefälle an öffentlicher Reichweite halt bisweilen durch Körperlichkeit ausgeglichen wird.

Der Vorwurf an Herrn Smith lautet also in Wahrheit, dass er zu viel kulturelles Kapital angehäuft hat, um jemandem eine runterzuhauen. Darüber, wie toxisch eine Watschen an sich ist, ist damit aber noch gar nichts gesagt. Es ist lediglich behauptet, dass eine Watschen etwas Männliches ist.

Ich für mein Teil plädiere daher stark dafür, die Watschen gendersensibel zu erobern. Wenn man bei grobem Deppertsein einer Maulschelle nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen und Nichtbinären gewärtig sein muss, überlegt man es sich zweimal, wie tief ein Witz sein darf.  

Denn noch professioneller als die etwas müde Reaktion wäre es für einen Komiker mit bald 40 Jahren Erfahrung im Showgeschäft wohl gewesen, sich das Scherzchen (das laut Herrn Rock improvisiert und nicht gescriptet war) einfach zu verkneifen. Schönes Wochenende!

 


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