Freitag, 24. Juni 2022

Krank

 

O Lesehäschen, wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Dies gilt umsomehr, wenn du dir eine leicht zu verarschende Erkrankung wie Wurmfraß oder Froscheier einfängst. Umgekehrt ist es nicht angenehm für die jeweils dort Ansäßigen, wenn zum Beispiel von der französischen Krankheit die Rede ist. Gemeint ist damit die Syphilis, weil sie sich mit den napoleonischen Kriegen über Europa hermachte. Die Wiener Krankheit hingegen war die Tuberkulose. 

Damit niemand mehr seine geliebte Heimat anderswo mit einer Seuche assoziiert sieht und sich im Falle eines Falles auch keinen Vergleich mit mehr oder weniger unansehnlichem Viehzeug gefallen lassen muss, hat die WHO die Order ausgegeben, dass Krankheiten nicht mehr nach Tieren oder Regionen benannt werden.

Dies betrifft natürlich die Affenpocken, die erstens einmal Hohnpotenzial bergen, weil man ja schließlich, wenn man schon muss, lieber eine Menschenkrankheit nimmt. Zweitens, so die WHO, könne der Name als Hinweis auf eine afrikanische Herkunft des Virus missverstanden werden. Das sagt mehr Unerfreuliches über den vermuteten Bildungsstand der Leute als über ihre Diskriminierungsbereitschaft, da es Affen ja auch anderswo gibt. Wie auch immer: Wenn niemand mehr verhohnepipelt wird, weil er sich das Zeug gefangen hat, war es die Sache wohl schon wert.

Der Krebs, die Spanische Grippe etc. bleiben von der neuen Regelung übrigens unbetroffen. Man könnte spekulieren, dass Gliederfüßer weniger geeignet sind, Sticheleien auszulösen. Dies steht aber zu bezweifeln, denn Kakerlakenfieber, Asselmumps oder Spinnenflechte wären gewiss nicht gerade die chick magnets unter den Krankheiten, gäbe es sie denn. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass bei Krankheiten wie im Bauwesen der Altbestand unantastbar ist. Willst du heute etwas errichten, dann sind nur handgeklöppelte Verputzmatten und Gebäudehöhen bis zu zwei Metern genehmigungsfähig. Selbst wenn sich Albert Speer nebenan mit einem Denkmal für die Helden der brutalistischen Architektur verewigt hat, geht für dich ohne Satteldach gar nix.

So ähnlich dürfte es mit den Krankheiten sein. Deshalb heißt Krebs weiterhin Krebs, auch wenn wir Krankheiten keine Tiernamen mehr geben (außer natürlich dem Bandwurm, das ist halt leider so). So viel von der Seuchenfront. Schönes Wochenende!

Freitag, 10. Juni 2022

Ordnung

 

Es ist, meine teuren, aber nicht sonderlich leistungswilligen Lesehäschen, erst Anfang Juni! Niemand, tatsächlich niemand hat auf die Frage nach der korrekten Bezeichnung für, nunja, Ausübende des Zimmereiberufs, denen man mit Zimmermann oder Zimmerfrau auf den Schlips oder ein genderneutrales Accessoire stiege, auch nur eine depperte Antwort geliefert.

Notenkonferenz ist bitte erst übernächste Woche, Herrschaften, bis dahin erwarte ich mir gefälligst Mitarbeit! Die richtige Antwort lautet natürlich Zimmerperson, was den Vorteil hat, dass sich damit nicht nur die herkömmlichen Zimmerleute gemeint zu fühlen haben, die etwa mit einem Latthammer oder einem Kronenbohrer etwas anzufangen wissen, sondern, nehmt alles nur in allem, auch jene Zimmermädchen, -buben und sonstigen Zimmermenschen, deren Wirkungsgebiet nicht die Errichtung, sondern die Erhaltung einer ordentlichen Räumlichkeit ist. Wenn das keine Effizienzsteigerung ist, dann weiß ich auch nicht.

Ganz anders sieht es leider im Bereich der Musik-Apps aus. Angenommen, du hast einen guten Freund, der dir einst, als wir noch auf Dinosauriern zum Konsum geritten sind, nicht etwa eine Mix-CD gebrannt hat, sondern eine Serie von fünf Stück mit ungefähr 90 Nummern drauf. Er hat viel Zeit und Liebe darauf verwendet, und du willst das wertvolle Kompilat nicht mit den Selbstgebrannten untergehen lassen. Also rippst du die Dinger, man hat ja als alter Sack ein CD-Laufwerk parat.

Jetzt kommt der wichtige Teil: das Zeug so aufzubereiten, dass eine handelsübliche Musik-App die Stücke in der richtigen Reihenfolge abspielt, denn Shuffle wäre hier so wie Ketchup zum Schnitzel oder in Montana Steaksauce zum Steak (in Montana ist das anscheinend voll das No-Go). Man denkt sich zunächst, die App könnte die Reihenfolge des Rippens einhalten, irgendwie geht das aber nicht. Das Internet rät dir daher, am Anfang jedes Dateinamens eine hinreichend vielstellige Nummer einzufügen und die Stücke nach Namen zu ordnen.

Gesagt, getan. Natürlich dauert das, aber es hat ja auch gedauert , die CDs zu rippen sowie Interpret und Titel jeder Nummer zu ergänzen, da kommt es darauf auch nicht mehr an.

Nun hast du die Playlist auf dem Handy, ordnest sie nach Namen und drückst Play. Es ertönt als erstes Abgesang von Gustav, was nett ist, aber erst ungefähr an 70. Stelle kommen sollte. Nach einigem Herumprobieren stellst du fest, dass die App nicht imstande ist, die Lieder nach den Dateinamen zu ordnen. Wenn sie auch behauptet, das zu tun, so ordnet sie stattdessen doch trotzdem hartnäckig nach Titeln. Da war der Tipp aus dem Internet vielleicht doch nicht so gut. Es könnte natürlich auch an der doofen vorinstallierten App liegen. Schließlich gibt es noch ungefähr 5.000 andere Musik-Apps.

Machen wir es kurz: Anscheinend gibt es keine einzige App, die sich dazu bewegen lässt, die tatsächlichen Dateinamen als Ordnungsprinzip zu nutzen. Auch bei 90 Stücken auf der Playlist muss man sie manuell in die gewünschte Reihenfolge bringen.

Irgendwie musste euer Ergebener bei dieser Entdeckung an ein kürzlich erfolgtes Feedback denken: Zu abstrakt abgeholt!

Da kann man nur auf ein schönes Wochenende hoffen.

Freitag, 3. Juni 2022

Wurscht

 

Es gibt, o brennend interessierte Lesehäschen, Neues vom Bauvorhaben. Wir lernen diese Woche, dass es eine Unschärferelation nicht nur auf Quantenebene gibt. Wir erinnern uns: Der olle Heisenberg (nicht der von Breaking Bad, der originale) hat herausgefunden, dass man von gewissen Teilchen entweder feststellen kann, wo sie sich befinden oder wie schnell sie unterwegs sind, aber nicht beides zugleich. Ähnlich steht es um die sogenannte hundertjährige Hochwasserlinie.

Nämlich hat die Wildbach- und Lawinenverbauung, besser bekannt als „die Wildbach“, kundgetan, dass alles super sei, man müsse sich nur an diese Linie halten. Wer nun fragt, wo diese zu finden ist, dem sei gesagt: woanders. Natürlich gab es in den letzten Jahren Hochwasser, und mindestens eines davon zählt als hundertjährig, und man hat ja Fotos lagernd. Aber wurden die in der richtigen Minute gemacht? Wie steht es um Parallaxenverschiebung, deep fakes und weißdergeier?

Nach kurzem Hin und Her und Rücksprache mit der Wildbach ließ sich die zweithöchste Baubehörde schließlich zu der Auskunft herbei, dass die Linie sich nicht dort befindet, wo sie auf den Bildern ersichtlich ist. Das wäre zu einfach. Vielmehr ist sie „zehn bis fünfzehn Zentimeter“ hangaufwärts zu verorten. Welche segensreichen Auswirkungen diese zehn bis fünfzehn Zentimeter zeitigen werden, nämlich im Falle, dass wieder einmal ein hundertjähriges Hochwasser eintritt, bleibe dahingestellt, auch angesichts der Tatsache, dass diese ein bis zwei Handbreit im konkreten Fall ein Volumen von weniger als hundert Litern ausmachen, was bei einem Jahrhundertregenereignis vermutlich nicht die Wurst vom Teller zieht.

Von Bedeutung ist die Verschiebung aber auf jeden Fall für den Planzeichner, der zum ixundzwanzigsten Mal einen neuen Plan zu zeichnen hat, was er, so steht zu fürchten, gerne tun wird, aber nicht um Gottes Lohn. Dabei dürfen wir uns ruhig in Erinnerung rufen, dass ein Einreichplan üblicherweise im Maßstab 1:100 angefertigt wird, sodass zehn echte Zentimeter einem Planmillimeter entsprechen.

Wir können jedenfalls festhalten, dass das Hauptziel des Bauvorhabens schon jetzt erreicht wurde. Dient doch ein solches in in erster Linie der Vergewisserung, worin die Untertanen-  ach was, die Staatsbürgerlichkeit besteht. Nämlich darin, dass dir jemand, der mit ziemlicher Sicherheit schlechter in Mathe ist als du, aufoktroyiert, dass du einem Dritten zwecks Darstellung eines kaum erkennbaren Unterschieds Geld nachwirfst, um einen Sicherheitsvorteil zu erzielen, der, in Zahlen ausgedrückt, vermutlich nicht so erheblich ist wie die Frage, ob du beim Radfahren einen Helm trägst, sondern wie jene, ob du dir den Helm mit der linken oder rechten Hand zuschnallst. Schönes Wochenende!