Freitag, 30. Juni 2023

Mehrzahl

Deutsch, o grammatikfeste Lesehäschen, ist schwierig. Klar gibt es schwierigere Sprachen. Eine einstige Kollegin eures Ergebenen lachte nur abfällig, wenn jemand mit „deutsche Sprache, schwere Sprache“ daherkam, denn sie war mit dem Polnischen vertraut. Auch vom Arabischen hört man, dass es nicht ohne sein soll.

Das tut der Tatsache aber keinen Abbruch, dass auch das Deutsche den einen oder anderen Fallstrick zu bieten hat. Zum Beispiel ist es mit der Pluralbildung nicht so easy-cheesy-lemon-squeezy wie zum Beispiel im Englischen, wo man ein s dranhängt und der Käse ist gegessen beziehungsweise, wie man auf Schwäbisch sagt, der Kittel geflickt, wobei im Schwäbischen jegliches äußere Oberbekleidungsstück ein Kittel sein kann, auch dein Armanisakko. 

Im Deutschen ist es mal so, mal so. Der Plural von Streik zum Beispiel ist Streiks, was eventuell damit zu tun haben könnte, dass es aus dem Englischen stammt. Der Plural von Streit ist aber, und hier sehe ich die ZEIT scharf an, deshalb nicht einfach analog Streits, weil Streit eben nichts Englisches hat, sondern Streite. Ist aber eh wurscht, weil man Streite so oft braucht wie Milche (heißt wirklich so). Man behilft sich stattdessen mit Streitigkeiten, Streitereien, Meinungsverschiedenheiten oder eventuell sogar Prügeleien.

Leider ist zumindest Duden mit sich uneins, wie der Plural fremder oder zumindest fremdartiger Wörter zu handhaben sei. Über den Streik, der sein englisches -s behalten darf, haben wir bereits gesprochen. Seltsamerweise besteht Duden aber darauf, dass der Plural von Motto nicht etwa Motti laute, obgleich das Motto eins-a italienisch ist, sondern Mottos. Beim Cappuccino und Espresso lässt Duden beides zu, ebenso wie beim Salto. Wenn du allerdings „zwei Espressos“ bestellst, bekommst du hoffentlich, was du verdienst, nämlich zwei Starbucks-Spezialitäten zu je 4,79. Da soll sich noch einer auskennen. Und warum haben wir zwei Computer, die Engländer aber two computers?

Über die Stiefel und Brezeln müssen wir uns hoffentlich nicht auslassen, das ist ja der Deppenapostroph des gewieften Pluralbildners. Im Zuge der Recherche für diese Kolumne hat euer Ergebener übrigens eine Runde gegooglet – für euch ist mir kein Aufwand zu hoch! – und dabei eine Seite gefunden, die Aufschluss über „komplizierte Plurale“ verhieß. Misstrauen weckte der Satzanfang „Hinzukommen Nomen, die …“, und die folgende Tabelle enttäuschte denn auch nicht: Die Mehrzahl von Bonus und Globus, so die Seite, laute jeweils (ohne Alternativen) Bonusse und Globusse, jene von Lexikon allen Ernstes Lexiken. Angesichts dessen würde ich mir von „leemeta-übersetzungen.de“ eher nichts über Sprachen weismachen lassen, die ich nicht selber beherrsche. Denn ehrlich: Klar stehen diese Formen im Duden. Mit ihrer Verwendung ist es allerdings so wie mit weißen Socken in Trekkingsandalen. Es gibt kein Gesetz dagegen, aber es sieht halt schon richtig kacke aus. Schöne Wochenenden!


 

Freitag, 16. Juni 2023

Schmäh ohne

 

Habt ihr eigentlich, o espritschäumende Lesehäschen, auch bisweilen den Eindrucke, dass manche Berufsgruppen – also, wie soll ich sagen. Es gibt so Branchen, da hat es mehr Langweiler als anderswo.

Euer Ergebener hat zum Beispiel das Vergnügen, zu seinem erweiterten Freundeskreis zwei Anwälte zählen zu dürfen, die beide einen guten Schmäh haben. Euer Ergebener hat aber nicht nur ein Vergnügen, sondern auch einen Eindruck. Nämlich den Eindruck, dass ein guter Schmäh unter Anwälten ein seltenerer Vogel ist als unter, sagen wir, Installateuren oder Werbetextern.

Ähnliches gilt für Menschen in wichtigen Führungspositionen. Nur allzuoft erzählen sie uns in epischer Breite von ihren Erfahrungen mit Sportanlagen, wenn wir den zugehörigen Sport erklärtermaßen nicht betreiben, oder von der Besichtigung einer Institution, die in ihr Fach schlägt, nicht aber in unseres, weshalb unsere Faszination viel eher enden will als ihre Berichterstattung.

Der Zweckdichter neigt zu der Vermutung, dass das eine Geldfrage ist, vorausgesetzt, man akzeptiert, dass Geld den Charakter verdirbt. Das heißt: Je besser ein Mensch fürs Reden bezahlt wird, desto stärker lässt er sich zu der Annahme verführen, dass seine Rede des Zuhörens wert sei. Leute, die ihr Geld nicht mit Reden verdienen, haben es daher leichter, ihren Schmäh frischzuhalten. Wenn du dich hingegen daran gewöhnst, dass an deinen Lippen gehangen wird, sitzt du eventuell irgendwann dem Trugschluss auf, das liege an der Qualität deiner Worte anstatt an ihrem Preis.

Diesen Verdacht stärkt die Tatsache, dass solche Menschen gern auch glauben, ihr Leben sei interessanter als deines. Fragst du sie, wie es ihnen gehe, dann geben sie dir in mehr als wünschbarer Ausführlichkeit Rechenschaft über ihr Befinden, ihre Urlaubspläne respektive stattgehabte Erholungsphasen, den Mangel daran und was sonst noch so anliegt. Was am Ende dieses Schnittbilds durch ihr Leben freilich fehlt, ist die Gegenfrage: „Und bei dir?“ Dies liegt, wie gesagt, daran, dass dein Leben fader ist als ihres.

Dafür kennst du mehr Leute mit Schmäh.

Schönes Wochenende!

Freitag, 2. Juni 2023

Tote tragen keine Sternchen

 

Es ist, o fröhlich fluide Lesehäsch:innen, mit dem Gendern leider noch nicht alles so in trockenen Tüchern,  wie man nach flüchtigen Blicken in den nächstbesten, gründlich besternten Werbebrief glauben könnte. 

Noch immer ist es nämlich angesichts bevorstehender Elternwerdung von, zum Beispiel, Geschäftspartnern gang und gäbe, scheinbar höflich zu fragen: „Was wird es denn?“ – und darauf ganz selbstverständlich eine binäre Antwort zu erwarten.

What the geschlechtsteil! möchte man da empört ausrufen, denn die korrekte Erwiderung kann natürlich nur lauten: „ein Kind“, wenn man sich nicht zur Bosheit von „ein Genderstern“ herablassen will. So werden kleine Menschen schon ins Prokrustesbett überholter Schemata gepresst, bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblicken. Sie können halt noch nicht sagen, ob sie dysphorisch oder anderweitig nichtnormativ geprägt sind, die Bauxerln. Da muss ein Blick auf die organische Ausstattung reichen.

Auch diesbezüglich gibt es ja immer wieder heftige Reaktionen, wenn jemand behauptet, es gebe nur zwei biologische Geschlechter.

Euer Zweckdichter lädt nun recht herzlich zu einem kleinen Shitstörmchen ein: Es gibt wirklich nur zwei biologische Geschlechter. Zumindest, wenn man, wie euer Ergebener, zu der Ansicht neigt, die Anzahl derselben definiere sich dadurch, wie viele man braucht, um auf herkömmliche Weise weitere Exemplare einer Spezies hervorzubringen. Bei den Leuten sind das zwei. Klar gibt es auf biologischer Ebene allerlei mehr, und da haben wir noch gar nicht bei den Insekten vorbeigeschaut, wo sogenannte Gynandromorphen vorkommen, die der Länge nach gendergeteilt sind, sodass die linke Hälfte weiblich, die rechte männlich ist oder umgekehrt. Die Gynandromorphen klettern allerdings auf ihren sechs Beinchen hastunichtgesehen aus dem Genpool, denn fortpflanzen kann man sich mit doppelter Halbausstattung nicht.

Ob die Vielfalt zwischen männlich und weiblich aus lauter weiteren Geschlechtern besteht, ist also eine andere Frage, als: ob sie existiert (was sie natürlich tut). Die Erde hat auch nur zwei Pole. Dazwischen gibt es viel Interessantes und Erfreuliches, aber keine weiteren Pole. Möglicherweise geht es an der Sache vorbei, zu behaupten, es gebe mehr als zwei Geschlechter, nur weil es noch anderes gibt als eben diese beiden.

Am andern Ende der Lebenslaufbahn ist es übrigens nicht besser. Wenn die Deputies deine sterblichen Reste aus dem Graben ziehen, nachdem ein Nachbar dich beim Morgenspaziergang mit dem Hund gefunden hat, schaut der Sheriff auch, was bei dir organisch lost ist, und dann bist du entweder Jane oder John Doe, aber, so leid es allen Beteiligten gewiss tut, nicht Charlie oder Robin.

Trotzdem: Schönes Wochenende!