Man macht sich, o geheimnisumwitterte Lesehäschen, ja gerne ein bisschen rätselhaft. Wenn die andern nicht alles von dir wissen, weckt das eventuell die Neugier, und wer weiß, was sich daraus entwickeln könnte? Deshalb läuten gewiefte Großstädter, die „neue Leute kennenlernen wollen“, zwecks Bekanntschaft mit der Nachbarin nicht etwa um eine Tasse Zucker an, sondern huschen zu sonderbaren Zeiten mit Hoodie und etwas Schwerem unterm Arm über den Hof.
Andere bescheiden sich mit einem kleineren Geheimnis, nämlich der Antwort auf die Frage: „Wohin gehst du?“ oder genauer „Wohin fährst du?“
Früher gab es nämlich zweierlei Radfahrer. Die einen gaben kein Handzeichen, weil sie halt ein Leben auf Messer Schneide führten und alles recht war, was das Adrenalin förderte. Links, rechts oder geradeaus – die Autofahrer sahen ja dann eh, wohin man fuhr.
Die anderen gaben Handzeichen, und wie! Mit durchgestrecktem Arm, parallel zu den Schultern weggereckt. Kleine Variationen waren in der Fingerhaltung möglich: Zeige- und Mittelfinger gestreckt, Rest geballt hieß: „Biege ab, schwöre!“ Zeige- und Mittelfinger bedeuteten: „Versuche abzubiegen, wünsch mir Glück.“ Und Handzeichen mit manu cornuta war natürlich Metal-Abbiegen.
Inzwischen ist das anders. Deutlich sichtbare Handzeichen geben nur noch Großmütter auf Hollandrädern mit tiefem Durchstieg sowie euer Ergebener, also Leute, die sich ans Leben gewöhnt haben und ungern davon lassen würden. Alle andern geben strenggenommen kein Handzeichen, sondern nur noch eine Handandeutung: Der Arm zeigt am Körper liegend nach unten, nur der Zeigefinger weist die angepeilte Richtung. Natürlich ist ein Finger nicht so ein Hingucker wie ein ganzer Arm (sonst sähen die Filme vom Reichtsparteitagsgelände anders aus), was ja wohl auch dem Doofsten klar ist.
Was also soll der Blödsinn? Der Zweckdichter kann sich das nur damit erklären, dass Richtungen in Österreich immer schon heikel waren. Einst war es sonnenklar, dass die Umfragewerte der FPÖ vor dem Wahlsonntag nur die halbe Wahrheit sagten, weil viele nicht zugeben wollten, wo sie ihr Kreuzchen zu machen gedachten. Mittlerweile ist das anders, wie auch die AfD zeigt, und es ist sich niemand mehr zu blöd, dem nächstbesten Marktforscher auf die Nase zu binden, dass man einer Witzfigurenpartie seine Stimme gibt, die zum Beispiel in Salzburg den Emissionshunderter auf der Autobahn abschafft, weil er wirkt: I shit you not. Die Luftgütewerte haben sich infolge der Geschwindigkeitsbeschränkung verbessert, also wird diese nun aufgehoben.
Weil man aber halt, wie gesagt, doch nicht ganz ohne Geheimnis sein will, ob aus erotischen oder sonstigen Erwägungen, werden Rechts-Links-Entscheidungen zumindest auf dem Fahrradstreifen in obskurantistisches Zwielicht gehüllt. Wenn das mal nicht ins Auge geht.
Schönes Wochenende!
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